Berufung
ist nach der deutschen Strafprozeßordnung nur gegen die
Strafurteile der
Schöffengerichte und
gegen diejenigen
Urteile des
Amtsrichters gegeben, welche ohne Zuziehung von
Schöffen mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft
dann ergehen, wenn der Beschuldigte dem
Amtsrichter wegen einer bloßen
Übertretung vorgeführt wird und die ihm zur
Last gelegte
strafbare That einräumt. Die Berufung
, welche eine nochmalige
Prüfung und
Entscheidung der
Sache, und zwar nicht
nur der
Rechtsfrage, sondern auch der
Thatfrage, herbeiführt, geht in jenen
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Fällen an die Strafkammer des zuständigen Landgerichts. Straferkenntnisse der Landgerichte und schwurgerichtliche Urteile dagegen sind nur mittels des Rechtsmittels der Revision anfechtbar, und dies letztere Rechtsmittel kann nur auf eine angebliche Verletzung eines Gesetzes durch das angefochtene Erkenntnis gegründet werden. Die Thatumstände werden von dem Revisionsgericht nicht nochmals geprüft, sondern nur die Rechtsfrage kommt zur wiederholten Erörterung und Entscheidung.
Vielfach ist jedoch die Unzulässigkeit der Berufung
gegen die erstinstanzlichen Urteile der landgerichtlichen Strafkammern als ein
erheblicher Mangel bezeichnet worden, und für die Wiedereinführung der in diesen Strafsachen ist namentlich im deutschen
Anwaltstand eine Bewegung entstanden. Der deutsche Anwaltstag hat sich einstimmig für die Wiedereinführung
ausgesprochen. Man verlangt dieselbe namentlich im Interesse einer größern Gründlichkeit der Entscheidung zur thunlichsten
Verminderung der Gefahr ungerechter Verurteilung, während die Gegner der Berufung
dieselbe als mit dem Grundsatz der Mündlichkeit
und Unmittelbarkeit des Verfahrens sowie der freien richterlichen Veweiswürdigung unverträglich bezeichnen.
Wiederholt ist im Reichstag über diesen wichtigen Gegenstand verhandelt worden, und zwar waren es zuletzt
zwei Anträge von Abgeordneten, welche die Grundlage der Beratungen bildeten. Ein Antrag des klerikalen Abgeordneten Reichensperger
will das Rechtsmittel der Berufung
dem Staatsanwalt in gleicher Weise wie dem Beschuldigten geben, während der Antrag des freisinnigen
Abgeordneten Munckel die Staatsanwaltschaft im Recht zur Berufung
beschränkt wissen will. Nur durch die Anführung
neuer Thatsachen oder Beweismittel soll nach Munckels Vorschlag die von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Beschuldigten
eingelegte Berufung
gerechtfertigt werden können.
Munckel will ferner die gegenwärtige Zahl von fünf Richtern bei der Besetzung der Strafkammern beibehalten wissen, während
Reichensperger die Zahl der erstinstanzlichen Richter auf drei reduzieren will. Die Berufung
selbst will Reichensperger nicht an ein
höheres Gericht, sondern an Berufung
skammern für Strafsachen gehen lassen, welche bei den Landgerichten gebildet und mit fünf
Richtern besetzt werden sollen. Munckel schlägt dagegen vor, die an den mit fünf Richtern besetzten Strafsenat
des Oberlandesgerichts gehen zu lassen. Zu einer Entscheidung ist es in dieser Frage jedoch bisher nicht gekommen.