altes niedersächs. Adelsgeschlecht, das sich wahrscheinlich am Ende des 13. Jahrh, von der noch blühenden
Familie von Jeinsen abzweigte
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und sich nach der von ihr erbauten BurgBennigsen bei dem Pfarrdorfe gleichen Namens im hannov. Kreise
[* 3] Springe benannte. Hier erscheinen
die Bennigsen urkundlich zuerst 1311 als Vasallen der Grafen von Schaumburg. Mit den Söhnen Johanna von Bennigsen, gest. 1618, entstanden
die beiden noch gegenwärtig blühenden Linien zu Banteln und zu Bennigsen. Der (ältern) Linie
zu Banteln gehörte der 1813 in den russ. Grafenstand erhobene russ.
GeneralLevin Aug. Theophil von Bennigsen (s. d.) an. Sein Sohn ist GrafAlexanderLevin von Bennigsen (s. d.), ehemaliger hannov. Minister.
Zur (jüngern) Linie zu Bennigsen gehören der kursächs. Generallieutenant Gustav Adolf von Bennigsen, der im Bayrischen
Erbfolgekriege die kursächs. Armee in Böhmen
[* 4] befehligte, der gegenwärtige Besitzer des Ritterguts Bennigsen, Rudolf von Bennigsen (s. d.),
sowie der Zweig der von Bennigsen-Foerder.
AlexanderLevin, Graf von, hannov. Staatsmann, Sohn des folgenden, geb. zu Zakret bei Wilna,
[* 5] kam 1818 nach
Hannover,
[* 6] studierte seit 1826 zu Göttingen
[* 7] Jurisprudenz, trat dann in den Staatsdienst und ward 1835 dem
Ministerium des Innern zugeteilt, nahm aber 1840 aus Gesundheitsrücksichten seine Entlassung. 1841 trat er in die Erste
Kammer der hannov. Ständeversammlung und wurde in demselben Jahr zum Mitgliede des Obersteuerkollegiums und der Generaldirektion
der indirekten Steuern ernannt. 1848 beauftragte ihn der König mit der Bildung eines neuen Ministeriums,
in dem er außer dem Präsidium das Portefeuille des Auswärtigen und des königl. Hauses übernahm.
Mit Stüve vertrat er in demselben gemäßigt liberale Anschauungen. Ende Febr. 1850 wurde Bennigsen mit einer Sendung nach Wien
[* 8] in
betreff der deutschen Angelegenheiten betraut. Am 28. Okt. trat das Ministerium zurück. Bennigsen, der
bereits 1849 von den größern Grundbesitzern des 9. Wahlbezirks in die Erste Kammer gewählt worden war, wurde 1851 deren
Präsident; 1856 trat er für Osnabrück
[* 9] in die Zweite Kammer und wurde auch hier zum Präsidenten gewählt. Aber da er mit
großer Energie die ständischen Rechte gegen die reaktionären Bestrebungen des Ministeriums Borries vertrat,
verweigerte die Regierung ihm als pensionierten Staatsminister den Urlaub zur Teilnahme an der Ständeversammlung. Erst 1864 nahm
Bennigsen als Vertreter der Hauptstadt wieder seinen Sitz in der Zweiten Kammer ein, die ihn abermals zum Präsidenten wählte. Nach
der Annexion Hannovers schloß sich Bennigsen der wölfischen Partei an und war als Reichstagsmitglied (1881-83)
Hospitant der Centrumspartei. Er starb in Banteln (Reg.-Bez. Hildesheim).
[* 10]
Levin Aug. Theophil, Graf von, russ. Feldherr, Sohn des braunschw. Oberst Bennigsen, geb. zu
Braunschweig,
[* 11] wurde 1755 Page am kurhannov. Hofe, 1759 Fähnrich in der hannov. Fußgarde und rückte im
Lauf des Siebenjährigen Krieges, erst 17 J. alt, zum Kapitän auf, nahm aber schon 1764 den Abschied. 1773 als Premiermajor
in der russ. Armee angestellt, focht Bennigsen 1774 unter Rumjanzow gegen die Türken, 1788 als Oberst unter Potemkin bei dem
Sturm von Otschakow.
Als Brigadier zeichnete er sich 1792 in Litauen im kleinen Kriege aus. In dem poln. Kriege 1793-94 führte ein Kommando mit solchem
Erfolge, daß ihm die höchsten Orden
[* 12] und ein Ehrensäbel zu teil wurden. In demKriege gegen Persien,
[* 13] 1796, trug er wesentlich
zur Eroberung von Derbent bei. Unter KaiserPaul wurde er 1798 Generallieutenant, fiel dann
aber in Ungnade
und beteiligte sich infolgedessen an der gegen das Leben des Kaisers gerichteten Verschwörung. Er führte in der Nacht vom die
Verschworenen in das Schlafzimmer des Kaisers und trug durch seine Energie das meiste zum Gelingen der
Mordthat bei.
Alexander I. ernannte ihn 1802 zum General der Kavallerie. In den beginnenden Kämpfen mit Frankreich erhielt Bennigsen das Kommando
der sog. Nordarmee, die aber 1805 nicht zur Verwendung kam; 1806 bildete dieses Korps wieder
unter B.s Befehlen einen Teil der Armee in Preußen.
[* 14] Am gelang es Bennigsen, bei Pultusk die Angriffe
des Marschalls Lannes zurückzuschlagen. Durch die blutige Schlacht bei Evlau (s. d.) gewann A. den Ruhm, zum erstenmal den
Zauber der Unüberwindlichkeit Napoleons gebrochen zu haben. Am erlitt er jedoch bei Friedland eine entscheidende
Niederlage.
Nach dem Tilsiter Frieden lebte Bennigsen einige Jahre auf seinen Gütern in Litauen; 1812 erschien er ohne Amt
wieder bei der Armee, wo er den thätigsten Anteil an den Intriguen gegen Barclay (s. d.) nahm. Unter Kutusow wurde er Chef des
Generalstabes. Als solcher focht er 7. Sept. in der Schlacht bei Vorodino. Am 18. Okt. kämpfte er bei Tarutino
mit Glück gegen Murat. Von Kutusow nur mangelhaft unterstützt, klagte er diesen bei Araktschejew und beim Kaiser an, er habe
Moskau
[* 15] ohne alle Notwendigkeit dem Feinde überlassen und 18. Okt. den Erfolg absichtlich hintertrieben.
Der Kaiser sendete B.s Denunziationen Kutusow selber zu, und Bennigsen erhielt darauf von diesem
den Befehl, die Armee augenblicklich zu verlassen. Nach Kutusows Tode wußte es aber Bennigsen wieder dahin zu bringen, daß er das
Kommando der in Polen gebildeten Reservearmee erhielt. Mit dieser sog. PolnischenArmee marschierte er im Aug. 1813 nach Böhmen
und von dort mit der Hauptarmee nach Sachsen.
[* 16] In der Schlacht bei Leipzig
[* 17] 18. Okt. führte er die dritte Hauptkolonne, 59000 Mann
stark, focht siegreich und wurde am Abend dieses Tages vom KaiserAlexander in den Grafenstand erhoben.
Dann wurde ihm die BelagerungHamburgs aufgetragen, das die Franzosen aber erst nach dem Frieden räumten. Nach dem Frieden
erhielt er 1815 das Kommando der zweiten Armee im südl. Rußland; Kränklichkeit nötigte ihn, 1815 seine Entlassung zu nehmen.
Er starb erblindet, auf seinem Stammgut Banteln bei Hannover. Bennigsen ist auch als militär.
Schriftsteller aufgetreten in «Gedanken über einige Kenntnisse, die einem Offizier der leichten Kavallerie nötig
sind» (Wilna 1805). Seine handschriftlichen Memoiren sind bis jetzt nicht veröffentlicht.
Rudolf von, Politiker, geb. zu Lüneburg,
[* 18] wo sein Vater, Generalmajor Karl von in Garnison stand,
studierte 1842-45 zu Göttingen und Heidelberg
[* 19] die Rechte, wurde 1846 Amtsauditor in Lüchow, später in Osnabrück, 1850 Justizkanzleiassessor
in Aurich
[* 20] und Osnabrück, dann Vertreter des Staatsanwalts beim Obergericht in Hannover, 1854 Richter am
Obergericht zu Göttingen. Als ihm 1855 und 1856 vom Justizminister der Urlaub zur Ausübung eines Abgeordnetenmandats verweigert
wurde, trat er von seiner amtlichen Stellung zurück und unterzog sich der Bewirtschaftung seines väterlichen Gutes Bennigsen Bei den
Neuwahlen von 1856 ward er von Göttingen in die Kammer gewählt und stellte sich hier an die Spitze der
wenigen Oppositionsmitglieder. Als
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1859 die deutsche Frage von neuem in den Vordergrund trat, entwarf Bennigsen mit Miquel und andern eine von 35 liberalen
Politikern (14. Juli) zu Hannover unterzeichnete Erklärung, worin das Bedürfnis eines deutschen Parlaments sowie einer starken
Centralgewalt unter Preußens
[* 22] Führung betont war. Eine gleichzeitig zu Eisenach
[* 23] tagende Versammlung erstrebte dieselben
Ziele, und so fand 14. Aug. unter B.s Leitung eine größere Versammlung zu Eisenach statt, die eine Vereinigung der Konstitutionellen
und Demokraten zu einer einzigen nationalen Partei als Forderung aufstellte. Am 15. und 16. Sept. wurde in Frankfurt
[* 24] a. M. zur
Durchführung jenes Programms der Deutsche
[* 25] Nationalverein gegründet; Bennigsen ward zum Präsidenten
des geschäftsleitenden Ausschusses gewählt und entwickelte in dieser Stellung eine weitgreifende Thätigkeit. In seinem engern
Vaterlande wirkte er als Abgeordneter fort. Auch auf das Zustandekommen der Synodal- und Presbyterialverfassung der luth.
Kirche Hannovers übte Bennigsen als Mitglied der Vorsynode wesentlichen Einfluß. 1863-66 Führer der Kammermehrheit,
machte Bennigsen vor dem Ausbruche des Krieges von 1866 mit seinen polit. Freunden vergeblich den Versuch, die
Neutralität Hannovers durchzusetzen. Nach der Einverleibung Hannovers in Preußen bildete sich noch im Laufe des J. 1866 unter
B.s Führung die nationalliberale Partei in Hannover. In den Norddeutschen Reichstag und in das preuß. Abgeordnetenhaus durch
den 19. hannov. Wahlkreis (Otterndorf-Neuhaus) gewählt, nahm Bennigsen als Vicepräsident dieser
Körperschaften und einer der Führer der nationalliberalen Partei an der Parlamentarischen Thätigkeit lebhaften Anteil.
Ende 1868 wurde er von den Provinzialständen der Provinz Hannover zum Landesdirektor gewählt. Im Dez. 1870 in das deutsche
Hauptquartier nach Versailles
[* 26] berufen, nahm er an den Beratungen mit den Vertretern Süddeutschlands über
die Verträge zwischen den süddeutschen Regierungen und dem Norddeutschen Bunde teil. Seit 1871 vertrat Bennigsen den Wahlkreis Otterndorf-Neuhaus
auch im DeutschenReichstage. Im Abgeordnetenhause war er 1873-79 Präsident, im Reichstage, zu dessen glänzendsten Rednern
er gehört, Führer der nationalliberalen Fraktion.
Sein Eintritt in das preuß. Ministerium, behufs dessen Bismarck Ende 1877 und Anfang 1878 Unterhandlungen
mit ihm anknüpfte, scheiterte daran, daß Bennigsen die gleichzeitige Berufung einiger Parteifreunde in das Ministerium forderte.
Die dadurch hervorgerufene Spannung zwischen Bismarck und Bennigsen wuchs noch, als Bennigsen den ersten Entwurf des Socialistengesetzes bekämpfte.
Trotzdem aber der Reichskanzler nach den Wahlen von 1878 sich der konservativ-klerikalen Majorität bediente,
um seine Wirtschaftspolitik durchzuführen, blieb Bennigsen doch seiner gemäßigten und regierungsfreundlichen Haltung
treu, auch als ein Teil der nationalliberalen Partei sich 1880 als Liberale Vereinigung von der Fraktion loslöste. Im Juni 1883 legte
Bennigsen dann seine Mandate für den Reichstag und das Abgeordnetenhaus nieder, weil ihm eine erfolgreiche Thätigkeit
im Sinne einer ausgleichenden Politik nicht mehr ausführbar erschien. Er trat erst wieder in die polit.
Laufbahn zurück, als 1887 bei der Auflösung des Reichstags eine Annäherung der nationalliberalen Partei an die Konservativen
eintrat. Bennigsen nahm ein Reichstagsmandat für den 18. hannov. Wahlkreis (Stade)
[* 27] an, das er auch 1890 und 1893 behauptete,
und trat im Reichstage wieder an die Spitze der nationalliberalen Partei,
die 1894 seinen 70. Geburtstag mit vielen Feierlichkeiten
beging. Von Wilhelm II. wurde er 1888 zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover ernannt. -
Vgl. Kiepert, zum 70. Geburtstag
R. von B.s (Hanov. 1894; Schreck, R. von Bennigsen (ebd. 1894).