Titel
Bergbahnen
,
Schienenwege, die auf Anhöhen oder
Berge führen, bei meist geringer Länge außergewöhnliche
Steigungen
aufweisen und gewöhnlich in keiner
Verbindung mit andern
Bahnen stehen. Überführungen von Eisenbahnen über Gebirgszüge,
die
Verbindungen mit andern
Bahnen herstellen, pflegt man nicht als Bergbahnen
, sondern als
Gebirgsbahnen oder
Höhenbahnen
zu bezeichnen. Zu letztern gehören die
Semmeringbahn (s. d.), die
Brennerbahn (s. d.), die Himalajabahn (s. d.),
die Cordilleren-Eisenbahnen (s. d.) u. a. Wegen
der bedeutenden
Steigungen bei den Bergbahnen
kommt selten das Adhäsionssystem (s. Eisenbahnsystem)
zur Anwendung, vielmehr werden die in der Regel nach außergewöhnlichem Bahnsystem ausgeführt. Man
unterscheidet bei Bergbahnen:
1) Adhäsionsbahnen und
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zwar a. mit gewöhnlicher, bergbahnen
mit vermehrter Adhäsion;
2) Seilbahnen; [* 3]
3) Zahnradbahnen. Für Steigungen bis zu 70 m auf 1 km können noch Bergbahnen
mit gewöhnlichem Adhäsionsbetrieb ausgeführt werden
(Ütli-Bergbahn bei Zürich,
[* 4] Bahn von Mädenswyl nach Einsiedeln mit 50 m Steigung auf 1 km). Bei größern Steigungen muß die natürliche
Reibung
[* 5] (Adhäsion) vermehrt werden. Bei dem Fellschen System wird dies durch wagrechte Rollen
[* 6] erreicht, die durch Dampfcylinder
mittels Federn gegen eine in der Mitte des Gleises liegende erhöhte Schiene gepreßt werden (s.
vorstehende
[* 2]
Fig. 1).
Bei den Seilbahnen erfolgt die Fortbewegung der Fahrzeuge mittels eines Seiles entweder durch Übergewicht (Ladung oder Ballast) der thalwärts rollenden Wagen oder durch feststehende Dampfmaschinen, [* 7] mit denen der Zug durch ein Seil verbunden ist. Die Seilbahnen sind besonders bei Bergwerksbetrieben (s. Bergwerksbahnen) gebräuchlich, haben aber auch bei den großen Eisenbahnnetzen zur Überwindung großer Steigungen auf kurzen Strecken Verwendung gefunden. (S. Seilebenen und Drahtseilbahnen.) Bei den Zahnradbahnen greifen unter dem Kessel der Lokomotiven befindliche Zahnräder senkrecht (System Riggenbach, [* 2] Fig. 2) oder wagerecht in eine oder mehrere in der Mitte des Gleises liegende Zahnstangen ein.
Der Gedanke, anstatt glatter Schienen gezahnte zu verwenden, ist schon 1811 von Blankensop gefasst und bei
Industrie- und Bergwerksgleisen verwertet worden (s. Eisenbahnen, Geschichtliches); dem damaligen
schwachen Oberbau konnte ein starker Raddruck nicht zugemutet werden, es mußte daher zur Erhöhung der Zugkraft die Reibung
vermehrt werden. Nach Vervollkommnung des Oberbaues wurde das Zahnrad für mäßige Steigungen entbehrlich und später nur
noch für Bergbahnen
angewendet. In Europa
[* 8] verschaffte Riggenbach dem Zahnradsystem Anerkennung durch die 1871 eröffnete
(erste) Zahnradbahn von Vitznau auf den Rigi. Andere Systeme wie das Wetlische (mit Schraubenwalze) bewährten sich weniger.
Die nach demselben erbaute Bahn von Wädenswyl nach Einsiedeln wurde nach einem eingetretenen
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Unglücks-756 fall in eine Reibungsbahn umgewandelt. Neuerdings gewinnt das Abtsche System immer mehr Oberhand. Dasselbe vereinigt Adhäsions- und Zahnradbetrieb; der Zahnradmechanismus wird nur bei größerer Steigung in Thätigkeit gesetzt. Von andern derartigen gemischten Systemen unterscheidet sich das Abtsche System dadurch, daß die Abtsche Lokomotive [* 10] nach Ausschaltung der Zahnräder mit der Geschwindigkeit einer Adhäsionslokomotive fahren kann.
Das Abtsche Zahnradsystem ist in Deutschland
[* 11] 1885 bei der Harzbahn von Blankenburg über Elbingerode nach Tanne
[* 12] zur Anwendung
gekommen; in Österreich
[* 13] sind mehrfach Zahnradbahnen nach dem Abtschen System geplant und eine solche zwischen Eisenerz und
Vordernberg in der Ausführung. Von Adhäsionsbergbahnen
sind zu nennen: die Rigi-Scheideckbahn (6,620
km) und die Ütli-Bergbahn (9,050 km). Seilbahnen bestehen auf den Croix Rousse bei Lyon
[* 14] (0,490 km), auf den Ofener Schloßberg
(0,800), auf den Mount-Auburn in Cincinnati (0,260), in Jersey-City (Amerika),
[* 15] Lausanne-Ouchy (1,480), zum Gießbach (Schweiz,
[* 16] 0,320), auf den Vesuv
[* 17] (0,820), Territet-Glion (0,600), Gütschbahn bei Luzern
[* 18] (0,162), Marzilibahn bei Bern
[* 19] (0,105),
Lugano-Bahnhof (0,248), Biel-Magglingen (1,625), Bürgenstockbahn (0,827), Havre-La Côte (0,330), Neapel-Bomero (0,561), Monte-Santo
(0,796), San Salvatore (1,650), Zürichbergbahn (0,167), Beatenbergbahn (1,598), in Pittsburgh (Amerika, 0,190 km), ferner zum
Heidelberger Schloß und Durlach-Turmberg.
Von Zahnradbahnen sind im Betriebe: die bereits oben erwähnte von Vitznau nach Rigi (6,860 km), von Arth nach Rigi (11,480), Nußdorf-Kahlenberg (5,500), Budapest-Schwabenberg (8,030), Rorschach-Heiden (7,108), Wasseralfingen (1,790), Rüti, Kanton Zürich [* 20] (1,130), Friedrichssegen bei Oberlahnstein (2,500), Rüdesheim-Niederwald (2,300), Altmannshausen-Niederwald (1,450), Geisberg (5,500), die Bahn auf den Pilatus (4,270) und die gleichfalls schon oben angeführte Linie von Blankenburg nach Tanne (27 km);
ferner die Sektion Lauterbrunnen-Grütschalp (1,272 km) der Lauterbrunnen-Mürrenbahn, deren Fortsetzung bis Mürren (4,3 km) eine elektrische Adhäsionsbahn ist;
die Monte-Generosobahn (9,3 km);
die Schafbergbahn (5,8 km);
die Brienzer Rothhornbahn (7,784 km), eröffnet, ist die höchste Alpenbahn und 67 m höher als die Pilatusbahn;
die Sektion Hirschsprung-Hinterzarten der Höllenthalbahn (17,175 km);
die Wengernalpbahn von Lauterbrunnen
nach Grindelwald (17,91 km), die Schynige Plattebahn (7,2 km), die Glion-Nayebahn (7,65 km), die elektrische Zahnradbahn auf
den Mont-Salève bei Genf.
[* 21] Geplant sind außerdem Bergbahnen
von Zermatt einerseits auf den berühmten Aussichtspunkt Gornergrat, andererseits
auf das Matterhorn, sowie von Aibling in Bayern
[* 22] auf den Wendelstein (s. d.) u. a. Wegen des
Planes einer Bahn auf die Jungfrau s. d. Von außereurop.
Zahnradbahnen ist die 5,4 km lange, 1867 zur Ersteigung des höchsten und schönsten Punktes der Weißen Berge in Amerika erbaute Bahn auf den Washington [* 23] zu erwähnen. –
Vgl. Heusinger von Waldegg, Handbuch für specielle Eisenbahntechnik, Bd. 1 (Lpz. 1877);
Weber, Schule des Eisenbahnwesens (4. Aufl., ebd. 1885);