Titel
Berri
,
1) Charles de, dritter Sohn des Dauphins Ludwig und der Prinzessin Marie Christine von Bayern, [* 2] Enkel Ludwigs XIV., geb. 1686, führte den Titel Großdauphin und starb 1714 infolge eines Sturzes mit dem Pferd. [* 3] Er war seit 1710 vermählt mit Marie Luise Elisabeth von Orléans [* 4] (geb. 1695), einer Tochter des spätern Regenten, welche durch ihren sittenlosen Lebenswandel sich berüchtigt machte. Sie starb 1719.
2)
Charles
Ferdinand,
Herzog von, zweiter Sohn des
Grafen von
Artois
(Karl X.) und der
Maria Theresia von
Savoyen,
geb. zu
Versailles,
[* 5] floh mit seinen Eltern 1789 nach
Turin
[* 6] und focht mehrfach mit den
Emigranten gegen
Frankreich. 1801 ging
er nach
England und vermählte sich morganatisch mit einer Engländerin,
Namens
Brown; zwei Töchter aus dieser von
Ludwig
XVIII. nicht anerkannten
Ehe heirateten später die eine den
Marquis von
Charette, die andre den
Prinzen von
Faucigny. Am nach
Paris
[* 7] zurückgekehrt, befehligte er, zum
Generalobersten ernannt, bei
Napoleons Rückkehr die
Truppen um
Paris, mußte sich aber 20. März nach
Belgien
[* 8] zurückziehen, von wo er nach der
Schlacht bei
Waterloo
[* 9] 8. Juli nach
Paris zurückkehrte. Er nahm jedoch
von da an wenig teil am politischen
Leben. 1816 vermählte er sich mit
Karoline
Ferdinande
Luise (s. unten), der ältesten Tochter
des nachmaligen
Königs
Franz I. von
Neapel.
[* 10] Da auf dieser
Ehe das Fortbestehen der ältern
Linie
Bourbon beruhte,
so wurde Berri
beim
Austritt aus dem Opernhaus von
Louvel, einem politischen Fanatiker, welcher
Frankreich durch Ausrottung
der
Bourbonen retten wollte, durch einen Dolchstich ermordet. Obgleich der
Mörder mit keiner politischen
Partei in
Verbindung
stand, war doch eine reaktionäre Wendung der
Regierung die
Folge der That.
Vgl.
Chateaubriand,
Mémoires
touchant la vie et la mort du duc de Berri
(Par. 1820).
3) Karoline Ferdinande Luise, Herzogin von, Gemahlin des vorigen seit älteste Tochter des Königs Franz I. von Neapel, geb. gebar nach ihres Gatten Ermordung den Prinzen Heinrich von Artois, Herzog von Bordeaux [* 11] (s. Chambord). Nach der Julirevolution von 1830 folgte sie mit ihren Kindern Karl X. nach Holyrood. Mit der Absicht, ihren Sohn als König nach Frankreich zurückzuführen, ging sie 1831 nach Italien, [* 12] wo sich bald Anhänger der Bourbonen um sie scharten.
Man beschloß eine Landung in Frankreich, um Heinrichs V. Fahne daselbst aufzupflanzen. Am landete die Herzogin in Marseille, [* 13] mußte aber, da ihre Partei zu schwach war, verkleidet nach der Vendée fliehen, erregte dort hier und da Aufstände, die aber schnell unterdrückt wurden, bestand mannigfache Abenteuer und ward endlich in Nantes [* 14] infolge des Verrats eines Juden, Namens Deutz, verhaftet. Sie wurde nun auf die Citadelle von Blaye gebracht, wo sich ergab, daß die Herzogin ¶
mehr
schwanger war; sie erklärte, daß sie in zweiter Ehe mit dem neapolitanischen Marchese Lucchesi-Palli vermählt sei. Dieses Eingeständnis brachte sie um ihre ganze politische Bedeutung, und die Regierung entließ sie ihrer Haft. Seitdem lebte sie mit ihrem zum Herzog della Grazia erhobenen Gemahl (gest. 1864) meist zu Brunnensee in Steiermark, [* 16] wo sie starb.
Vgl. »La captivité de la duchesse de Berri
Journal du docteur P. Ménière« (Par. 1882).