Berner
Disputation, s. Reformation. ^[= (lat., "Umgestaltung, Verbesserung"), die Bewegung des 16. Jahrh., welche die Entstehung ...]
Berner Disputation
152 Wörter, 1'110 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Berner
Disputation, s. Reformation. ^[= (lat., "Umgestaltung, Verbesserung"), die Bewegung des 16. Jahrh., welche die Entstehung ...]
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Berner
Disputation
, das den Sieg der Reformation in Bern
[* 3] entscheidende Religionsgespräch vom 7. bis Unter den
Vorsitzenden war Joachim von Watt aus
St. Gallen, die Wortführer der evang. Partei waren der Münsterpfarrer Berthold Haller
und Butzer aus Straßburg,
[* 4] auch war Ulrich Zwingli zugegen. Die Heilige Schrift als alleinige Norm der kirchlichen
Lehren
[* 5] und Einrichtungen, die Rechtfertigung durch Christi Verdienst allein, die Art der Gegenwart Christi im Abendmahl, das
Meßopfer und die Mönchsgelübde waren Gegenstand der Verhandlungen, die für die Reformierten günstig ausfielen.
Nachdem die Berner Geistlichkeit die Beschlüsse («Zehn Schlußreden») unterzeichnet und die Messe und Bilder abgeschafft hatte, erfolgte 7. Febr.1528 ein Reformationsmandat (vgl. Richter, Die evang. Kirchenordnungen des 16. Jahrh., Bd. 1, Weim. 1840), dem sich die Berner Gemeinden anschlossen. Die Originalakten des Gespräches sind noch vorhanden; gedruckt wurden sie 1528 u. ö. -
Vgl. S. Fischer, Geschichte der Disputation
und Reformation in Bern
(Bern
1828).
(lat., »Umgestaltung, Verbesserung«),
die Bewegung des 16. Jahrh., welche die Entstehung der lutherischen und reformierten Kirchen, überhaupt des Protestantismus (s. d.), zur Folge hatte. Dieselbe ist eins von denjenigen weltgeschichtlichen Ereignissen, welche in alle Gebiete des Kulturlebens der sich daran beteiligenden Völker mächtig eingegriffen und eine lange Reihe neuer Gestaltungen auf dem politischen und kirchlichen Leben angebahnt, ja die ganze moderne Entwickelung Europas bedingt haben.
Viele Anzeichen kündigten schon seit langem das Herannahen einer neuen Epoche des Menschenlebens an, und es ist die Reformation nicht als das Werk Eines Mannes, sondern als das Resultat vieler und bedeutsamer vermittelnder Vorgänge anzusehen. Wir erinnern hier nur an die Erfindung der Buchdruckerkunst, an die Erweiterung der Weltanschauung durch die überseeischen Entdeckungen, vornehmlich aber an das Wiederaufleben der Künste und Wissenschaften im 15. Jahrh., an alles, was man in der Regel unter dem Kunstausdruck Renaissance (s. d.) zusammenfaßt. Speziell die Notwendigkeit einer »Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern« war durch die großen Kirchenversammlungen des 15. Jahrh. wiederholt anerkannt worden, und die reformatorischen Ideen, vor allen eines Wiclef und Huß, hatten dazu beigetragen, einen Umschwung der religiösen Grundideen anzubahnen.
Geringfügig im Vergleich mit den Folgen erscheint die unmittelbare Veranlassung der Kirchenreformation Martin Luthers (s. Luther), Professors und Predigers in Wittenberg, [* 7] die Bekämpfung des Ablaßhandels (s. Ablaß), wie solcher damals namentlich durch Tezel in Thüringen aufs schamloseste betrieben ward, durch den Anschlag von 95 Thesen an die Thür der Schloßkirche zu Wittenberg In kürzester Frist durchzogen diese Thesen ganz Deutschland. [* 8] Doch erst auf der Disputation, welche vom 27. Juni bis zu Leipzig [* 9] statthatte, vollzog Luther innerlich den Bruch mit der katholischen Religiosität, indem er sich zu der Behauptung drängen ließ, der Papst sei nicht nach göttlichem, sondern nur nach menschlichem Recht Oberhaupt der Kirche. Von Melanchthon (s. d.) mit seiner Beredsamkeit und dialektischen Gewandtheit unterstützt, von seinem Kurfürsten Friedrich dem Weisen beschützt (vgl. Kolde, Friedrich der Weise und die Anfänge der Reformation, Erlang. 1881) und von dem Enthusiasmus fast des ganzen deutschen Volkes getragen, gewann Luther immer neue und einflußreiche Anhänger, namentlich einen großen Teil des deutschen Adels, voran die tapfern Ritter von Schaumburg, von Sickingen und von Hutten (s. d.), für seine Sache. An diesen deutschen Adel, als an echte Repräsentanten seines Volkes, richtete er seine Schrift »Von des christlichen Standes Besserung« (Juni 1520),
worin die Artikel der Reformation als große Volkssache dargelegt und Fürsten und Reichsstände aufgefordert wurden, selbst Hand [* 10] anzulegen, um das römische Unwesen in Deutschland abzuschaffen. Im Buch »Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche« (Oktober 1520) führte er durch, wie der ganze Ablaß eine römische Schalkheit und das Papsttum nur menschlichen Ursprungs sei, wie der Kelch auch den Laien gebühre, die Messe nicht Opfer, noch gutes Werk und die neuerfundene ¶
Wandlungslehre ein schriftwidriger Irrtum sei. Die Sakramente werden auf Taufe, Buße und Abendmahl beschränkt, und gegen die ganze Bedeutung der Kirche als äußerer Anstalt wird die Kraft [* 12] des Glaubens geltend gemacht. Endlich schrieb er in demselben Jahr noch, gleichsam als dritte Urkunde der Grundsätze der deutschen Reformation, das Buch »Von der Freiheit eines Christenmenschen«, worin er vornehmlich die Lehre [* 13] vom Glauben behandelte, durch den der Christenmensch ein Herr über alle Dinge, ein König und Priester, keinem Gesetz unterthan und durch nichts Äußerliches gebunden, aber auch ein Knecht aller sei, sofern er um Gottes willen jedermann diene.
Zugleich aber schritt er zur befreienden That vor, indem er, seine unwiderrufliche Lossagung vom Papsttum besiegelnd, vor dem Elsterthor in Wittenberg die päpstliche Bulle, wodurch Leo X. den Bann gegen ihn geschleudert hatte, samt dem kanonischen Rechtsbuch ins Feuer warf. Wie aber die päpstliche, so hatte sich alsbald auch die kaiserliche Autorität der neuen Bewegung gegenüber in ihrer Ohnmacht erwiesen. Im März 1521 wurde Luther durch Karl V. unter Zusicherung freien Geleits auf den Reichstag zu Worms [* 14] entboten. Am 17. u. 18. April stand er vor der Reichsversammlung.
Gegen die ersten Folgen der nunmehr wider ihn ergehenden Reichsacht durch die ihm von seinem Kurfürsten auferlegte Zurückgezogenheit auf der Wartburg geschützt, kehrte er, durch die Überstürzungen seiner Anhänger in Wittenberg bewogen, dahin zurück. Der Verbreitung und Vertiefung der evangelischen Erkenntnis sollte die von ihm schon auf der Wartburg begonnene Bibelübersetzung dienen. Vollständig erschien sie erst 1534. In der Zwischenzeit hatte die Reformation feste Wurzeln allenthalben in Deutschland geschlagen. Aus dem Reichstag zu Nürnberg [* 15] hatten im Dezember 1522 die Stände 100 Beschwerden gegen den römischen Stuhl aufgesetzt, worin des Papstes Kunstgriffe, Geld zu erpressen, nachgewiesen, die menschlichen Satzungen als der Grund alles Unheils und Verderbens aufgedeckt und zuletzt mit Eigenhilfe gedroht ward, wenn solchen unleidlichen Übelständen nicht bald gesteuert würde.
Schon jetzt fielen aber dem Bekenntnis der Wahrheit nicht wenig Opfer. 1523 brach in den Niederlanden eine heftige Verfolgung aus, in welcher zwei junge Augustinermönche zum Scheiterhaufen verdammt und verbrannt wurden. Ferner kamen Enthauptungen und Verbrennungen evangelische Ketzer vor in Wien, [* 16] München, [* 17] Köln, [* 18] auch in Schwaben und im Elsaß. In Dithmarschen ward Heinrich von Zütphen (s. Moller) ein Opfer der Wahrheit. Gleichwohl gewann die Reformation das Übergewicht seit 1519 in Ostfriesland, seit 1522 in Pommern, [* 19] Livland [* 20] (durch Knöpken, Tegetmaier, Briesmann und Lohmüller), Schlesien, [* 21] Preußen [* 22] (durch den Hochmeister Albrecht von Brandenburg, [* 23] der 1522 durch Osiander auf dem Reichstag zu Nürnberg gewonnen wurde), Mecklenburg, [* 24] seit 1523 in Frankfurt [* 25] a. M., Nürnberg (durch Osiander [s. d.] und den Ratsschreiber Lazarus Spengler), Straßburg (woselbst Matthes Zell schon seit 1518 das Evangelium predigte, an den sich später Capito [s. d.], Bucer [s. d.], Hedio und Fagius anschlossen), Schwäbisch-Hall (durch Johann Brenz, s. d.), seit 1524 in Magdeburg, [* 26] Bremen [* 27] und Ulm. [* 28]
Die süddeutschen Städte folgten übrigens bereits jetzt teilweise in Lehre und Gottesdienstordnung mehr demjenigen Typus der Reformation, welcher in der benachbarten Schweiz [* 29] seine Heimat hatte. Auch hier war es zunächst der Ablaßunfug gewesen, welcher schon 1518 Ulrich Zwingli (s. d.) zum Widerspruch gegen die päpstlichen Satzungen veranlaßt hatte. Seit 1519 erhob dieser humanistisch gebildete Theolog in Zürich [* 30] seine volkstümliche Rede für die Reformation der Kirche und der Sitten.
Durch das Studium der Heiligen Schrift zu einer selbständigen religiösen Überzeugung gelangt, sagte er sich noch entschiedener als Luther von den Prinzipien des Katholizismus los, sobald ihm einmal deren Gegensatz zum biblischen Christentum klar geworden war (s. Reformierte Kirche). Auf seine Veranlassung erließ der Große Rat (1520) ein Gebot, daß alle Prediger des Freistaats sich allein an die heiligen Evangelien und die Schriften der Apostel halten sollten, und durch Disputationen brach er der Sache der Reformation bald in andern schweizerischen Städten Bahn. In Basel [* 31] entschied sich Ökolampadius (s. d.) für die in Bern Berthold Haller (s. d.) und Nikolaus Manuel (s. d.). Nur das Landvolk in den Gebirgskantonen, am Alten hangend und von den Mönchen und Priestern geleitet, verstattete den reformatischen Ideen keinen Eingang; ja, die drei Waldstätte nebst Zug und Luzern [* 32] schwuren einander, jeden Verächter der Messe und der Heiligen zu töten. Als einzelne blutige Gewaltthaten den Ernst ihres Beschlusses bewiesen, gebrauchten die reformierten Kantone Repressalien, und bei Kappel floß das erste im Religionskampf vergossene Blut.
In Deutschland war das Kurfürstentum Sachsen [* 33] das erste Land, in welchem die Reformation die gesetzliche Genehmigung von seiten Johanns des Beständigen (1525 bis 1532) erhielt; auf Grundlage des Visitationsbüchleins erfolgte die Kirchenvisitation 1528-29. Etwa gleichzeitig führte der Landgraf Philipp von Hessen [* 34] 1527 sein ganzes Land durch Lambert von Avignon auf der Homberger Synode der Reformation zu. Schon 1524 aber war die lange gärende Unzufriedenheit des hart belasteten Bauernstandes, durch die mächtige Bewegung, welche die in die niedern Schichten des Volkes brachte, gefördert, in offenen Aufstand gegen den weltlichen und geistlichen Adel zur Erlangung von Christen- und Menschenrechten ausgebrochen und hatte blutig unterdrückt werden müssen.
Diese Vorgänge trugen vornehmlich dazu bei, Luther in einer Richtung zu bestärken, welche schon seit seiner Rückkehr von der Wartburg angebahnt worden war: neben die Selbstherrlichkeit des christlich-freien Bewußtseins oder Glaubens trat wieder die Bedeutung des äußern Kirchentums;
das kühne Vorgehen wurde ermäßigt durch die Achtung vor der Geschichte.
Leider erhob sich nun unter den Lehrern der evangelischen Kirche jener unselige Zwiespalt, der auf Jahrhunderte hinaus einen Riß in die kaum entstandene Gemeinschaft machte, zunächst als Streit über das heilige Abendmahl (s. d.). Alle Versuche, denselben durch Religionsgespräche beizulegen, scheiterten an Luthers leidenschaftlicher Heftigkeit. Diese Trennung war aber um so unzeitiger, als die Existenz der evangelischen Kirche noch so wenig gesichert war und den ersten Bündnissen, welche 1526 hauptsächlich auf Betreiben des hessischen Landgrafen unter einigen evangelischen Reichsständen geschlossen wurden, sofort katholische Gegenallianzen gegenübertraten.
Auf dem im Sommer des gleichen Jahrs gehaltenen Reichstag zu Speier [* 35] hielten sich beide Teile schon fast die Wagschale, so daß der Reichsrezeß vom dahin lautete, bis zur Berufung eines allgemeinen Konzils solle sich jeglicher Stand in Bezug auf das Wormser Edikt so gegen seine Unterthanen verhalten, wie er es vor Gott und dem Kaiser verantworten könne. Jedoch schon auf dem neuen Reichstag zu Speier 1529 ward der Beschluß des vorigen wieder zurückgenommen, so daß ¶
die evangelischen Stände zu einer förmlichen Protestation schritten, welche die geschichtliche Veranlassung des Namens Protestanten geworden ist (s. Protestantismus). Der Kaiser verwarf die Protestation und schrieb einen Reichstag nach Augsburg [* 37] aus. Jetzt hielten es die protestantischen Stände für angemessen, die Grundlehren ihres Glaubens in der Kürze zusammenzustellen und sie dem Kaiser vorzulegen. So entstand, unter grundsatzmäßigem Ausschluß der Schweizer Reformatoren, die Augsburgische Konfession (s. d.), die verlesen ward, und zu welcher sich bald auch die nordischen Reiche Dänemark, [* 38] Schweden [* 39] und Norwegen sowie die Ostseeländer bekannten, während die oberdeutschen Reichsstädte Straßburg, Konstanz, [* 40] Lindau [* 41] und Memmingen [* 42] in der Tetrapolitana bei ihrer Zwinglischen Auffassung beharrten. In Deutschland aber begann seitdem der Kampf um das gute Recht der Reformation, zu deren Schutz 1531 zwischen den protestantischen Ständen der Bund von Schmalkalden [* 43] geschlossen wurde.
Jetzt zog der Kaiser mildere Saiten auf, und es kam in Nürnberg zu einem Friedensschluß, worin den Gliedern des Schmalkaldischen Bundes das Verbleiben bei ihrer Lehre und ihrem Kultus bis zu einem allgemeinen Konzil oder bis zur Entscheidung eines neuen Reichstags zugesichert wurde. Als der Papst auf Mai 1537 ein solches Konzil nach Mantua [* 44] ausschrieb, gab der Kurfürst von Sachsen seinen Theologen auf, die Glaubensartikel zu erwägen und zusammenzustellen, auf denen zu bestehen sein möchte, und so entstanden die von Luther (Februar 1537) aufgesetzten Schmalkaldischen Artikel (s. d.), welche den Gegensatz zum Katholizismus und die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der protestantischen Kirche weit bestimmter und schärfer als die Augsburgische Konfession aussprachen.
Der kriegerisch gesinnte Landgraf Philipp von Hessen hatte inzwischen (1534) durch die Zurückführung des vom Schwäbischen Städtebund vertriebenen und vom Kaiser zu gunsten seines Bruders Ferdinand des Throns entsetzten Herzogs Ulrich von Württemberg [* 45] dem protestantischen Glauben ein ganzes Land erobert. Ulrich übertrug die Reformation seines Landes Blarer (s. d.) und Schnepf (s. d.). Ohne Unterlaß war inzwischen der Landgraf auch bemüht gewesen, den seit dem Marburger Gespräch (Oktober 1529) besiegelten Zwiespalt der Wittenberger und Schweizer Reformatoren über die Abendmahlslehre zu beseitigen, und seine Bemühungen hatten wenigstens einen provisorischen Stillstand der Streitigkeiten durch den Abschluß der Wittenberger Konkordie (Mai 1536) zur Folge.
Auch der neue Kurfürst von Brandenburg, Joachim II. (1535-71), bekannte sich seit 1539 offen zur evangelischen Lehre und führte dieselbe mit Hilfe des Bischofs von Brandenburg, Matthias von Jagow, in sein Gebiet ein; gleichzeitig wurden auch des eifrig katholischen Herzogs Georg von Sachsen Lande durch dessen Nachfolger Heinrich für dieselbe Sache gewonnen. Selbst der Kurfürst von Köln, Hermann, Graf zu Wied (s. d.), ließ 1543 einen Reformationsplan im Druck erscheinen, welcher im ganzen mit der evangelischen Lehre übereinstimmte.
Doch scheiterte dieser Reformationsversuch am Widerstand seines Domkapitels. Dagegen wurde ein heftiger Feind der Reformation, Herzog Heinrich von Braunschweig, [* 46] von Sachsen und Hessen aus seinem Land verjagt (1542). Fast in allen Reichsstädten hatte die reformatorische Partei ein entschiedenes Übergewicht. Von weltlichen Fürsten war eigentlich nur noch der Herzog von Bayern, [* 47] der sich jedoch der evangelischen Sympathien seines eignen Volkes und der Stände nur mit Mühe erwehren konnte, eine Stütze des Papsttums.
In den nächstfolgenden Zeiten wurden die evangelischen Stände weniger beunruhigt. Der Kaiser war durch seine auswärtigen Unternehmungen sehr in Anspruch genommen und bedurfte der Reichshilfe gegen die Türken, die Ungarn [* 48] bedrohten, und suchte auf den Religionsgesprächen (s. d.) zu Hagenau [* 49] (1540), Worms (1540) und Regensburg [* 50] (1541) eine Verständigung zwischen Protestanten und Katholiken herbeizuführen. Das Regensburger Kolloquium brachte einen angeblichen Religionsvergleich (Regensburger Interim, s. d.) zu stande, den der Kaiser den Protestanten aufzwang.
Das konnte Karl V. nur wagen, weil innere Zwistigkeiten im Lager [* 51] der protestantischen Stände dem Schmalkaldischen Bund seine Kraft raubten. Die Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen (1539) rief eine tiefe, in heftiger Korrespondenz sich äußernde Mißstimmung zwischen ihm und dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen (1532-47) sowie Ulrich von Württemberg hervor, welche den Schritt ihres Bundesgenossen in scharfen Ausdrücken tadelten; der Landgraf, um sich vor der kaiserlichen hochnotpeinlichen Halsgerichtsordnung zu schützen, sah sich genötigt, Karl V. in einer die Interessen der Protestanten gefährdenden Weise gefällig zu sein. Die Beendigung des Kriegs mit Frankreich (1544) gab dem Kaiser endlich freie Hand gegen die schmalkaldischen Verbündeten. Er nahm die Klage des kölnischen Domkapitels gegen den Erzbischof an und ließ eine Untersuchung gegen letztern einleiten.
Luther erlebte den Ausbruch des Kriegs nicht, er starb in Eisleben. [* 52] Bald darauf ward wider den Kurfürsten von Sachsen und den Landgrafen von Hessen die Reichsacht ausgesprochen, und der Papst Paul III. predigte (4. Juli) einen Kreuzzug zur Ausrottung der Ketzerei. Nachdem im Spätjahr der Süden und im Frühjahr 1547 der Norden [* 53] mit Hilfe des Herzogs Moritz von Sachsen unterworfen worden, zeigte der Kaiser plötzlich Mäßigung, indem er nur die Anerkennung des Ende 1545 eröffneten Konzils zu Trient [* 54] von den Besiegten forderte. Ein Reichsgesetz, welches zu Augsburg publiziert ward, ordnete an, wie es mit der Religion bis zum Austrag des Konzils gehalten werden solle. Dieses Interim (s. d.) ward vielen oberdeutschen Städten mit Gewalt aufgezwungen, indes der vom Kaiser mit dem sächsischen Kurhut begnadete Moritz vornehmlich unter Melanchthons Mitwirkung das Leipziger Interim (s. d.) ausarbeiten ließ.
Während aber die Gewissen durch das aufgedrungene Interim auf das äußerste beunruhigt wurden, beschloß Moritz, durch eine kühne That seine verlorne Ehre wiederzugewinnen und damit dem Reich und der Kirche die Freiheit zurückzugeben. Die ihm übergebene Achtvollstreckung an Magdeburg gab ihm einen Vorwand zur Aufstellung eines Heers, und so brach er 1552, nachdem er ein schamloses Bündnis mit Frankreich geschlossen, aus Thüringen auf und stand schon 22. Mai vor Innsbruck. [* 55]
Der Kaiser floh durch die Engpässe der Alpen, [* 56] und es kam nun 29. Juli der Passauer Vertrag zu stande, kraft dessen das Kammergericht zu gleichen Teilen mit Bekennern der beiden Kirchen besetzt und zur Abstellung der Klagen über verletzte Reichsgesetze sowie zur Einigung in den kirchlichen Angelegenheiten ein Reichstag in nahe Aussicht gestellt ward. Auf diesem Reichstag, der nach mancherlei Verhinderungen 1555 zu Augsburg eröffnet ward, wurde das Recht der Reformation den Reichsständen trotz des vom römischen Stuhl dagegen ¶