Berlichingen
,
Pfarrdorf im Württemberg. [* 3]
Jagstkreis,
Oberamt
Künzelsau, an der
Jagst, mit (1880) 1191 Einw. In der
Nähe
die
Ruinen der
Burg Berlichingen
, des Stammsitzes der
Familie und das
Kloster
Schönthal.
Berlichingen
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Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Berlichingen,
Pfarrdorf im Württemberg. [* 3]
Jagstkreis,
Oberamt
Künzelsau, an der
Jagst, mit (1880) 1191 Einw. In der
Nähe
die
Ruinen der
Burg Berlichingen
, des Stammsitzes der
Familie und das
Kloster
Schönthal.
Berlichingen,
Götz
(Gottfried) von, mit der eisernen
Hand,
[* 4] berühmter
Ritter, geb. 1480 zu
Jagsthausen
im jetzigen
Württemberg, erhielt die ritterliche
Bildung unter Leitung seines Oheims
Konrad von Berlichingen
, in dessen
Gefolge
er auch 1495 den großen
Reichstag zu
Worms
[* 5] und 1496 den zu
Lindau
[* 6] besuchte. Nach dem
Tod seines
Erziehers trat er 1497 in die
Dienste
[* 7] des
Markgrafen
Friedrich IV. von
Brandenburg-Ansbach, folgte unter diesem dem
Kaiser nach
Burgund,
Lothringen,
Brabant und 1499 nach
der
Schweiz.
[* 8] 1500 leistete er dem
Ritter Thalacker in einer
Fehde gegen den
Herzog von
Württemberg mit einigen selbstgeworbenen
Reitern
Hilfe.
Darauf kämpfte er 1502 unter dem
Markgrafen
Kasimir von
Brandenburg
[* 9] gegen
Nürnberg.
[* 10] Der
Ausbruch des
Landshuter
Erbfolgekriegs zwischen
Rheinpfalz und
Bayern
[* 11] rief ihn 1504 zu den
Fahnen des
Herzogs
Albrecht von
Bayern; in diesem
Krieg verlor
er bei der Belagerung
Landshuts durch einen
Schuß aus einer
Feldschlange
[* 12] die rechte
Hand, welche durch eine künstlich von
Eisen
[* 13] gearbeitete ersetzt wurde. Trotzdem focht Berlichingen
unermüdlich bald
Fehden in eigner
Sache aus (15 an der Zahl),
bald leistete er
»Freunden und guten
Gesellen«
Hilfe, meistens zum
Zweck des
Gewinnes an
Beute und Lösegeld, selten zum
Schutz
Unterdrückter. So kämpfte er 1509-11 mit der Stadt
Köln,
[* 14] dann mit dem
Bischof von
Bamberg.
[* 15]
Als er bei
Forchheim 95
Nürnberger und andre Kaufleute überfiel, ward er vom
Kaiser
Maximilian geächtet und erst 1514 gegen das
Versprechen,
14,000
Fl. zu zahlen, von der
Acht befreit. Aber schon 1516
¶
geriet er durch den Franz von Sickingen geleisteten Beistand wieder in Feindseligkeiten mit dem Stift Mainz, [* 17] überfiel sodann auf hessischem Gebiet den auf einer Reise begriffenen Grafen Philipp von Waldeck, [* 18] nahm ihn gefangen und entließ ihn erst nach Erlegung eines Lösegeldes von 8900 Dukaten; deswegen ward er 1518 zum zweitenmal geächtet. Im Krieg des Schwäbischen Bundes 1519 mit Herzog Ulrich von Württemberg focht er auf des letztern Seite. Als Verteidiger der Stadt Möckmühl schlug er alle Angriffe der Verbündeten ab, bis Mangel an Munition und Lebensmitteln ihn 11. Mai zur Übergabe gegen freien Abzug zwang.
Letzterer Artikel der Kapitulation wurde jedoch nicht gehalten und Berlichingen
der Stadt Heilbronn
[* 19] als Gefangener
überliefert. Erst 1522 bewirkten Franz von Sickingen und Georg von Frundsberg seine Befreiung, doch mußte er 2000 Fl. Lösegeld
zahlen und Urfehde schwören. Er zog sich nun auf sein Schloß Hornberg zurück, bis der Bauernkrieg (s. d.) 1525 ihn zu neuer
Kriegsthätigkeit nötigte. Von den Bauern gezwungen, übernahm Berlichingen
auf vier Wochen die Führung des sogen. Odenwalder Haufens
und belagerte mit demselben den Frauenberg bei Würzburg,
[* 20] benutzte aber seine Entsendung gegen das schwäbische Bundesheer,
um sich im Mai wieder auf seine Burg zu begeben.
Obgleich er erklärte, die Führung nur gezwungen und mit der Absicht, Übel zu verhüten, übernommen zu haben, und 1526 auch vom Kammergericht für schuldlos erklärt wurde, ward er doch 1528 auf Antrieb seiner Feinde im Schwäbischen Bund überfallen, in Augsburg [* 21] gefangen gehalten und erst 1530 gegen das Versprechen, sich weder aus dem Umkreis seines Schlosses zu entfernen, noch auf irgend eine Art an den Bundesgliedern Rache auszuüben, freigelassen. Nachdem er 1540 seiner Haft entledigt worden, machte er mit dem Kaiser 1542 Feldzüge nach Ungarn [* 22] gegen die Türken und 1544 gegen Frankreich mit. Er starb auf seiner Burg Hornberg am Neckar und ward im Kloster Schönthal beigesetzt.
Aus seiner von ihm selbst verfaßten Lebensbeschreibung (hrsg. von Pistorius, Nürnb. 1731, Bresl. 1813, und von Gessert, Pforzh. 1843; zuletzt von Schönhuth, 2. Aufl., Heilbronn 1859), die trotz ihrer unbeholfenen Darstellung und mancher Unzuverlässigkeiten ein getreues Gemälde der Sitten jener Zeit, besonders des Adels, gibt, entnahm Goethe den Stoff zu seinem berühmten Schauspiel »Götz von, in welchem aber die historische Treue keineswegs gewahrt ist.
Götz von Berlichingens
eiserne Hand, 1505 nach Götz' eignen Angaben angefertigt, ist eins der ältesten Beispiele künstlicher
Gliedmaßen. Die Hand war durch eine hohle, mit Schnallen befestigte Schiene an dem Vorderarm befestigt, konnte
durch Druck an einem Knopf etwas gebogen werden und war vollkommen aus Stahl gefertigt. Mittels der andern Hand bogen sich die
einzelnen Fingerglieder, wobei ein Stahlzapfen in das am Gelenk befindliche gezahnte Rad einsprang und das Glied
[* 23] in der gegebenen
Stellung festhielt. Durch Druck an einem andern Knopf streckten sich die Finger vermittelst einer Feder.
Ähnlich war die Bewegung des Daumens, so daß Götz vollkommen sicher das Schwert halten konnte. Sie wird noch jetzt in Jagstfeld
gezeigt.
Von Götz selbst stammt die eine der jetzt noch bestehenden zwei Linien des Hauses ab, die Linie Berlichingen
-Rossach; die andre,
Berlichingen
-Jagsthausen, von
Götz' Bruder Hans von Berlichingen
Friedrich Wolfgang von Berlichingen
-Rossach, geb.
1826, Major und Mitglied der Ersten badischen Kammer, 1859 in den württembergischen Grafenstand erhoben, schrieb die »Geschichte
des Ritters Götz von und seiner Familie« (Leipz. 1861).
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Berlichingen,
Graf Friedrich Wolfgang von Berlichingen
-Rossach, Vizepräsident der Ersten badischen Kammer, starb in
Heidelberg.
[* 24]
Haupt der gräflichen Linie Berlichingen
-Rossach ward dessen ältester Sohn, Graf Götz von Berlichingen, geb.
preußischer Leutnant a. D. und Grundherr auf Helmstadt im badischen Kreis
[* 25] Heidelberg.
Haupt der freiherrlichen Linie Berlichingen-Jagsthausen ist Freiherr Götz von Berlichingen, geb.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Dorf im Oberamt Künzelsau des württemb.
Jagstkreises, an der Jagst, hat (1890) 1110 E., Post, Telegraph, [* 26] eine kath. Pfarrkirche (1845), neue eiserne Brücke [* 27] über die Jagst;
Schneidemühle, Mahl- und Ölmühle.
Hier stand die Stammburg der Familie Berlichingen, 3 km entfernt das Kloster Schönthal, jetzt Seminar.
altes schwäb. Adelsgeschlecht, das noch jetzt in zwei Linien, der zu Jagsthausen und der zu Rossach, blüht, von denen die letztere Götz von Berlichingen, die erstere dessen Bruder Hans von Berlichingen (geb. 1476, gest. 1553) zum Ahnherrn hat. Die Linie Jagsthausen wird gegenwärtig durch Freiherrn Götz Otto Ernst von Berlichingen, geb. vertreten, die Linie Berlichingen-Rossach hat den Freiherrn Reinhard Götz von Berlichingen (geb. zum Haupt. – Aus dieser Linie wurde Friedrich Wolfgang Götz von Berlichingen (geb. gest. Abgeordneter des grundherrlichen Adels und zweiter Vicepräsident in der bad. Ersten Kammer, in den württemb. Grafenstand erhoben. Er verfaßte: «Geschichte des Ritters Götz von und seiner Familie» (Lpz. 1861). Sein Sohn Götz Maximilian Erich, Graf von Berlichingen, geb. ist das Haupt dieses gräfl. Zweiges. ^[]
Götz oder Gottfried von, mit der eisernen Hand, ein rechter Typus des Raubrittertums, war 1480 zu Jagsthausen im Württembergischen auf dem Stammschlosse seines Geschlechts geboren. Seit 1498 in das Kriegsleben eingeführt, diente er anfangs dem Markgrafen Friedrich Ⅳ. von Brandenburg-Ansbach; hierauf trat er im Landshuter Erbfolgekrieg (s. Albrecht Ⅳ. von Bayern) zu Albrechts Partei. In diesem Kampfe verlor er bei der Belagerung von Landshut [* 28] die rechte Hand, sie wurde künstlich durch eine eiserne ersetzt, die noch in Jagsthausen gezeigt wird.
Seither führte er dem Landfrieden zum Trotz zahlreiche Fehden, u. a. mit Nürnberg, Köln, Kurmainz. Berlichingen stand 1519 dem Herzog Ulrich von Württemberg gegen den Schwäbischen Bund bei und verteidigte Möckmühl. Wahrscheinlich nicht durch Verrat, sondern bei einem Ausfall gefangen, saß er bis 1522 in Haft zu Heilbronn. Am großen Bauernkriege (s. d.), 1525, nahm er, wie er selbst sagt, gezwungen als Hauptmann der Aufständischen Anteil, entwich indessen, als der entscheidende Zusammenstoß mit dem Heere des Schwäbischen Bundes bevorstand.
Vom Kammergericht für schuldlos erklärt, wurde er doch 1528 von Dienern des Schwäbischen Bundes niedergeworfen und, als er seinem Gelöbnis treu sich in Augsburg stellte, dort 2 Jahre in Haft gehalten, worauf er die nächsten 11 Jahre in einer Art von halber Gefangenschaft auf Schloß Hornberg zubringen mußte. Der Kaiser verwendete ihn nach seiner Befreiung 1542 im türk. und 1544 im franz. Feldzuge. Berlichingen starb Seine Selbstbiographie wurde zuerst hg. von Pistorius (Nürnb. 1731; Neudruck von Bieling, Halle [* 29] 1886), später von Schönhuth (2. Aufl., Heilbr. 1859); sie wurde die Quelle [* 30] für Goethes «Götz». –
Vgl. F. W. Götz Graf von Berlichingen-Rossach, Geschichte des Ritters Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (Lpz. 1861).