Titel
Bernoulli
(spr. -nujih), Name einer Reihe ausgezeichneter Männer, die fast sämtlich die mathem. Wissenschaften zum Gegenstande ihrer Studien wählten. (Vgl. P. Merian, Die Mathematiker Bernoulli, Bas. 1860.) Stammvater ist ein Jakob Bernoulli (gest. 1583), der, um den Bedrückungen des Herzogs Alba zu entgehen, von Antwerpen nach Frankfurt a.M. auswanderte. Ein Enkel desselben, ebenfalls Jakob Bernoulli genannt, geb. um 1598, siedelte sich 1622 in Basel an und starb daselbst 1634. In Basel gehörte die Familie bald zu den angesehensten, und viele ihrer Mitglieder bekleideten die höchsten Staatsämter.
1) Nikolaus Bernoulli, der älteste Sohn des letztgenannten Jakob Bernoulli, geb. gest. Kaufmann und Mitglied des Großen Rats in Basel, hinterließ 11 Kinder, von denen das fünfte, Jakob, und das zehnte, Johann, berühmt sind.
2) Jakob Bernoulli, geb. 27. Dez. (a. St.) 1654 zu Basel, Professor der Mathematik daselbst seit 1687, gest. wendete die von Leibniz und Newton erfundene Rechnung des Unendlichen auf die schwierigsten Fragen der Geometrie und Mechanik an, berechnete die loxodromische und die Kettenlinie, die logarithmische Spirale und die Evolute verschiedener krummer Linien und erfand die Bernoullischen Zahlen, worunter man die Koefficienten des niedrigsten Gliedes in den Formeln für die Summen der geraden Potenzen aller ganzen Zahlen von 1 bis x versteht, von denen er jedoch nur die fünf ersten angegeben hat; ihr Gesetz wurde erst von Moivre gefunden und von Euler einfacher dargestellt. Eine Sammlung seiner «Opera» erschien in Genf (2 Bde., 1744). -
Vgl. Saalschütz, Vorlesungen über die Bernoullischen Zahlen (Berl. 1893).
3) Sein Bruder, Johann Bernoulli, geb. 27. Juli (a. St.) 1667 zu Basel, war ebenfalls einer der größten Mathematiker seiner Zeit. Anfangs zum Kaufmannsstande bestimmt, wendete er sich später den Wissenschaften zu und machte in den J. 1690-92 verschiedene Reisen, namentlich auch nach Frankreich, wo er den Marquis de l'Hopital kennen lernte. Nachdem er 1694 zu Basel in der mediz. Fakultät promoviert hatte, ging er 1695 als Professor der Mathematik nach Groningen. Nach seines Bruders Jakob Tode übernahm er in Basel dessen Stelle, die er bis zu seinem Tode, bekleidete. Er erfand während seines Aufenthalts in Paris den calculus exponentialis, den er 1697 bekannt machte, noch vor Leibniz, bearbeitete mit seinem vorgenannten Bruder die Differentialrechnung und Integralrechnung, die er beträchtlich ausbaute. Seine «Opera, omnia» erschienen in Lausanne (4 Bde., 1742) und sein «Briefwechsel mit Leibniz» ebendaselbst (2 Bde., 1745).
4) Ein Neffe der beiden vorigen, Nikolaus Bernoulli, geb. 10. Okt. (a. St.) 1687 zu Basel, studierte die Rechte, vorzugsweise aber die Mathematik, namentlich auch in Groningen, von wo er 1705 mit seinem Oheim Johann Bernoulli nach Basel zurückkehrte. Er ward auf Leibniz' Empfehlung 1716 Professor der Mathematik in Padua, 1722 Professor der Logik in Basel, 1731 Professor des Lehnrechts daselbst und starb A. bereicherte mit mehrern Entdeckungen die Wahrscheinlichkeit- und die Integralrechnung.
5) Daniel Bernoulli, Sohn Johanns Bernoulli, geb. zu Groningen, studierte in Basel Medizin und Mathematik. Nach Reisen durch Deutschland und Italien folgte er 1725 einem Rufe nach Petersburg; 1733 kehrte er nach Basel zurück, wo er die Professur der Anatomie und Botanik, 1750 die der Physik erhielt und starb. Er war einer der größten Physiker und Mathematiker seiner Zeit. Zehnmal erhielt er den Preis der Pariser Akademie. Mit seinem Vater teilte er 1734 einen doppelten Preis bei der genannten Akademie für die Abhandlung «Über die Ursachen der verschiedenen Neigungen der Planetenbahnen gegen den Sonnenäquator». In den Akten der Petersburger, Pariser, Berliner und anderer Akademien, deren Mitglied er war, sind viele seiner Abhandlungen gedruckt. Sein Hauptwerk ist die «Hydrodynamica» (Straßb. 1738). -
Vgl. Die Baseler Mathematiker Daniel und Leonhard Euler (Bas. 1884).
6) Johann Bernoulli, der Neffe des vorigen, geb. zu Basel, starb als königl. Astronom zu Berlin, wohin er 1764 berufen worden war, nachdem er fast alle Länder Europas besucht hatte. Von seinen Schriften sind zu erwähnen: «Recueil pour les astronomes» (3 Bde. und 1 Suppl., Berl. 1771-79),
«Sammlung kurzer Reisebeschreibungen» (18 Bde., ebd. 1781-87),
«Archiv zur neuern Geschichte, Geographie, Natur- und Menschenkenntnis» (8 Bde., Lpz. 1783-88).
7) Von seinen beiden Brüdern war Daniel Bernoulli, geb. zu Basel, gest. daselbst Doktor der Medizin und Professor der
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Beredsamkeit, während Jakob Bernoulli, geb. zu Basel, nach Petersburg ging, wo er sich mit einer Enkelin Eulers vermählte und als Professor der Mathematik und Akademiker starb.
8) Christoph Bernoulli, Sohn des letztgenannten Daniel Bernoulli, geb. zu Basel, besuchte das Collège zu Neuchatel, worauf er 1799 im Bureau des Ministeriums Stapfer zu Luzern, dann in seiner Vaterstadt eine Anstellung erhielt. Seit Okt. 1801 studierte er in Göttingen Naturwissenschaften, und 1802-4 war er in Halle ordentlicher Lehrer am Pädagogium. Sodann ging er nach Berlin und Paris, kehrte nach kurzem Verweilen an der Schule zu Aarau nach seiner Vaterstadt zurück, wo er 1806 eine Privatlehranstalt eröffnete, die er aber 1817 eingehen ließ, worauf ihm die Professur der Naturgeschichte an der dortigen Universität übertragen wurde.
Nachdem er sich 1861 vom Lehramte zurückgezogen hatte, starb er Bernoulli gehört zu den fleißigsten Schriftstellern in Bearbeitung der rationellen Technologie, und seine Schriften bilden den Übergang von der ältern Behandlungsweise der Technologie zu der neuern rationellen Methode. Von diesen sind zu erwähnen: «Über den nachteiligen Einfluß der Zunftverfassung auf die Industrie» (Bas. 1822),
«Anfangsgründe der Dampfmaschinenlehre» (ebd. 1824),
«Rationelle Darstellung der gesamten mechan. Baumwollspinnerei» (ebd. 1829),
«Vademekum des Mechanikers» (Stuttg. 1829; 20. Aufl., bearbeitet von Autenheimer, 1894),
«Handbuch der Technologie» (2 Bde., Bas. 1833-34; 2. Aufl. 1840),
«Dampfmaschinenlehre» (Stuttg. 1833; 7. Aufl. 1890),
«Elementarisches Handbuch der industriellen Physik, Mechanik und Hydraulik» (2 Bde., ebd. 1834 -35),
«Handbuch der Populationistik» (Ulm 1840),
«Technolog. Handencyklopädie» (Stuttg. 1850).
9) Johann Jakob Bernoulli, geb. zu Basel, war erst Lehrer der Geschichte am obern Gymnasium und an der obern Realschule zu Basel, dann außerord. Professor an der dortigen Universität. Seine Schriften behandeln meist Gegenstände der antiken Plastik, wie «Über die Laokoongruppe» (Bas. 1863),
«Über die Minervenstatuen» (ebd. 1871),
«Die Bildnisse des ältern Scipio» (ebd. 1875),
«Die Bildnisse berühmter Griechen» (ebd. 1877),
«Römische Ikonographie» (2 Tle., Stuttg. 1882-94) und namentlich «Aphrodite» (Lpz. 1874).
10) August Bernoulli, geb. 1839 zu Basel, zuerst Kaufmann, studierte Geschichte und lebt als Privatgelehrter in Basel. Er schrieb: «Die Schlacht bei St. Jakob a. d. Birs» (Bas. 1877),
«Winkelrieds That in der Schlacht bei Sempach» (ebd. 1886),
«Die älteste deutsche Chronik von Colmar» (ebd. 1888). Bernoulli ist auch Herausgeber der «Baseler Chroniken», Bd. 4 (Lpz. 1890).