Berlin
(hierzu der Stadtplan, die »Karte der Umgebung von und die Tafel »Berliner Bauten«), die Hauptstadt des Deutschen Reichs und des Königreichs Preußen, zugleich erste Residenz des deutschen Kaisers und Königs von Preußen, ist der Sitz des deutschen Reichskanzlers und der preußischen Ministerien sowie der übrigen höchsten Behörden des Reichs, des Staats und der allgemeinen Reichs- und Landesvertretung. Von zentralen Reichs- und Landesbehörden befinden sich nur wenige nicht in und zwar das Reichsgericht in Leipzig, die Reichs- und Staatsoberrechnungskammer in Potsdam und ein Teil der obersten Marineverwaltung in Kiel. Berlin ist nach London und Paris die größte Stadt Europas. Es liegt unter 52° 30' 17'' nördl. Br. und 13° 23' 47'' östl. L. v. Gr. (Meereshöhe am Oberbaum, im O., 31,38 m, am Unterbaum, im W., 30,13 m über dem Spiegel der Ostsee), an beiden Ufern der Spree, welche die Stadt von SO. nach NW. durchfließt, sich gabelt und die Panke, welche bei Bernau entspringt, in sich aufnimmt. Links von der Spree geht oberhalb Berlin der neue Schiffahrtskanal ab, welcher, 10,54 km lang, durch den 20,34 km langen Luisenstädtischen Kanal mit der Spree innerhalb der Stadt verbunden ist; rechts der Spree geht unterhalb der Stadt der Spandauer Schiffahrtskanal in einer Länge von 12,05 km zu dem Ausgang des Tegeler Sees in die Havel. Die alten Festungsgräben sowie der Königsgraben sind zugeschüttet worden. Das Weichbild der Stadt umfaßt 60,61 qkm (1,068 QM.), wovon 1,81 qkm mit Wasser bedeckt ist. Der Durchmesser des städtischen Terrains von N. nach S. ist 9,3 km, von O. nach W. 10 km, der Umfang 47 km. Die mittlere Temperatur beträgt (1882) 9,8° C., die Niederschläge 761,6 mm.
Stadtteile. Öffentliche Anlagen. Monumente.
Die historischen Stadtteile sind durch die natürlichen Wasserläufe, welche jetzt aber zum Teil zugeschüttet sind, voneinander geschieden und zwar: Alt-Kölln, als Zentrum der Stadt mit dem königlichen Schloß auf der Spreeinsel, Alt-Berlin, von gleichem Alter, mit dem Rathaus, nördlich davon gelegen Friedrichswerder und Neu-Kölln mit dem Zeughaus und der Reichsbank, ferner die Dorotheenstadt und Friedrichsstadt, die sich in der Behrenstraße scheiden, zusammen aber von der Friedrichsstraße durchzogen werden. Nördlich an die Dorotheenstadt am rechten Spreeufer stößt die Friedrich-Wilhelmstadt, welche durch die Verlängerung der Friedrichsstraße von dem Spandauer Viertel getrennt wird. Die Fortsetzung des letztern nach O. bilden die Königsstadt und das Stralauer Viertel, welches mit der Friedrichsstadt durch die Luisenstadt am linken Spreeufer verbunden ist. Diese letzten sieben Stadtteile bilden einen zweiten konzentrischen Kreis um die drei vorher genannten, welche in unmittelbarem Anschluß an den Mittelpunkt den
^[Abb.: Wappen der Stadt Berlin.]
Maßstab = 1:31000.
Pferdebahn.
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ersten Kreis bilden. Im W., N. und S. schiebt sich sodann noch ein dritter, im O. allerdings nicht geschlossener Kreis vor, dessen Mitte von dem Tiergarten eingenommen wird. Nördlich davon liegen Moabit, Wedding und die Oranienburger und Rosenthaler Vorstadt, südlich die Friedrichsvorstadt, das Schöneberger und Tempelhofer Revier. Mit der alten Stadtmauer sind auch die Thore verschwunden bis auf eins, das Brandenburger Thor, welches von den Linden zur Chaussee nach Charlottenburg führt. Es wurde unter Friedrich Wilhelm II. von Langhans nach dem Vorbilde der Propyläen zu Athen 1789-93 errichtet, hat eine Breite von 62,5 m bei 20 m Höhe und besteht aus einem Doppelportikus von 12 dorischen kannelierten, je 14 m hohen Säulen, die fünf Durchgänge bilden: der mittelste ist nur für die Equipagen des Hofes bestimmt, die beiden auf jeder Seite daran liegenden für Fuhrwerke, während für Fußgänger neben den fünf Durchgängen ein im gleichen Stil gehaltener Säulenbau 1868 hinzugefügt ist. Die Attika trägt die in einer Quadriga stehende Siegesgöttin, 6,3 m hoch, von Schadow modelliert, von Jury und Gerike in Kupfer getrieben; diese Viktoria wurde 1807 von den Franzosen entführt, um den Triumphbogen auf dem Karussellplatz in Paris zu zieren, allein sie kam nicht zur Aufstellung und wurde 1814 zurückgebracht. Seitdem fährt sie das Viergespann (anders als vor 1807) der Stadt zu, und in die Spitze ihres adlergekrönten Stabes wurde das Eiserne Kreuz eingefügt.
Unter den 48 Brücken der Stadt ist die schönste die Schloßbrücke von den Linden zum Lustgarten, 1822-1824 nach Schinkels Entwürfen gebaut, 48 m lang, 32 m breit. Ihr Geländer wird von acht Marmorgruppen geziert, welche das Leben eines Kriegers durch antike Figuren zur Anschauung bringen (s. Tafel »Bildhauerkunst VII«, Fig. 7, und VIII, Fig. 4). In andrer Art bedeutend ist die Lange oder Kurfürstenbrücke, welche, in der jetzigen Form 1692-96 erbaut, vom Schloßplatz zur Königsstraße führt, weil auf ihr das meisterhafteste Standbild Berlins steht, das des Großen Kurfürsten, von Schlüter entworfen und modelliert, von Jacobi in Erz gegossen und 12. Juli 1703 feierlich enthüllt; der Kurfürst in altrömischer Tracht sowie die vier gefesselten Gestalten, welche das Piedestal umgeben, sind von kolossaler Größe. Die übrigen ältern Brücken sind meist sehr einfach und dürftig, wohingegen die neuern, wie die Alsenbrücke am Königsplatz, die Hallesche Thor-Brücke, die Michaelsbrücke, die Schillingsbrücke u. a., mit großer Solidität ausgeführt worden sind.
Die 561 Straßen der Stadt, welchen noch beizufügen sind 22 Gassen, 25 Ufer, 5 Höfe etc., haben zusammen eine Länge von 500 km. Die schönste Straße ist die vom Brandenburger Thor nach dem königlichen Schloß führende Unter den Linden, 1004 m lang, 45 m breit, in der Mitte mit einer vierfachen Baumreihe und einer Promenade, an der Nordseite mit einem Weg zum Reiten, daneben mit Fahrwegen und Trottoirs für die Fußgänger versehen. Hier stehen das Palais des Kaisers, die Kunstakademie, das Kultusministerium, das Ministerium des Innern, die russische Botschaft, die ersten Hotels der Stadt und eine Reihe der glänzendsten Kaufläden. Von den Linden führt in einer gebrochenen Linie nach der Ecke der Friedrichs- und Behrenstraße die Passage (Kaisergalerie genannt), nach Art der Passagen in Paris und Brüssel. Die langgestreckte Friedrichsstraße durchschneidet die Stadt von N. nach S. vom Oranienburger Thor bis zum Belle-Allianceplatz und ist 3 km lang. Die Wilhelmsstraße enthält in ihrer ersten Hälfte von den Linden ab das Reichskanzlerpalais, Ministerien- und Gesandtschaftshotels. Die Leipziger Straße verbindet zwei große Plätze (Dönhofs- und Leipziger Platz). An ihr liegen: das Kriegsministerium, das Generalpostamt, das Herrenhaus, Abgeordnetenhaus, das provisorische Reichstagsgebäude und viele glänzende Neubauten. Die neuesten Straßen, welche die reichste Abwechselung des Baustils zeigen, liegen im W. zwischen der Tiergarten-, Potsdamer Straße und dem zoologischen Garten; unter ihnen zeichnen sich die Viktoria-, Bellevue-, Regenten- und Rauchstraße aus. Berlin zählt 65 öffentliche Plätze, von denen 7 die Bezeichnung »Markt« führen. Als die imposantesten sind zu nennen: der Opernplatz am östlichen Ende der Linden, von den prachtvollsten Gebäuden (Zeughaus, Universität, kronprinzliches Palais, Opernhaus) umgeben; der Gendarmenmarkt (in seiner Mitte, am Denkmal Schillers, Schillerplatz genannt) in der Friedrichsstadt; der Schloßplatz; der Lustgarten zwischen der nördlichen Langseite des Schlosses und dem Museum; der Leipziger Platz; der Wilhelmsplatz in der Friedrichsstadt; der Pariser Platz am Brandenburger Thor, 1880 mit Schmuckanlagen versehen; der Königsplatz (mit dem Siegesdenkmal) nordwestlich von jenem; der Dönhofsplatz an der Leipziger Straße; der Belle-Allianceplatz am Halleschen Thor, kreisförmig mit perspektivischer Einsicht in drei der längsten Straßen.
Die hervorragendste der öffentlichen Anlagen Berlins ist der Tiergarten. Er umfaßt ein Areal von ungefähr 250 Hektar. Ursprünglich ein Wald, der weit in das heutige Stadtgebiet hineinreichte, diente er später wirklich als Tiergarten für Hirsche und Schwarzwild. König Friedrich I. begann seine allmähliche Umwandlung in einen Park; die ersten Alleen wurden zu Anfang des vorigen Jahrhunderts angelegt; endlich erhielt er unter Friedrich Wilhelm III. durch Lenné im wesentlichen seine jetzige Gestalt und wurde dem Publikum übergeben. Es münden in ihn von verschiedenen Seiten neue und prächtige Straßen, schöne Alleen von alten Bäumen wechseln mit andern Baumpflanzungen, anmutige Promenaden mit Wasserpartien, Rasen- und Blumenstücken ab. Hier befindet sich das Standbild Friedrich Wilhelms III. von Drake (1849 errichtet, mit schönem Relief am Sockel; s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, Fig. 2); ihm gegenüber das Denkmal der Königin Luise von Encke (1880 errichtet); ferner in der Nähe des Brandenburger Thors das Denkmal Goethes von Schaper (1880 errichtet; s. Tafel »Bildhauerkunst X«, Fig. 8). Die wichtigsten Partien im und am Tiergarten sind: das königliche Lustschloß Bellevue mit einem besondern Park, die Zelte, eine Reihe von Erfrischungslokalen, der Goldfischteich, der Floraplatz, die Luisen- und Rousseau-Insel, die Löwenbrücke etc. Neben diesem von der Natur gegebenen Park hat die Stadt mit bedeutenden Kosten einige Parke in der unmittelbaren Umgebung der Stadt geschaffen, nämlich den »Friedrichshain« vor dem Königsthor mit den Gräbern der Märzgefallenen und einer Büste Friedrichs d. Gr., und den »Humboldtshain« vor dem sogen. Gesundbrunnen (einem Stadtteil, innerhalb dessen eine früher stark frequentierte Quelle von sehr zweifelhafter Heilwirkung sich befindet). In neuerer Zeit ist ein 14 Hektar großes Gebiet bei Treptow zu einem großen Park umgewandelt worden, ferner soll am Fuß des Kreuzbergs ein Park angelegt werden.
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Von den öffentlichen Monumenten, woran Berlin reicher als alle deutschen Städte ist, sei zunächst das 1821 für die 1813-15 gefallenen Krieger auf dem Kreuzberg errichtete erwähnt. Es erhebt sich auf einem granitenen Unterbau in gotischer Pyramidenform ca. 20 m hoch, ist nach Schinkels Entwurf aus Eisen gegossen und wurde 1878 auf Staatskosten erhöht, wodurch es an Wirkung gewonnen hat. Ein Pendant dazu bildet die am 2. Sept. 1873 eingeweihte Siegessäule auf dem Königsplatz, welche nach dem Entwurf von Strack zur Erinnerung an die drei siegreichen Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 aufgeführt wurde und mit der sie krönenden Viktoria von Drake eine Gesamthöhe von 61 m erreicht. Vier auf die Kriege bezügliche Bronzereliefs zieren den mächtigen quadratischen Unterbau, auf dem sich eine runde offene Säulenhalle von 15,7 m im Durchmesser erhebt; den Kern derselben schmückt das nach dem Gemälde A. v. Werners durch Salviati in Venedig in Glasmosaik ausgeführte, 11. Nov. 1875 enthüllte Bild, welches die Verbrüderung der deutschen Stämme angesichts der drohenden Fremdherrschaft und die Proklamierung des Kaiserreichs in Versailles darstellt; darüber steigt die aus Sandstein gearbeitete Säule von 27 m Höhe und 5 m Durchmesser empor; dieselbe trägt in ihren Kannelierungen in drei Etagen übereinander eroberte Kanonenrohre aus den drei Kriegen und gewährt auf ihrer von der 8,32 m hohen Viktoria gekrönten Plattform eine umfassende Aussicht. Von ähnlichen Denkmälern sind noch die Friedenssäule auf dem Belle-Allianceplatz mit einer Viktoria von Rauch und das Nationalkriegerdenkmal im Invalidenpark zum Andenken an die 1848 und 1849 Gefallenen (1854 errichtet) zu erwähnen. Das figurenreichste Werk monumentaler Skulptur ist aber die Reiterstatue Friedrichs d. Gr. (s. Tafel »Bildhauerkunst VIII«, Fig. 3) am Eingang der Linden, zwischen dem königlichen Palais und der Universität, welche, nachdem noch unter Friedrich Wilhelm III. 1840 der Grundstein gelegt worden, 31. Mai 1851, am 111. Jahrestag des Regierungsantritts des großen Königs, enthüllt wurde. Das Ganze, eins der größten Meisterwerke Rauchs, von Friebel in Erzguß ausgeführt, hat 13,2 m Höhe und 6,9 m Breite. Auf einem Granitsockel von 1,7 m Höhe erhebt sich das Fußgestell von Bronze, auf diesem der Hauptwürfel des Denkmals mit zahlreichen Statuen und Reliefbildern von Helden und andern ausgezeichneten Geistern. An den Ecken treten die Reiterfiguren des Herzogs Ferdinand von Braunschweig, des Prinzen Heinrich von Preußen, Zietens und Seydlitz' hervor. Zwischen ihnen gruppieren sich die berühmtesten Männer der Fridericianischen Epoche, und am Sockel ziehen sich die Namen vieler Kriege hin. Auf diesem Unterbau erhebt sich nun das kolossale Reiterstandbild selbst, welches den König in Uniform mit Hut und Königsmantel und dem Krückstock in der rechten Hand darstellt. - Andre Denkmäler sind die der Helden der Freiheitskriege auf dem Opernplatz, der des Siebenjährigen Kriegs auf dem Wilhelmsplatz, der Grafen Brandenburg und Wrangel auf dem Leipziger Platz, das Reiterstandbild König Friedrich Wilhelms III. (von Wolff) im Lustgarten, enthüllt beim Truppeneinzug 1871; ferner die Denkmäler von Schinkel, Beuth und Thaer (Rauchs letztes Werk) vor der frühern Bauakademie, von Schinkel, Rauch, Schadow und Winckelmann in der Vorhalle des Alten Museums, von Hegel (Kolossalbüste) hinter der Universität (Hegelplatz), das am 10. Nov. 1871 enthüllte Schillerdenkmal von R. Begas auf dem Schillerplatz vor dem Schauspielhaus, das Denkmal des Freiherrn vom Stein auf dem Dönhofsplatz (seit 1875) von Schievelbein. Die beiden großen Berliner Ärzte v. Gräfe (gest. 1871) und Wilms (gest. 1880) haben 1882-83 jeder ein Denkmal erhalten (s. Tafel »Bildhauerkunst X«, Fig. 3). Über die Denkmäler in den Parken s. oben.
Bauwerke.
An gottesdienstlichen Gebäuden besitzt Berlin 49 evangelische, 5 katholische, 9 freie, von der Landeskirche unabhängige, 8 jüdische. Die Domkirche an der östlichen Seite des Lustgartens wurde nach dem Abbruch der alten Domkirche aus dem Schloßplatz unter Friedrich II. 1747 von Boumann erbaut, doch 1817 und 1821 unter Schinkels Leitung vielfach umgestaltet; eine große Kuppel und zwei Seitentürme die ebenfalls Kuppeln tragen, heben das 103 m lange und 41 m breite Gebäude. Die Marienkirche, ein Backsteinbau aus dem 13. Jahrh. mit einem erst 1790 erbauten Turm, einem der höchsten in Berlin (90 m), steht am Neuen Markte. Die Nikolaikirche, noch älter als die vorige, wurde 1880 restauriert. Die Klosterkirche, eins der vorzüglichsten Denkmäler märkischer Baukunst des Mittelalters, besitzt das Grabmal Ludwigs des Römers. Vor der französischen (1883 renoviert) und der Neuen Kirche (1882 umgebaut), welche auf dem Gendarmenmarkt einander gegenüberstehen, ließ Friedrich d. Gr. zwei ganz gleiche Türme erbauen nach dem Muster der Kirche Maria del Popolo zu Rom. Die Türme stehen mit den Kirchen in gar keinem Zusammenhang. Nach dem Vorgang der Werderschen Kirche, 1824-30 von Schinkel erbaut, ist bei den zahlreichen unter Friedrich Wilhelm IV. erbauten Kirchen der alte Ziegelrohbau wieder zu Ehren gekommen. Der bei diesen meist kleinen Kirchen zur Anwendung gekommene Baustil ist der romanische oder der byzantinische; nur die Petrikirche (mit 96 m hohem Turm) und die Bartholomäuskirche am Friedrichshain sind gotisch. Die neueste Zeit hat Berlin um drei schöne evangelische Kirchenbauten bereichert: die Thomaskirche von Adler auf dem Mariannenplatz bei Bethanien, die Zionskirche von Orth in der Rosenthaler Vorstadt und die Dankeskirche auf dem Weddingsplatz, zum Andenken an die zweimalige glückliche Errettung Kaiser Wilhelms aus Mörderhand (erbaut nach dem Entwurf von Orth, 1884 eingeweiht). Die (erste) katholische St. Hedwigskirche am Opernplatz ist nach dem Muster des Panthéons zu Rom gebaut. Die zweite, die St. Michaelskirche von Soller, in der Nähe der oben erwähnten Thomaskirche, romanisch, gehört auch zu den schönsten Kirchen Berlins. Die neue jüdische Synagoge in der Oranienburger Straße ist im maurischen Stil von Knoblauch erbaut. Die Kuppel ist 50 m hoch, die etwas schmale Fronte erweitert sich nach hinten bis zu 40 m bei 96,6 m Tiefe. Das Innere zeichnet sich durch großen Farbenreichtum und malerische Lichtwirkung aus. Unter einem von zwölf weißen Marmorsäulen getragenen Tabernakel ruhen in kunstvoll geschnitzter Lade die »Gesetzesrollen«.
Unter den Profanbauten nimmt das Schloß die erste Stelle ein. Die vielen, zu verschiedenen Zeiten entstandenen Teile desselben begann von 1700 ab Andreas Schlüter zu einem Ganzen zu verbinden und umzugestalten. Bald folgte ihm in dieser Aufgabe J. F. ^[Johann Friedrich] v. Eosander, und bis in die neueste Zeit ist an der Verschönerung dieses Baues ununterbrochen gearbeitet worden. Er bildet ein längliches Viereck mit einem Umfang von 450 m und umschließt vier Höfe (darunter der äußere mit der Kolossalstatue des drachentötenden St. Georg). Die
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Berlin.
Durch die rege Bauthätigkeit der letzten Jahre sind neue Straßen, besonders im S. und SW. der Stadt, entstanden; so hat sich ein besonderer Stadtteil in der Gegend des Joachimsthalschen Gymnasiums gebildet. Im Innern der Stadt ist die durch Niederlegung älterer Bauten entstandene Kaiser Wilhelm-Straße bis zur Münzstraße weitergeführt und zum Teil mit prächtigen Häusern besetzt; daneben ist die Rochstraße neu erbaut. Die zum Lustgarten führende Kaiser Wilhelm-Brücke ist im wesentlichen vollendet. Die vom Bahnhof Börse zum Bahnhof Jannowitzbrücke längs der Stadtbahn angelegte Straße beginnt sich allmählich mit Bauten zu füllen. Vor dem Oranienburger Thor erhebt sich auf dem Terrain der ehemaligen Borsigschen Fabrik und dem gegenüberliegenden Kirchhof eine Reihe der stattlichsten Neubauten. Unter den jüngst vollendeten öffentlichen Bauten Berlins erwähnen wir: die Kirche zum Heiligen Kreuz an der Blücherstraße, eine Schöpfung des Professors Otzen in gotischem Stil (seit 1888); das Museum für Völkerkunde in der Königgrätzer Straße (seit 1886), in welchem sich auch Schliemanns Sammlungen befinden; das Hygienemuseum in der Klosterstraße; das Dienstgebäude des Polizeipräsidiums am Alexanderplatz (seit 1889); die neben der Börse errichtete sogen. Warenbörse (seit 1886), 1889 in ein Konzertlokal, »Kaiserbau«, umgewandelt; das Landeshaus der Provinz Brandenburg (1888 von Ende und Böckmann vollendet); den neuen Packhof am Lehrter Güterbahnhof in Moabit (von F. Wolff und H. Keller, 1886 eröffnet); das Lessingtheater an der Kronprinzenbrücke (seit 1888). Im S. der Stadt an der Hasenheide erhebt sich seit 1887 das vom Baurat Schmieden erbaute Elisabeth-Kinderhospital, und am Urban wird ein drittes städtisches Krankenhaus erbaut. Die beiden städtischen Siechenanstalten (in der Stralauer und Gitschiner Straße) sind um eine dritte (für Männer) an der Prenzlauer Allee vermehrt worden, welche nahezu vollendet ist. Daneben ist ein neues Asyl für Obdachlose, das sogen. Städtische Obdach, erbaut worden. Um den Marktverkehr von den freien Plätzen zu verbannen, hat die städtische Verwaltung seit einigen Jahren Markthallen erbaut, von denen gegenwärtig acht dem Verkehr übergeben sind, darunter die gewaltige Zentralmarkthalle am Bahnhof Alexanderplatz. Zu den frühern Panoramen (Nationalpanorama an der Herwarthstraße und Sedanpanorama am Bahnhof Alexanderplatz) sind neuerdings drei andre hinzugekommen: das Nordlandpanorama an der Wilhelmstraße (mit dem von J. ^[Joseph] Krieger und A. Heine gemalten Kolossalgemälde der Lofoten), das Panorama im Ausstellungspark (Brand Roms unter Nero, von M. und G. Koch) und das Panorama Jerusalem und die Kreuzigung, von Professor Piglhein u. a., am Bahnhof Tiergarten. Im Ausstellungspark, in welchem 1889 die Allgemeine deutsche Ausstellung für Unfallverhütung abgehalten wurde, ist ein feuersicheres Theater und eine dem Publikum zugängliche Sternwarte der Gesellschaft Urania errichtet worden. Der 1883 gebildete Deutsche Offizierverein hat sich ein großes Geschäftshaus in der Neustädtischen Kirchstraße erbaut. In der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße sind mehrere große Gasthöfe, wie Hotel Continental und Monopolhotel, entstanden. Erwähnung verdienen noch mehrere durch Baustil und Eleganz auffallende Kolossalbauten in der Friedrich- und der Leipziger Straße, deren Erdgeschosse meist von Restaurants oder glänzenden Läden eingenommen werden, so, abgesehen von andern Bierpalästen der Friedrichstadt, das Haus der Münchener Pschorrbrauerei (mit Castans Panoptikum) an der Ecke der Behrenstraße; an den Ecken der Leipziger und Wilhelm-, resp. Friedrichstraße haben die New Yorker Versicherungsgesellschaften New York und Equitable Palastbauten errichtet. Auf dem Kreuzberg wird gegenwärtig der Viktoriapark angelegt. Von öffentlichen Denkmälern ist zu erwähnen das Reiterstandbild Friedrich Wilhelms IV. auf der Freitreppe vor der Nationalgalerie (1886 enthüllt, von Calandrelli entworfen).
Bei einem Flächeninhalt von 63,37 qkm (1,15 QM.) besaß Berlin nach der letzten Volkszählung (1. Dez. 1885) 1,315,387 Einw., was gegen 1880 eine Zunahme um 192,957 Personen ergibt. Am 7. Dez. 1889 wurde die Bevölkerung auf 1,527,835 Seelen berechnet. Dem männlichen Geschlecht gehörten 1885: 631,878 (48 Proz.), dem weiblichen 683,409 (52 Proz.) an. Von 1000 Einwohnern waren 286 unter 15 Jahren, 487 (beim männlichen Geschlecht 491, beim weiblichen 483) im Alter von 15-40, 175 von 40-60 und 52 über 60 Jahre alt. Nach dem Familienstand zählte man 773,761 Ledige (387,547 männlichen und 386,214 weiblichen Geschlechts), 458,500 Verheiratete (228,519 männlichen u. 229,981 weiblichen Geschlechts), 76,971 Verwitwete (13,734 männlichen und 63,237 weiblichen Geschlechts) und 6055 Geschiedene (2078 männlichen und 3977 weiblichen Geschlechts). In der Periode 1880-85 kamen mit Einschluß der Totgebornen 230,683 Geburten (118,033 männliche, 112,650 weibliche) und 169,664 Sterbefälle (89,937 beim männlichen, 79,727 beim weiblichen Geschlecht) vor, woraus sich ein Geburtenüberschuß von 61,019 Seelen (28,096 männliche, 32,923 weibliche) ergibt. Obwohl im Zeitraum 1882-88 die Zahl der Eheschließungen von 20,07 auf 21,94 pro Mille gestiegen ist, ist die Zahl der Geburten von 39,30 auf 34,58 pro Mille gesunken, allerdings auch die Zahl der Sterbefälle von 27,37 auf 21,57 pro Mille. Erheblich größer als der Geburtenüberschuß ist der Überschuß der Zugezogenen gegenüber den Weggezogenen, derselbe belief sich im Zeitraum 1879-88 auf zusammen 351,509 Personen, und zwar ist er fast stetig (von 28,181 im J. 1879 auf 49,702 im J. 1888) gestiegen. Man zählte 1885: 24,719 bewohnte und 15 unbewohnte Wohnhäuser,
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ferner waren 1180 sonst nicht zu Wohnzwecken dienende Gebäude und 820 Schiffe und Wagen bewohnt. Es gab 305,264 Haushaltungen, darunter 317 Anstalten und 19,599 einzeln lebende selbständige Personen; auf ein bewohntes Gebäude kamen mehr als 11 Haushaltungen und über 49 Bewohner. Nur 42,37 Proz. der Bevölkerung waren geborne Berliner, 51,93 Proz. stammten aus andern preußischen Provinzen (aus Schlesien 99,783, aus Pommern 81,663, aus Sachsen 69,446 Personen), 4,34 Proz. aus andern Gebieten des Deutschen Reichs, 1,36 Proz. waren im Ausland geboren. Unter den 14,207 in B. ortsanwesenden Reichsausländern waren Österreicher (5080), Russen (2746), Engländer (1010), Bürger der Vereinigten Staaten von Nordamerika (979) und Ungarn (714) am stärksten vertreten. Nach dem Religionsbekenntnis waren 1,143,352 Evangelische, 99,579 Katholiken (darunter 255 Griechisch-Katholische), 6911 andre Christen (darunter 3816 Freireligiöse und Dissidenten), 64,383 Israeliten, 80 Bekenner andrer Religionen (fast sämtlich zum Personal der orientalischen Gesandtschaften gehörig) und bei 982 das Religionsbekenntnis unbekannt. Aktive bundesangehörige Militärpersonen waren 20,565. An der Zunahme der Bevölkerung (um 17,19 Proz.) gegen 1880 nahmen die eimelnen Stadtteile in verschiedenem Verhältnis teil: während sich in den Standesamtsbezirken 1 und 2 (Stadtteile Berlin, Kölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt, Friedrichstadt) die Bevölkerung sogar um 4096 Personen verminderte, wuchs sie in der Friedrich-Wilhelmstadt, Tiergarten und Moabit um 42,9 Proz., in der Friedrich-, Schöneberger und Tempelhofer Vorstadt um 31 und auf dem Wedding und Gesundbrunnen um 29,4 Proz. Die Zahl der Stadtbezirke ist auf 326 gestiegen. Anfang 1888 gab es 21,032 Grundstücke, von denen 20,343 für eine Summe von 2627 Mill. Mk. gegen Feuerschaden versichert waren; die Versicherungssumme der Mobilien belief sich 1887 daneben auf 2130 Mill. Mk. 1888 standen von 344,941 Wohnungen im Mietswert von 221 Mill. Mk. 7531 (21,8 pro Mille) leer. Im Winter 1888/89 war die Universität zu B. von 5790, die technische Hochschule von 873 Studierenden (außer 419 zum Hören Berechtigten) besucht. Die Zahl der Gymnasien ist auf 16, der höhern Bürgerschulen auf 6, der höhern Töchterschulen auf 8, der öffentlichen Gemeindeschulen auf 177 gestiegen.
[Verkehr.]
Ihrem Beruf nach waren nach der Zählung vom 5. Juni 1882 in B. unter 1000 Personen 542,9 in der Industrie, 245,6 in Handel und Verkehr, 7,7 in Land- und Forstwirtschaft beschäftigt, 96,6 im Staats-, Gemeinde- und Kirchendienst, 38,5 im häuslichen Dienste thätig und 68,4 ohne Beruf. Die Zahl der Postanstalten ist bis 1888 auf 159, der Rohrpostanstalten auf 38 vermehrt. Die Post beförderte 1887: 46½ Mill. Stadtbriefe, an Briefen, Karten, Drucksachen, Warenproben kamen 131 Mill. an, und 187 Mill. wurden abgesandt; auf Postanweisungen wurden 224 Mill. Mk. ein- und 406 Mill. Mk. ausgezahlt. Mit der Rohrpost wurden 363,000 Briefe und 571,000 Karten, an Telegrammen 12 Mill. Stück befördert. Die Geleise der Großen Berliner Pferdebahn hatten eine Länge von 219 km, die der Neuen Berliner Pferdebahn von 25 km. Eine Reihe neuer Omnibuslinien ist von der Paketfahrt-Gesellschaft eingerichtet. An öffentlichen Fuhrwerken waren 1888 im Betrieb: 4695 Droschken, 378 Thorwagen, 217 Omnibusse, 966 Pferdebahnwagen, zusammen mit 14,723 Pferden. Im J. 1888 wurden von den Pferdeeisenbahnen 117 Mill., den Omnibussen 22,3 Mill., auf der Stadtbahn 22,1 Mill. und auf der Berliner Ringbahn 7,1 Mill. Personen befördert. Neu eröffnet sind Dampfstraßenbahnen nach Halensee-Hundekehle, Wilmersdorf-Schmargendorf, Friedenau-Steglitz. Neben den Dampferverbindungen auf der Oberspree ist eine auf der Unterspree und Havel nach Potsdam entstanden. Der Schiffahrtsverkehr auf der Spree hatte 1888 folgende Ausdehnung: es kamen an 46,307 Schiffe mit 422,954 Ton. Ladung, es gingen durch 3657 Schiffe mit 326,111 T. Ladung, und es verließen B. 46,187 Schiffe mit 339,748 T. Ladung. Bei der städtischen Sparkasse erreichten die Einzahlungen Ende 1887 eine Gesamtsumme von 90 Mill. Mk., die sich auf 329,444 Sparkassenbücher verteilten. Das Berliner Pfandbriefamt hatte 1087 Grundstücke mit 56¾ Mill. Mk. beliehen. Auf dem Viehhof wurden im Betriebsjahr 1887/88: 130,719 Rinder, 419,848 Schweine, 99,185 Kälber und 275,049 Hämmel geschlachtet. Die kommunale Armenpflege erforderte im Etatsjahr 1887/88: 8,5 Mill. Mk.; dle Zahl der Almosengeldempfänger ist auf 17,060, die der Pflegekinder auf 7692 gestiegen; an Waisenkindern wurden 5090 unterstützt. Das unter der Aufsicht des Magistrats stehende Krankenkassenwesen hatte 1. Juli 1889 folgende Ausdehnung: es bestanden 64 Ortskrankenkassen mit 250,229 Mitgliedern, 14 Vetriebskrankenkassen mit 22,164 Mitgliedern und 9 Innungskrankenkassen mit 7912 Mitgliedern. Zu dem durch das Gesetz vorgeschriebenen Reservefonds (in Höhe der durchschnittlichen Jahresausgabe von 3½ Mill. Mk.) sind schon 2⅗ Mill. Mk. angesammelt. Im Finanzjahr 1888/89 betrugen im Stadthaushaltsetat die Einnahmen 72,788,844 Mk., die Ausgaben 64,997,566 Mk., der Überschuß 7,791,278 Mk., jedoch nach Abzug des disponibeln Bestandes des Vorjahrs nur 401,940 Mk. An direkten Steuern wurden für die Gemeinde 32,9 Mill. Mk. (22,66 Mk. pro Kopf), für den Staat 21,3 Mill. Mk. (14,64 Mk. pro Kopf) erhoben. Unter den städtischen Steuern brachte die Gemeinde-Einkommensteuer 14,9 Mill., die Mietssteuer 13,4 Mill, die Haussteuer 4,6 Mill. Mk. Das Schulwesen erforderte bei einer Ausgabe von 15,9 Mill. Mk. 13,9 Mill., die Armenpflege bei einer Ausgabe von 7,3 Mill. 6,5 Mill. Mk. an Zuschüssen. Ende März 1889 betrug die städtische Schuld 163⅓ Mill. Mk., wovon für die städtischen Werke 121 Mill. verwendet sind (Kanalisation 70,6 Mill., Markthallen 16,2 Mill., Zentralviehhof 11,5 Mill., Wasserwerke 12,2 Mill., Gasanstalten 10,3 Mill.). Die Aktiven des Kämmereivermögens beliefen sich im März 1888 auf 399 Mill. (davon Grundbesitz 244,6 Mill., Wert der Betriebsbestände und Vorräte 77 Mill., der Mobilien, Bibliotheken etc. 23,4 Mill., Vermögen der Stiftungen 23,3 Mill., Kassenbestände 22,6 Mill.), die gesamten Passiven auf 204 Mill., woraus sich ein unbelastetes Vermögen der Stadt von 195 Mill. Mk. ergibt.
Zur Litteratur: der amtliche »Bericht über die Gemeindeverwaltung der Stadt B. 1882-88« (Teil 1, Berl. 1889); Virchow und Guttstadt, Die Anstalten der Stadt B. für die öffentliche Gesundheitspflege (das. 1886); Pistor, Das öffentliche Gesundheitswesen in B. (das. 1887); Genée, Hundert Jahre des königlichen Schauspiels in B. (das. 1887); Munk, Die Steuerbelastung der Reichsstädte Wien und B. (Wien 1889); Muther und Hirth, Der Cicerone in der königlichen Gemäldegalerie in B. (Münch. 1889, illustriert); Schwebel, Geschichte der Stadt B. (Berl. 1887-89, 2 Bde).
*Berlin, 2) Nils Johan, Chemiker, geb. 18. Febr. 1812 zu Hernösand in Angermanland, studierte seit
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1830 zu Upsala, war Schüler von Berzelius, promovierte 1833, habilitierte sich 1834 als Dozent der Chemie in Upsala und studierte bis 1837 Medizin; 1839 wurde er Adjunkt der Chemie und Pharmazie am mediko-chirurgischen Institut zu Stockholm, 1845 Professor der Pharmakologie, 1847 Professor in Lund. Er lehrte bis 1862 Chemie und Mineralogie, dann medizinische und physiologische Chemie, wurde 1864 zum Generaldirektor des Medizinalamtes in Stockholm ernannt und trat 1883 in den Ruhestand. 1867 bis 1873 war er Mitglied der Ersten Kammer. Er arbeitete besonders über Mineralchemie und schrieb: »Oorganisk kemi« (3. Aufl. 1870); »In pharmacopoeam suecanam et militarem commentarius medico-practicus« (4. Aufl. 1869). Seine populären Werke: »Lärobok i naturläran« und »Läsebok i naturläran« fanden auch in norwegischer, dänischer, finnischer und deutscher Sprache eine außerordentliche Verbreitung.