Titel
Bernhardt
,
1) August, Forstmann, geb. zu Sobernheim a. d. Nahe, studierte in Eberswalde [* 2] Forstwissenschaft, wurde 1864 Oberförster zu Hilchenbach (Kreis [* 3] Siegen), [* 4] war 1870-71 in Metz [* 5] als Forstinspektionsbeamter bei der Organisation der deutschen Forstverwaltung in Elsaß-Lothringen [* 6] thätig, wurde 1871 als forsttechnischer Dirigent der neuerrichteten Versuchsstation und als Lehrer der Forstwissenschaft an die Forstakademie zu Eberswalde berufen und 1878 zum Oberforstmeister und Direktor der Forstakademie zu Münden ernannt. Er starb daselbst Unter seinen gediegenen Schriften sind hervorzuheben: »Die Haubergswirtschaft im Kreis Siegen« (Münst. 1867);
»Die Waldwirtschaft und der Waldschutz« (Berl. 1869);
»Die forstlichen Verhältnisse von Deutsch-Lothringen« (das. 1871);
»Über die historische Entwickelung der Waldwirtschaft und Forstwissenschaft in Deutschland« [* 7] (das. 1871);
»Forststatistik Deutschlands« [* 8] (das. 1872);
»Geschichte des Waldeigentums, der Waldwirtschaft und Forstwissenschaft« (das. 1872-75, 3 Bde.);
»Chronik des deutschen Forstwesens in den Jahren 1873-78« (das. 1876-79);
»Die preußischen Forst- und ¶
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Jagdgesetze« (mit Erläuterungen von Öhlschläger, das. 1878, 2 Bde.).
2) Rosine, genannt Sarah, bekannte franz. Tragödin, als Tochter unbemittelter Eltern jüdischer Konfession zu Paris [* 10] geboren und nach dem Willen ihres Vaters in der christlichen Religion getauft, empfing ihre Erziehung im Kloster Grand-Champs zu Versailles [* 11] und trat 1858 in das Pariser Konservatorium ein, wo Samson und Prévost ihre Lehrer wurden. Nachdem sie zwei zweite Preise erhalten hatte, debütierte sie 1862 im Théâtre français als Iphigenie, ohne weiteres Talent zu verraten.
Sie ging bald ans Gymnasetheater, lebte dann in Paris, bis sie 1866 wieder im Théâtre de la Porte St.-Martin auftauchte, auf dessen Bühne sie unter angenommenem Namen selbst im Chor mitwirken mußte. 1867 siedelte sie ins Odéontheater über, auf dem sie in Coppées Schauspiel »Passant« als Zanetto und als Königin in Victor Hugos »Ruy Blas« einen durchschlagenden Erfolg errang. Allein noch einmal legten sich die Verhältnisse hemmend zwischen sie und ihre nachmalige Berühmtheit.
Der Krieg von 1870/71 machte ihrer künstlerischen Thätigkeit ein Ende, und sie spielte nun eine Rolle als Pflegerin der Verwundeten. Nach dem Friedensschluß trat sie wieder als Königin in »Ruy Blas« auf, errang sich mit dieser Rolle ihre verlorne Position am Théâtre français zurück und galt bald als erste Tragödin seit der Rachel und Mars. [* 12] Sie macht übrigens auch auf den Ruhm Anspruch, Bildhauerin und Malerin zu sein, schreibt Zeitungsartikel, hat ein Buch über ihre Fahrt im Ballon [* 13] captif und ein Drama: »Die goldene Nadel«, verfaßt. 1879 begleitete sie die Gesellschaft des Théâtre français auf deren Gastspielreise nach London, [* 14] wo sie in der Straße Piccadilly eine Ausstellung ihrer Werke arrangierte. 1880 brach sie ihren Kontrakt, der sie an das Théâtre français fesselte, gastierte in London, dann in Kopenhagen, [* 15] in Amerika, [* 16] Holland, Wien, [* 17] Pest, Rußland und Italien. [* 18]
Später kehrte sie wieder zu dauerndem Aufenthalt nach Paris zurück und führte eine Zeitlang selbst Direktion,
jedoch mit so geringem Erfolg, daß sie auf Jahre hinaus verschuldet ist. Als Schauspielerin ist sie jedenfalls ein großartiges
Talent, ausgerüstet mit durchdringendem Geiste, doch leider mit nur geringer physischer Kraft,
[* 19] was in leidenschaftlichen Stellen
störend hervortritt. Ihre Stimme besitzt eine ungewöhnliche Weichheit und melodische Reinheit, ihre schlanke
Figur ist von sprichwörtlich gewordener Magerkeit, ihr feines Gesicht
[* 20] trägt den Ausdruck des Leidens. Doña Sol in Victor Hugos
»Hernani« gilt als eine ihrer vorzüglichsten Rollen.
[* 21] Die schauspielerische Bedeutung der Bernhardt
wird übrigens noch übertroffen
von ihrer nahezu kindischen Eitelkeit und raffinierten Reklamesucht. Vermählt ist sie seit April 1882 mit
einem mittelmäßigen Schauspieler, Daria (eigentlich Jacques d'Amala).
Vgl. Clamant, Biographie de S. Bernhardt
(1879); Colombier,
Le
[* 22] voyage de S. en Amérique (1881).