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Verfassung beseitigte das indirekte
Wahlsystem samt den letzten Wahlbeschränkungen, setzte die Mitgliederzahl der
Regierung
von 17 auf 9 herab, gab dem
Volk das
Recht, den
Großen
Rat abzuberufen, führte
Geschwornengerichte ein und sah den
Loskauf der
Zehnten und Bodenzinsen vor. In die neue
Regierung gelangten die
Führer der
Radikalen, der Freischarenführer
Ochsenbein und
Stämpfli, W.
Snells Schwiegersohn. Am wurde Bern
[* 3] zur Bundeshauptstadt erhoben.
Mittlerweile hatte sich den Radikalen gegenüber eine große konservative Partei gebildet, welche bei den Wahlen im Mai 1850 die Oberhand gewann und die Regierung mit ihren Häuptern, Blösch, Straub u. a., besetzte. Die reaktionären Schritte der Konservativen (Entfernung freisinniger Lehrer, Erlaß eines strengen Preßgesetzes) bewirkten, daß schon 1854 Radikale und Konservative sich bei den Großratswahlen die Wage [* 4] hielten, worauf durch ein Kompromiß die Führer beider Parteien in die Regierung gewählt wurden.
Bei den spätern Neuwahlen wurde die konservative Partei immer schwächer und zuletzt ganz aus der Regierung gedrängt, worauf auch ihre Schöpfungen, das Preßgesetz etc., fielen. Durch eine vom Volk angenommene Partialrevision wurde das obligatorische Referendum über Gesetze, größere Ausgaben und das vierjährige Budget eingeführt. Der Kanton [* 5] Bern wurde von den kirchlichen Kämpfen, welche 1872 in der Schweiz [* 6] ausbrachen, besonders berührt. Als die Regierung nach der Amtsentsetzung des Bischofs Lachat den katholischen Geistlichen des Kantons jeden Verkehr mit demselben untersagte, kündigten 97 Geistliche aus dem Jura, dem katholischen Landesteil Berns, in einer Zuschrift an die Regierung dieser den Gehorsam auf, worauf sie, soweit sie Pfarrstellen bekleideten, gerichtlich derselben entsetzt wurden (September 1873). Zugleich regelte ein Kirchengesetz, welches vom Volk mit ca. 70,000 gegen 17,000 Stimmen angenommen wurde, die Beziehungen zwischen Staat und Kirche, so daß Zivilstand, Ehe und Begräbnis bürgerlich geordnet, den Gemeinden die Pfarrwahlen übertragen und als höchste kirchliche Behörde für beide Konfessionen [* 7] die Kantonsynoden eingesetzt wurden und jede bischöfliche Jurisdiktion von der Bewilligung der Regierung abhing. Da nur die Altkatholiken sich den Bestimmungen dieses Gesetzes unterwarfen, während die Römisch-Katholischen erklärten, dasselbe niemals annehmen zu können, so gingen alle landeskirchlichen Privilegien, Staatsbesoldungen, Kirchen, Pfarrhäuser und das Kirchenvermögen an die altkatholische Kirche über, während sich die Römischen in die Stellung eines Privatvereins gedrängt sahen.
An der Universität Bern wurde im November d. J. eine altkatholisch-theologische Fakultät errichtet. Die Unruhen im Jura wurden durch Militär unterdrückt und die abgesetzten Geistlichen ihrer Agitation wegen aus den jurassischen Amtsbezirken ausgewiesen. Da jedoch der Bundesrat auf den Rekurs der Betroffenen hin diese Ausweisung für ungesetzlich erklärte und die Bundesversammlung ihm beistimmte, mußte die bernische Regierung das Ausweisungsdekret zurücknehmen; sicherte sich aber vorher durch das Kultuspolizeigesetz vom 14. Sept. gegen neue Ausschreitungen. Da indes die Subventionierung der Jura- und Bern-Luzerner Bahn, der Rückkauf der letztern, als sie zum Konkurs kam (Januar 1877), sowie andre bedeutende Ausgaben den Staat mit Schulden überhäuften und die Staatsrechnung Jahr für Jahr bedeutende Defizits aufwies, so entstand Unzufriedenheit im Volke gegen die herrschenden Persönlichkeiten, und dasselbe versagte dem vierjährigen Budget seine Genehmigung.
Bei den Neuwahlen zum Großen Rat Ende Mai 1878 behielt zwar die radikale Partei die Oberhand, die Regierung aber wurde fast völlig neu bestellt. Zugleich traten auch die kirchlichen Angelegenheiten in eine neue Phase, indem die Römisch-Katholischen sich dem Kultusgesetz unterwarfen, wogegen der Große Rat die abgesetzten Geistlichen für wieder wählbar erklärte. Im März 1879 beteiligten sich die Ultramontanen bei den Erneuerungswahlen der Geistlichen und siegten in vielen Gemeinden, doch sicherte die Regierung den altkatholischen Minderheiten die Mitbenutzung der Kirchen.
Zur Ordnung der Finanzen erließ der Große Rat ein Stempelsteuergesetz und ein Gesetz, betreffend die Vereinfachung des Staatshaushalts, welche das Volk genehmigte, obschon ihm durch das letztere das bisherige Recht der Budgetbewilligung entzogen wurde. Dadurch sowie durch eine vorteilhafte Konversion der Staatsschuld ist es der neuen Regierung gelungen, die Ära der Defizits zu schließen. Die Staatsrechnung von 1882 zeigt bei 21,730,000 Frank Einnahmen 21,748,000 Fr. Ausgaben.
Die seit einiger Zeit in der ganzen Schweiz bemerkliche rückläufige Strömung ermutigte die bernischen Konservativen 1883 zu einem erneuten Sturm auf das liberal-radikale Regiment. Sie konstituierten sich als sogen. Volkspartei, bemächtigten sich der schon seit Jahren schwebenden Frage einer Revision der Verfassung von 1846 und sammelten die zum Verlangen einer Volksabstimmung nötigen Unterschriften. Da nun auch die radikalen Wortführer und Organe sich für die Revision Aussprachen, wurde dieselbe in der Volksabstimmung vom 3. Juni mit großer Mehrheit beschlossen und einem besondern Verfassungsrat übertragen.
Die Wahlen zu diesem fielen jedoch zu Ungunsten der Volkspartei aus, indem zwei Drittel der Gewählten den Radikalen angehörten. Der Verfassungsrat begann sein Werk und beendete es Das neue Grundgesetz sollte namentlich Reformen im Gemeinde- und Armenwesen bringen und bestimmte die Erträgnisse der Bürgergüter, die bis dahin ausschließlich den Korporationen der Bürgergemeinden zu gute kamen, für die Bedürfnisse der Gesamtgemeinden, wurde aber mit 55,612 gegen 31,547 Stimmen vom Volk abgelehnt.
Vgl. v. Tillier, Geschichte des eidgenössischen Freistaats Bern (Bern 1838-40, 6 Bde.);
Stettler, Staats- und Rechtsgeschichte des Kantons Bern (das. 1845);
Wurstemberger, Geschichte der alten Landschaft Bern (das. 1862, 2 Bde.);
Wattenwyl, Geschichte der Stadt und Landschaft Bern (Schaffh. 1867-72, Bd. 1a. 2);
Hodler, Geschichte des Berner Volks seit 1798 (das. 1865-70);
»Urkunden für die Geschichte der Stadt Bern«, herausgegeben von Zeerleder (das. 1853-54, 3 Bde.);
»Fontes rerum Bernensium« (das. 1880 ff.).