quer über fast die ganze Breite
[* 10] der Schweiz ausgedehnt, erstreckt sich über alle vier Terrainzonen: Hochalpen, Voralpen,
Ebene und Jura, vergleichbar einem Sitz mit ungleich hohen Seitenlehnen. Steigt die alpine Lehne, das Berner Oberland, bis zum
Grate des Hochgebirges hinauf (s. Berner Alpen), so erhebt sich die jurassische zu geringerer Höhe, aber
zu einem nicht weniger ausgedehnten Bergland (Leberberg oder BernerJura), jenseit dessen selbst noch ein Fetzen, das Pays d'Ajoie
(Elsgau, um Pruntrut), zu den Ebenen des Oberelsaß niedersteigt, durch den Bergrücken des Repais von dem übrigen Kantonsgebiet
abgetrennt.
Rechts und links vom Aarethal treten voralpine Bergländer zur Ebene hinaus: Ober-Emmenthal und Schwarzenburg,
so daß das Flachland sich auf Oberaargau (um Langenthal), das Mittelland (um Bern)
und Seeland (um Biel) beschränkt. Aus dem Mittelland,
bei Bern,
ragen die Hügelmassen des Gurten (861 m) und des Bantiger Hubels (950 m) empor. Der Leberberg, abgesehen von dem transjurassischen
Elsgau, besteht aus dem Val St.-Imier, dem Birsthal und den Franches Montagnes (Freibergen).
Dazu kommen über 1300 Juden. Die Bauernschaft des Mittellandes ist der Kern des Landes, sehr wohlhabend,
aber auch stolz. Fleiß und Sparsamkeit, teilweise verbunden mit der Gunst großer Güterkomplexe (durch das Minorat), haben
sie zu solcher Blüte
[* 13] erhoben. Der deutsche Berner hat eine zähe, kühle Natur, ist kräftig, derb, schwerfällig, behaglich
und phlegmatisch, von mäßiger Intelligenz. Der Jurassier und auch der weinbauende Seeländer sind weit
beweglicher und leidenschaftlicher und nähern sich dem französischen Charakter. Die Bevölkerung des Oberlandes, von Natur
ein gutmütiger, intelligenter, hübscher und kräftiger Schlag, zeigt heutzutage mehrfache schlimme Einwirkungen des ungemein
starken Fremdenbesuchs: der Reisende klagt über Zudringlichkeit und Bettelei, über teure Preise und Übervorteilung, und
man bedauert, daß Arbeitsscheu und Genußsucht überhandnehmen.
Der bernische Feldbau hat seinen Hauptsitz in der Hochebene, erzeugt aber nicht genug Getreide.
[* 14] In neuerer Zeit wird die Hebung
[* 15] des Obstbaues, behufs Bekämpfung der Branntweinpest, kräftig angestrebt. Wein, fast nur im Seeland gebaut, ist einzuführen
(meist aus der Waadt).
Die Wälder sind kaum mehr ausreichend; selbst im Jura, der zwar immer noch Holz
[* 16] zur Ausfuhr
bringt, sind die Waldungen sehr gelichtet, noch mehr im Oberland. Viel Rindvieh, von schönstem Schlag (Fleckvieh) im Simmenthal
(Erlenbacher Schlag), im Saanenland, im Frutigen- und Emmenthal.
Die Alpen
[* 17] des Simmen- und des Emmenthals sind sorgfältig bewirtschaftet. Die fetten EmmenthalerKäse werden in Langnau
aufgestapelt und selbst die ähnlichen Käse der Nachbargebiete angekauft, um von diesem Platz aus in die weite Welt zu wandern.
Das Haslithal hat seine eigne Rasse Braunvieh, welches dem Unterwaldner am nächsten kommt. Im Flachland gibt es viel Viehmast.
Pferdezucht
[* 18] wird
am stärksten in den Freibergen und im Simmenthal (Erlenbach) betrieben; daneben züchtet
man sehr viele Schweine,
[* 19] Ziegen und Schafe
[* 20] (s. Frutigen).
Zufolge der noch in Kraft
[* 28] bestehenden Verfassung vom bildet der Kanton Bern einen demokratischen
Freistaat und ein Bundesglied der SchweizerEidgenossenschaft. Die Souveränität ruht in der Gesamtheit des Volkes. Es übt
sie teils unmittelbar (seit 1869 auch durch das Referendum), teils mittelbar durch die verfassungsmäßigen Behörden. Die
Verfassung garantiert die in den schweizerischen Republiken üblichen Grundrechte, enthält Periodizität der Beamtungen (seit
1870, resp. 1874 auch der geistlichen und Lehrerstellen), erklärt den Primärunterricht für
obligatorisch, verpflichtet den Staat, für den Unterricht zu sorgen, und macht die Niederlassung und Lehrthätigkeit kantonsfremder
religiöser Korporationen von der Bewilligung der gesetzgebenden Behörde abhängig.
Dem neuen Kantonsteil sind eine besondere Armengesetzgebung sowie die französischen Zivil-, Handels- undStrafgesetzbücher
garantiert. Deutsch und Französisch sind als Landessprachen anerkannt. 8000 Bürger können die Revision der Verfassung verlangen.
Die höchste Staatsbehörde ist der GroßeRat. Ihm stehen die Legislative, die Oberaufsicht über die gesamte Staatsverwaltung
sowie die Wahl gewisser Beamten und Behörden zu. Er wird durch die Wahlversammlung der Wahlkreise, je
ein Mitglied auf 2000
¶
Zufolge der Staatsrechnung für 1883 betrugen die Einnahmen 20,925,908 Frank (darunter: direkte Steuern 3,685,078, Salz
[* 30] 1,805,463,
Wirtschaftspatente etc. 1,123,160, Ohmgeld1,084,528Fr.); die Ausgaben 20,900,005 Fr. (darunter Erziehung 1,998,403, Bauwesen
1,701,549, Justiz und Polizei 1,749,012 Fr.). Das Stammvermögen belief sich Ende 1883 auf 156,930,431 Fr.
Aktiva und 107,290,315 Fr. Passiva, mithin wirkliches Vermögen 49,640,116 Fr., ungerechnet 4,161,408 Fr. an Spezialfonds. Das
Kantonswappen: ein roter Schild,
[* 31] worin im goldenen Rechtsschrägbalken ein schwarzer Bär schreitet (s. Abbildung). Eingeteilt
wird der Kanton in 30 Amtsbezirke.
in 540 m Meereshöhe gelegen, ist zwar immer noch Sitz und Zentrum reicher Patriziergeschlechter, aber
eine Handelsstadt im gewöhnlichen Sinne nicht mehr. Dennoch laufen mehrere Eisenbahnen (die LinienOlten-Bern-Thun, Bern-Luzern,
Jura-Bern und Bern-Lausanne) hier zusammen, eine Folge ihrer Lage und ihrer Eigenschaft als Bundeshauptstadt. Sie wird auf drei
Seiten von der tief gebetteten Aare umrauscht und ist eine der schönsten Schweizerstädte wegen der massiven,
stolzen Wohnhäuser,
[* 32] der breiten, geraden Straßen und Wege, der Arkaden oder Bogengänge (»Lauben«),
welche an den Häusern zu
beiden Seiten der Straße sich hinziehen. Von der Plattform aus, 30 m über der Aare, genießt man eine herrliche Aussicht auf
die Alpen. Unter den Sehenswürdigkeiten steht der Bundespalast, ein neuer Prachtbau auf weit schauender
Terrasse, mit zwei Flügeln und vor dem Eingang des Mittelbaues durch das eherne Standbild der Berna (von R. Christen) geschmückt,
obenan. Diesem Gebäude (1852-57 nach den Plänen von Kubli und Stadler gebaut) reihen sich das ehrwürdige (reformierte)
Münster
[* 33] im spätgotischen Stil mit unvollendetem Turm und
[* 34] schönem Portal, das Bürgerspital, das Kunst- und das naturhistorische
Museum, das Gymnasium, das Frauenspital, die Blindenanstalt und das Verwaltungsgebäude der Jura-Bern-LuzernerBahn, verschiedene
vornehme Hotels, die 1841-44 erbaute Nydeck-, die 1883 erbaute prächtige Kirchenfeldbrücke (s. Tafel
»Brücken«)
[* 35] und die Eisenbahnbrücke an. Außerhalb der Stadt sind sehr bemerkenswert die Militäranstalten
auf dem Beundenfeld und das neue Inselspital bei der Linde. Eine prachtvolle Fontäne sprudelt beim Bahnhof. Auf dem Platz vor
dem Münster steht das Denkmal Rudolfs vonErlach, des Siegers in der Schlacht bei Laupen. Ein andres Denkmal ist das Bertholds
V. von Zähringen (auf der Münsterterrasse), des Gründers von und aus
der großen Schanze dasjenige des
BundespräsidentenStämpfli. Die Stadt zählt (1880) 44,087 Einw. (darunter 3456 Katholiken
und 387 Juden). - Die Industrie erstreckt sich auf die Fabrikation von Stroh- und Seidenhüten, Seiden- und Baumwollwaren, Bijouterien,
ferner Buchdruckerei.
so ragte die BernerAristokratie mehr auf dem Felde der Krieger und Regenten hervor. Doch
besitzt Bern seit 1834 eine Universität, die 1884: 81 Dozenten und 409 Studierende (darunter 36 weibliche, wovon 28 Russinnen)
zählte. Zur Universität gehört die Tierarzneischule mit 8 Lehrern und 44 Hörern. Die Kantonschule wurde
durch städtische Mittelschulen ersetzt. Von Bibliotheken sind zu erwähnen: die eidgenössische Zentralbibliothek mit 20,000
Bänden, die Stadtbibliothek (75,000 Bände), die Bibliothek der Lesegesellschaft (45,000 Bände) und die Studentenbibliothek
(10,000 Bände). Bern ist Sitz der Bundesbehörden (seit 1848), eines altkatholischen Bischofs und der bei der Schweiz akkreditierten
Gesandten.
Die Zeit der römischen Herrschaft in Helvetien hat im Gebiet des heutigen Kantons Bern nur geringe Spuren hinterlassen. In der
Völkerwanderung begegneten sich hier Alemannen und Burgunder, mit deren Unterwerfung das Land unter fränkische Herrschaft
kam. Seit 888 ein Bestandteil des neuburgundischen Reichs, fiel es mit diesem 1032 an Deutschland.
[* 38] Die Zähringer,
welche 1156 von Barbarossa das »Rektorat« über das diesseit des Jura gelegene Burgund erhalten hatten, suchten den widerspenstigen
Adel durch Anlegung fester Waffenplätze
[* 39] im Zaum zu halten; so gründete im Mai 1191 Berchtold V. die Stadt Bern, welche er wohl
zum Andenken an die ehemals von seinem Haus besessene Markgrafschaft Verona
[* 40] (Welschbern) so benannte. Da
die Stadt auf Reichsgrund lag, wurde sie mit dem Tod ihres Gründers, in welchem das Geschlecht erlosch, 1218 thatsächlich
reichsfrei, obschon die »goldene Handfeste« des KaisersFriedrich II. vom 17. Mai d. J. als eine Fälschung aus
späterer Zeit erwiesen worden ist.
Um den Nachstellungen der mächtigen Grafen von Kyburg zu entgehen, welche die schweizerischen Allodien der Zähringer geerbt
hatten, begab sie sich 1255 in ein Schirmverhältnis zu Savoyen, wodurch sie in den Streit dieses Hauses gegen Rudolf vonHabsburg
verwickelt wurde und wiederholte Belagerungen von seiten des letztern zu erdulden hatte (1288-89). Ein
Sieg, den Bern 1298 über das österreichische Freiburg
und den mit ihm verbündeten Adel am Dornbühl erfocht, begründete seine Macht.
Es benutzte dieselbe, um die benachbarten Dynasten zu zwingen, Bürger in der Stadt zu werden, was sie zur Kriegsfolge verpflichtete
und ihr Gebiet indirekt unter die Herrschaft von Bern brachte. Andre Besitzungen wurden durch Kauf erworben,
wie Thun (1323), Laupen (1324), die Reichsvogtei über Hasli (1334). 1339 vereinte sich fast der gesamte Adel des schweizerischen
Burgund mit Freiburg
gegen Bern, wurde aber von diesem mit Hilfe der
Kanton.Umfang und Lage. Der Kanton Bern,
mit 6885 km2 und 590000 Einwohner (85 auf 1 km2) das volksreichste und
zweitgrösste Glied des schweizerischen Bundesstaates, erstreckt sich von 46° 20' N. bis 47° 30' N. und von 6°
45' bis zu 8° 20' ö. L. von Greenwich. Die mitteleuropäische Zeit geht der mittleren Sonnenzeit um 26 ⅔ bis 32 Minuten
voran.
Als durchschnittlich 50 km breiter Streifen erstreckt sich der Kanton vom Kamme der Berneralpen in nordwestlicher Richtung 140 km
weit über das von der Aare durchflossene Vorland und über die Ketten des Jura bis an den Doubs und die
burgundische Pforte. Indessen ist die Breite ungleich, indem das Gebiet an der alpinen Basis 100 km misst, am Fusse des Jura
dagegen auf 20 km einschrumpft, um endlich, nach wieder gewonnener Durchschnittsbreite, im äussersten Norden in die Spitze
von Pruntrut
auszulaufen.
Es stösst demnach der Kanton Bern
an zwei ausländische Mächte, neun Kantone und zwei Halbkantone (Ob- und Nidwalden).
Kein anderer Kanton berührt
so mannigfach das übrige schweizerische Gebiet. Zwischen dem Bodensee und den Juraausgängen bei Genf
nimmt
der Kanton eine zentrale Lage ein, die noch dadurch gekräftigt wird, dass er sich in so grosser südnördlicher Erstreckung
über alle drei natürlichen Hauptteile der Schweiz: Alpen, Mittelland und Jura, ausdehnt. An der Grenze des deutschen und romanischen
Volkstums gelegen, erscheint er in Geschichte und Gegenwart berufen, die westlichen Interessen der Eidgenossenschaft
zu vertreten und für die berührten Gegensätze auf dem Gebiete des innerschweizerischen politischen und geistigen Lebens
die Rolle des Vermittlers zu spielen.
Kanton Bern: Kanderfall.
Bodenbeschaffenheit.
Nicht ganz die Hälfte des Kantons liegt innerhalb der Alpen, etwas mehr als ⅓ gehört zum schweizerischen Mittelland (sog.
Hochebene) und zum Gebirge des Jura. Alpen und Mittelland bilden zusammen eine einheitliche Abdachung, die
vom Kamme der Berneralpen bis zur Senke am Fusse des Jura reicht. Der Jura hat seine besondere, wiederum nördliche Abdachung.
Der Anteil des Kantons Bern
an der Alpenkette trägt den weltberühmten Namen des BernerOberlandes. Dieses umfasst
von der mächtigen Kette der BernerAlpen beinahe die ganze Nordabdachung mit allen vorgelagerten Gruppen und Ketten. Die Kantonsgrenze,
welche fast durchwegs den wasserscheidenden Kämmen folgt, umgibt es nicht allein auf der West-, Süd- und Ostseite, sondern
noch im NW. und NO., sodass das Oberland als eine vom übrigen Kanton etwas losgelöste, selbständige
Landschaft erscheint. Durch die alleinige Oeffnung im Aarequerthal bei Thun wird sie indess zur natürlichen Dependenz des
bernischen Mittellandes.
Das Berner Oberland ist das Fluss- und Thalgebiet der alpinen Aare und ihrer alpinen Zuflüsse. Das Ländchen Saanen in der
äussersten Südwestecke besitzt insofern
eine besondere Stellung, als aus ihm allein die Thallinie nicht
zur Depression des Thunersees, sondern westwärts nach den Kantonen Waadt
und Freiburg
geöffnet ist.
Mit Recht unterscheidet man eine hochalpine Zone im S. und eine voralpine im N. Trotzdem die voralpinen Gebirgsketten sich
wie fiederartige Verzweigungen vom Hauptstamm des Hochalpenzuges selbst loslösen, tritt doch eine Scheidungslinie
der beiden Zonen in den Sätteln am Fusse der Hochalpen deutlich hervor. Südlich einer Linie Jochpass-Meiringen-GrosseScheideck-KleineScheideck-Sefinenfurgge-Hohtürli-Kandersteg-Adelboden-Lenk-Gsteig-Col de Pillon sind alle Hauptgipfel höher als 3000 m. Dies
ist der Hochalpenzug. Nördlich von derselben Linie übersteigt kein Gipfel 3000 m.: dies sind die Voralpen.
Hier erreicht das Gebirge seine wildeste Ausgestaltung. Der eigentliche Kamm wird von riesenhaften, nach NO. vorspringenden
Vorwerken verdeckt, und von Bern
gesehen erscheint das schlanke Finsteraarhorn, mit 4275 m der höchste Punkt
des Oberlandes, niedriger, als die vorgeschobene Pyramide des Schreckhorns (4080 m). Weiter östlich glätten sich diese erhabenen
Wellen um ein kleines. Jenseits des tiefen Grimselsattels erhebt sich das Massiv des Triftgebietes, dessen Hauptgipfel, der
Dammastock, nur mehr 3630 m aufweist.
Bern
* 44 Seite 41.209.
Charakteristisch für die ganze Bernerseite dieses Gebirgszuges ist der nach ihr gerichtete ungeheure
Steilabsturz desselben. So ist beispielsweise der Eigergipfel (3975 m) in der Luftlinie nur 2 km von der bei 1600 m gelegenen
Alp Mettlen entfernt, was einer mittleren Steilheit von 53° entspricht. Aehnlich nah überragt das Wetterhorn die grosse Scheideck,
die Jungfrau das Trümletenthal, der Wildstrubel den Kessel hinter Adelboden etc. Das Geheimnis dieses Aufbaues,
der an Grossartigkeit auf der Erde unübertroffen ist, liegt in der Härte des Hochgebirgskalkes und insbesondere in der eigentümlichen
Art, wie dieser von der Jungfrau bis zum Wetterhorn in das
¶
mehr
Urgestein eingefaltet ist. Diese innige Vereinigung von Urgestein und Kalk schuf hier, indem sie der Verwitterung den grössten
Widerstand leistete, die Sturzwände und die schöne Bastionenform der Gipfel.
Mit der Höhe und Ausdehnung der einzelnen Stöcke nimmt die Vergletscherung von W. nach O. zu. Rings um das Schreckhorn breitet
sich die grösste vergletscherte Fläche aus. Verhältnismässig noch firnreicher ist das Triftgebiet
mit seinen vielen reinweissen Gipfeln. Das vergletscherte Areal im Kt. Bern
wird auf 288 km2 geschätzt. Die Schneegrenze liegt
nach den Ergebnissen Kurowskys und Zellers im Finsteraarhorngebiet bei 2950 m, im Triftgebiet bei 2750 m. Gegen W. hin dürfte
sie noch etwas tiefer liegen.
Die schon genannte allgemeine Steilheit dieses Nordabfalles der Berneralpen bringt es mit sich, dass hier die Kategorie der
Hängegletscher mit periodischen Eislawinen sehr häufig ist. Diese Eisstürze entsenden ihren Donner
an den Sommernachmittagen zu den frequentiertesten Turistenwegen. Katastrophenartig, wie 1895 und früher schon an der Altels,
werden sie glücklicherweise selten. Von den Lawinen wird das Haslithal am gefährlichsten heimgesucht.
Kanton Bern: Kirche und Ahorn von Adelboden.
Die Voralpen dominieren im westlichen Teil des Oberlandes. Hier löst sich die vielverzweigte Niesenkette vom
Stock des Wildstrubels los und dringt weit nach N. vor (Albristhorn 2767 m, Niesen als Eckpfeiler 2366 m). Diese Bergmasse ist
im W. und N. umwallt von der Stockhornkette (Stockhorn 2193 m, Kaisereck 2186 m). Vom Hochalpenzug der Blümlisalp aus breitet
sich die an hohen Gipfeln immer noch reiche Schilthorngruppe nach N. hin aus und vor dem Finsteraarhornmassiv
bilden die kleineren Gruppen des Männlichen und des Faulhorns imposante Aussenwerke (Schilthorn 2973 m, Dündenhorn 2865 m,
Schwalmeren 2785 m, Tschuggen 2523 m, Schwarzhorn 2930 m, Faulhorn 2683 m). Die Richtung der Stockhornkette ist jenseits des
Thunersees von den gratreichen Gebirgen, die weiterhin im Kanton Luzern
die Pilatuskette bilden,
wieder aufgenommen,
sodass auf der ganzen Nordseite das Oberland auffallend gegen die tieferen Regionen abgeschlossen ist. Hier sind der Brienzergrat
mit dem Brienzerrothorn (2351 m) und der Hohgant (2199 m) die höchsten Gipfel. In der Nordostecke zieht die Aagruppe mit dem
Hohstollen (2484 m) zum Titlis hin.
Im einzelnen sind die voralpinen Bergformen nicht weniger wild als die hochalpinen. Die Gipfel zeigen vorzugsweise die Form
verwitterter Thürme und schroffer Zacken. Die Bergrücken sind überaus häufig in schneidend scharfe Gräte zerlegt. Obgleich
frei von Gletschern, erscheinen doch fast alle hohen Voralpenberge auch im Hochsommer nicht gänzlich
schneefrei. Das Schilthorn trägt seinen Namen von dem grossen Schneeschild, das alljährlich im Sommer, von aperen Felsen
eingerahmt, auf seiner Nordostflanke bestehen bleibt.
Die weiten Firne sind hier gegen nicht minder kulturfeindliche Trümmerhalden am Fusse der Sturzwände vertauscht. Die Regionen
des Malms (Faulhornkette) und des Kreidekalks (Sigriswilgrat bis Schrattenfluh) sind reich an den Karren
oder Schratten genannten Verwitterungsfeldern.
Kanton Bern; Oberhofen am Thunersee.
Folgen wir dem Hauptthal der Aare selbst, so sehen wir es bei Thun als breite vom Thunersee erfüllte Pforte zwischen die voralpinen
Kalkketten des Stockhorns und des Sigriswiler- und Guggisgrates eintreten. Die Niesenkette bricht mit dem imposanten Steilabsturz
des Niesen in einiger Entfernung vom See ab, während die Gruppe des Schilthorns im Morgenberghorn und Leissigengrat
hart an ihn herantritt, sodass das Thal von Leissigen an in die Längsrichtung gedrängt ist.
Diese Längsrichtung ist am ausgesprochendsten vom Bödeli über den Brienzersee bis nach Meiringen: der Brienzergrat im N. und
die Faulhornkette im S. schliessen das Längsthal ein. Auf dieser Strecke sind einige Wege zu nennen,
welche die nördliche Umwallung übersteigen: durch das kleine Justisthal führt ein Pfad über die Sichel (1719 m) nach der
abgeschlossenen Landschaft Eriz. Aus dem bei Unterseen sich öffnenden Habkernthal gelangt man über das Grünenbergli (1590
m) nach Eriz oder ins oberste Emmenthal und über die Habchegg (ca. 1500 m) nach den Thälern der grossen und kleinen Emme.
Weit wichtiger ist aber die tiefe Einsattelung östlich vom Brienzerrothorn, der Brünig (1010 m), welcher eine uralte Verbindung,
jetzt einen Schienenweg, nach dem Vierwaldstättersee bildet. Von Meiringen geht das Aarethal als Haslethal
in die Querrichtung und
¶
Kanton.Hydrographie. Das Mittelniveau des Bielersees betrug vor der Juragewässerkorrektion 434,3 und nach
derselben 432,1 m ü. M. (nicht 436 und 434 m). Vergl. den Art. Bielersee.
Betriebszählung.
Der Kanton Bern
tritt als vorwiegend Landwirtschaft treibendes Gebiet in den Zahlen der Betriebszählung deutlich hervor.
Nach der Gesamtzahl der in Betrieben Tätigen steht der Kanton Bern
mit 302727 Personen an der Spitze aller Kantone. Er besitzt 16,2%
aller in der Schweiz gezählten Betriebe und 16,4% aller darin tätigen Personen. Im Vergleich zur gesamten Kantonsbevölkerung
zählt der Kanton aber verhältnismässig weniger in Betrieben beschäftigte, als viele kleinere Kantone.
Von je 100 Ew. arbeiten in
Als eigentliche Fabrik- und Exportindustrie ragen hervor in der Textilindustrie: 5 Seidenspinnereien und -Zwirnereien (448
Personen), 8 Seidenstoffwebereien (277), 3 Seidenbandwebereien (388), 1 Baumwollspinnerei (384), 9 Baumwollwebereien
(959), 38 Wollspinnereien und -Webereien (769), die Leinwand- und Hanfweberei. Dazu kommen: 6 Papier- und Holzstoffabriken
mit 500 Pers., Eisengiessereien und Mechanische Werkstätte 2749 Pers., die Uhrenfabriken mit 15326 Pers. und 4842 Steinarbeitern
in dieser Branche. Das Druckereigewerbe ist stark besetzt (Stadt Bern).
Das Gastwirtschafts- und Hôtelwesen tritt ausserordentlich stark hervor. Von den 3289 Betrieben entfallen 897 auf Hotels
und Pensionen mit 9537 Personen, 2011 Betriebe auf eigentliche Wirtschaften mit Wein- und Bierausschank und 5581 Personen.
Im gesamten Handel entspricht die Reihenfolge der Gruppen der Reihenfolge der selben Gruppen für die ganze
Schweiz.
Verkehr.
Hier entfallen auf
Betriebe
männl. Personen
weibl.
Total
Eisenbahnen
226
5780
610
6390
Post
637
2108
784
2892
Fuhrhalterei, Spedit.
676
1337
101
1438
Telegraph, Telephon
366
730
567
1297
Übrige 10 Arten
268
1065
37
1102
Die Heimarbeit umfasst beinahe alle Branchen, die Arbeit nach Hause vergeben können. Am mächtigsten
ist die Uhrenindustrie besetzt. Es gab im Jahr 1905:
Betriebe von Heimarb.
Personen männl.
weibl.
Total
Uhrenindustrie
3675
2468
2374
4842
Wirkerei u. Stickerei
673
13
681
694
Holzschnitzlerei
546
552
95
647
Seidenstoffweberei
550
44
545
589
Leinen- u. Hanfweber
491
353
137
490
Schneiderei
321
189
227
416
Weissnäherei
233
4
232
236
Übrige 15 Industrien
207
85
142
227
Total
6696
3708
4433
8141
%
-
45.6
54.4
100.0
Die
Holzschnitzlerei ist an Umfang nicht dermassen bedeutend, als man glauben könnte. Von allen Heimarbeiten im Kanton sind
in ihr beschäftigt 8%, in der Uhrenmacherei 60%. Nach der Zahl der Heimarbeiter steht der Kanton Bern
unter allen
Kantonen im 4. Rang.
(Kt. und Amtsbez. Bern).
Es ist unrichtig, dass über die Wasserstände und Abflussmengen der Aare bei Bern
keine genauen
Messungen vorliegen. An zwei Pegeln (Marzili- und Altenbergbrücke) wird seit längerer Zeit im Dienste
des eidg. hydrometrischen Amtes beobachtet.
Der höchste Wasserstand innerhalb des Termins genauerer Messungen fiel auf den und
ergab bei 2,81 m über dem Nullpunkt des Altenberg-Pegels eine Abflussmenge von 406 m3 per Sek. Gegenwärtig ist ein neues
städtisches Kraftwerk in Bau begriffen, indem die Aare östl. der Aeussern Enge gestaut und z. T. durch
einen gemauerten Stollen zum 1,25 m tiefer gelegenen Turbinenwerk Felsenau durch den dortigen engen Hals der Halbinsel geleitet
wird.
Maximale Wassermenge 50 m3, Kraftergebnis 6000 PS.
Nach seiner Bodengestaltung zerfällt der Kanton in die drei Gebiete des Juras im N. und NW., der Alpen im S. und der hügeligen
Hochebene zwischen beiden in der Mitte. Der Jura, ein wald- und weidereiches Kalksteingebirge, nach SO.
steil abfallend, besteht aus parallelen, nach NO. streichenden, mauerartigen Ketten von gleichmäßiger
Höhe, die durch einförmige Längenthäler, seltener durch Querthäler oder Klusen voneinander geschieden werden und sich
nach N. und NW. in breiten Plateaus allmählich abdachen.
Bern (Kanton und Stadt
* 49 Seite 52.825.
Seine wichtigsten Gipfel sind der aussichtsreiche Chasseral (1609 m), der Montoz (1332 m), der Moron (1340 m), der Mont-Raimeux
(1306 m), der Mont-Terrible und der Bauenberg (s. d.). Die
Hochebene trägt am Fuße des Juras das Gepräge eines wellenförmigen Hügellandes, welches nach S. gegen die Alpen in ein
Bergland übergeht; die Bergformen sind meist abgerundet, die herrschenden Gesteine
[* 48] Sandstein und Nagelfluh der Molasse.
Nur wenige Gipfel steigen zu mehr als 1000 m Höhe an (Gurten 861 m, Bantiger 950 m, Bütschelegg 1058 m,
Blasenfluh 1117 m). Die Alpen nehmen den Süden des Kautons ein; über den teils felsigen, teils bewachsenen Voralpen der Simmergruppe
erheben sich die vergletscherten Hochalpen der Berner Alpen auf der Wasserscheide zwischen Aare und Rhône, von den Diablerets
im W. bis zum Dammastock im O.,
¶
mehr
beherrscht von den Hochgipfeln der Jungfrau (4167 m), des Finsteraarhorns (4275 m) u. s. w. Das Alpengebiet bildet das
Berner Oberland, der Jura war früher unter der Herrschaft der Fürstbischöfe von Basel
und wurde oft als Bistum bezeichnet; in der
Hochebene liegen die Landschaften Mittelland (um Bern),
Emmenthal, Oberaargau (um Langenthal) und Seeland (um
Biel). Mit Ausnahme des äußersten Nordwestens, dessen Gewässer durch den Doubs mit der Alle der Rhône zufließen, gehört
der ganze Kanton zum Gebiete des Rheins; unmittelbar geht demselben die Birs aus dem Jura zu; alle andern Gewässer werden
ihm von der Aare zugeführt.
Bevölkerung. Der Kanton hat (1888) 539305 (268051 männl., 271254 weibl.)
E., 78 auf 1 qkm (im Juragebiet 71, in der Hochebene 138, im alpinen Oberland 33 auf 1 qkm), darunter 468120 Evangelische, 68246 Katholiken, 1245 Israeliten
und 1694 andere; 110142 Haushaltungen. Im Kanton sind geboren 498662, in der übrigen Eidgenossenschaft 29301, im Auslande
11342; Bürger ihrer Zählgemeinde sind 206410, einer andern Gemeinde des Kantons 277004, eines andern
Kantons 40325, Ausländer 15566. Der Muttersprache nach sind 451951 Deutsche,
[* 50] 85552 Franzosen und 1295 Italiener.
Landwirtschaft,
Bergbau. Von der Fläche sind 5368,7 qkm, d. i. 78 Proz., produktives Land: 1573,9 qkm Waldungen, namentlich
in den Juragegenden, 7,9 Weinberge und 3786,9 qkm Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven
Lande (1515,7 qkm) kommen 39,5 qkm auf Städte, Dörfer und Gebäude. Haupterwerbszweige sind in allen tiefern Gegenden Ackerbau,
Viehzucht,
[* 51] Obstbau und an den Ufern des Thuner und Bieler Sees und der untern BirsWeinbau. Angebaut werden Dinkel (1892: 15057,2
ha bebaute Fläche, 32046 t Erntemenge), Weizen (11749, 19780), Roggen (7454, 13417), Gerste
[* 52] (2612, 3860), Hafer
[* 53] (11066, 18112),
Hackfrüchte, Futterkräuter, Gemüse und Hülsenfrüchte, Raps, Hanf, Cichorie, Flachs, Tabak.
[* 54]
Der Obstbau (Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschen, Nüsse) wird durch jährliche Obstbaukurse, der Weinbau durch Weinbaukurse unterstützt.
Obstbäume wurden (1888) 2779034 Stück gezählt; sie gaben pro 1888-92: 12,098 Mill. Frs. Ertrag. Das
von Jahr zu Jahr infolge von Mißernten sich verringernde Land wies 1892 noch eine Fläche von 675 ha auf, welche von 1881 bis 1892 durchschnittlich 18939 hl
Wein im Wert von 757838 Frs. lieferte. Bedeutend ist die Milchwirtschaft und Käsebereitung, letztere gewinnt
immer mehr an Ausdehnung.
[* 55] 1883 verarbeiteten 639 Käsereien 1350487 hl Milch für 18126349 Frs. und lieferten 111224 Ctr.
Käse zu 16386191 Frs., außerdem wird viel Butter und Milchzucker hergestellt. Die geschätztesten Käsesorten liefern das Emmenthal
und das Saanenland; die schönsten Rinder
[* 56] züchtet das Simmenthal, die besten Schafe das Kanderthal.
Die Pferdezucht ist im Jura (Freibergen) von sehr großem Belang, und Staat und Bund widmen der Hebung der Rasse große Sorgfalt.
Nach der Zählung von 1886 besaß der Kanton 29183 Pferde,
[* 57] 258153 Rinder, 97295 Schweine, 74562 Schafe, 88703 Ziegen und 40944 Bienenstöcke.
- Der Bergbau giebt im Jura Bohnerz, aus dem ein vorzügliches Eisen gewonnen wird, Kalkstein und Gips, in der
Hochebene Sand- und Tuffsteine, in den AlpenSchiefer und Gips. Granit geben hauptsächlich die von den Alpen bis zum Jura zerstreuten
erratischen Blöcke. Der Jura und das Seeland sind reich an Torf. Von Mineralquellen sind zu erwähnen die Schwefelquellen
des Gurnigels am Fuße der Stockhornkette, des Heustrickbades am Fuße des Niesen und von Lenk und die Gipsthermen von Weißenburg
im Simmenthal. Berühmt sind die klimatischen und Höhenkurorte namentlich im Oberland.
Bern (Kanton und Stadt
* 58 Seite 52.826.
Industrie, Gewerbe, Handel. Der wichtigste Industriezweig ist die Uhrenindustrie des Juras und des Seelandes (Ende 1889 wurden
im Kanton 945 Betriebe von 1 und mehr Arbeitern mit zusammen 10514 beschäftigten Arbeitern nebst 1000 Pferdestärken
gezählt), die Leinweberei des Emmenthals, die des Mittellandes und des Oberaargaues; dann folgen die verschiedenen Baugewerbe
mit 1147 Betrieben, 7966 beschäftigten Arbeitern und 1229 Pferdestärken: ferner die Textilindustrie (Woll-, Baumwoll- und Seidenweberei,
-Spinnerei und -Zwirnerei) im ganzen mit 85 meist größern Betrieben (Fabriken) und 7813 Arbeitern nebst 2632 Pferdestärken.
Als besondere Industriezweige einzelner Gegenden sind zu nennen die Holzschnitzerei, Parkettfußboden- und Zündhölzchenfabrikation
des Oberlandes, die Töpferei des Juras (rotes, feuerfestes sog. Pruntruter Geschirr) und der Umgebung von Thun (Heimberger
Majolika) u. a. m. Eine wichtige Erwerbsquelle bietet besonders für
das Oberland auch der sehr lebhafte Fremdenverkehr, dessen Mittelpunkt Interlaken (s. d.)
ist. Dem Handel¶
mehr
dienen 99 Banken, Kreditvereine, Spar- und Leihkassen mit 140893748 Frs. Kapital und 5417919 Frs. Reserve, darunter die Kantonalbank
mit 6 Filialen in Biel, Burgdorf, Langenthal, Pruntrut, St. Immer und Thun. 1884 waren in das Handelsregister eingetragen 79 Genossenschaften
und 4151 Geschäftsfirmen, unter letztern 445 Kommandit- und Kollektivgenossenschaften und 348 Aktiengesellschaften.
Verkehrswesen. Das Straßen- und das Eisenbahnnetz sind reich entwickelt, dagegen kommen die Gewässer mit
Ausnahme der von Dampfbooten und Segelkähnen befahrenen Seen als Verkehrswege kaum in Betracht. An Staatsstraßen besitzt
der Kanton 2010 km, für die jährlich ungefähr 1 Mill. Frs. aufgewendet wird. Von fahrbaren Alpenstrassen sind zu erwähnen
die Paßstraßen über den Bruchberg (1506 m, Simmenthal-Jaunthal), die Saanenmöser (1283 m, Simmenthal-Saanenthal)
und den Pillon (1552 m, Saanenthal-Ormontthal).
Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung (vom ist rein demokratisch. Auf Grund einer Motion
[* 59] vom wurde ein neuer Verfassungsentwurf vom Regierungsrat ausgearbeitet, der wesentlich auf eine gründliche Reform
des Armen-, Gemeinde-, Niederlassungs- und Steuerwesens mit Beseitigung der in diesen Dingen noch bestehenden Unterschiede
zwischen altem und neuem Kantonsteil und Ausdehnung der Volksrechte abzielt; derselbe wurde unterm vom
Volke angenommen.
Der GroßeRat, je 1 Mitglied auf 2500 E. vom Volke in 62 Wahlkreisen gewählt, ist gesetzgebende, der Regierungsrat, 9 Mitglieder
vom GroßenRate gewählt, vollziehende Behörde. Ersterm steht die Gesetzgebung, die Oberaufsicht über die gesamte Staatsverwaltung
sowie die Wahl gewisser Beamten und Behörden zu. Die Amtsdauer beträgt bei beiden 4 Jahre. Für Gesetze
und Ausgaben über 500000 Frs. ist das Referendum obligatorisch. Alle Gesetze unterliegen der Volksabstimmung; außerdem ist 12000 stimmfähigen
Bürgern das Vorschlagsrecht (Initiative) zuerkannt; eine Verfassungsrevision kann von 15000 stimmfähigen Bürgern
verlangt
werden. In administrativer Hinsicht zerfällt der Kanton in 30 meist nach den Hauptorten benannte Amtsbezirke
(s. S. 823 a), von denen je 7 im Oberland, Mittelland und Jura, 5 im Seeland, je 2 im Emmenthal und Oberaargau liegen und
an deren Spitze je ein Regierungsstatthalter steht, der vom Volke des betreffenden Bezirks gewählt wird.
Jede Einwohnergemeinde hat einen Gemeinderat. Den Einwohnergemeinden steht das Recht zu, einen Friedensrichter zu wählen;
jeder Bezirk besitzt ein Amtsgericht, bestehend aus einem Präsidenten und 4 Beisitzern. Höchste Instanz ist das aus 15 Mitgliedern
bestehende Obergericht in Bern, das sich in Appellations- und Kassationshof, die Anklage- und Polizeikammer und
die Kriminalkammer gliedert, welche letztere unter Zuziehung von Geschworenen über strafrechtliche Fälle urteilt.
Das Obergericht wird durch den GroßenRat gewählt und nach je 4 Jahren zur Hälfte erneuert. Die Amtsgerichte werden durch
die Volkswahl bezirksweise bestellt. Für Kriminal-, Preß- und polit. Vergehen giebt es Geschworenengerichte. In eidgenössischen
Angelegenheiten bildet jede der 6 Landschaften einen besondern Wahlkreis. In kirchlicher Hinsicht ist
der Kanton paritätisch;
die reform. Kirche steht unter einer vom Volke gewählten Synode mit einem Synodalrat an deren Spitze;
die christ- oder altkatholische unter dem schweiz. Nationalbischof;
die röm.-katholische gehört seit der Absetzung des
Bischofs von Basel (1873) durch die Diöcesankonferenz in Solothurn
faktisch keinem Bistumsverbande
mehr an.
Klöster giebt es noch 2 in Pruntrut. In militär. Hinsicht bilden das Oberland, Mittelland
und Seeland den Stammbezirk der 3. Division, der Jura gehört zum Bezirke der 2., Oberaargau und Emmenthal zu dem der 4. Division.
Die Staatseinnahmen betrugen (1890) 22262308 Frs. (darunter an direkten Steuern 3129753 Frs.), die Ausgaben 22262308
Frs., das reine Staatsvermögen 49561424 Frs., wovon jedoch nach Verkauf der Staatsbahn (19,6 Mill. Frs.) und der Jura-Simplonbahnaktien
(18 Mill. Frs.) an den Bund noch 5380000 Frs. in Eisenbahnaktien angelegt sind.
Das Wappen ist ein schwarzer schreitender Bär auf goldenem Schrägbalken im roten Felde (wie das der Stadt
Bern, s. S. 825 a).
Bildungswesen. Öffentliche Anstalten. Bei den Rekrutenprüfungen von 1890 nahm der Kanton den 18. Rang unter 25 ein. Der
Unterricht ist obligatorisch und in den Primärschulen unentgeltlich. Außer der Universität mit Tierarzneischule in der Stadt
Bern (s. d.) bestehen ein kantonales Technikum (Burgdorf) und das westschweiz. Technikum (Biel), 3 Gymnasien
(Bern, Burgdorf, Pruntrut), 4 Progymnasien (Biel, Delsberg, Neuenstadt, Thun), je 2 Seminare für Lehrer (Münchenbuchsee, Pruntrut)
und Lehrerinnen (Delsberg, Hindelbank) und 61 Sekundärschulen; ferner 12 Armenanstalten, 4 staatliche Rettungsanstalten, 1 großes
Kantonsspital bei Bern, 2 Irrenanstalten (Waldau und Münsingen) und 1 kantonale Entbindungsanstalt (Bern). Außerdem
bestehen auch Privatschulen und Seminare der evang. Richtung für Lehrer und Lehrerinnen. Über die Geschichte des Kantons s.
S. 826 a.