Ben Jonson
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Ben
Jonson
(spr. dschonnss'n), Ben (eigentlich Benjamin Johnson), engl. Dramatiker, geb. in Westminster zu London
[* 3] als Sohn eines schottischen Geistlichen, der kurz vor der Geburt des Knaben starb. Dieser wurde zwar in eine
gelehrte Schule gebracht, die gedrückte Lage der Familie aber zwang ihn, die kaum begonnenen Studien aufzugeben
und bei seinem
Stiefvater das Maurerhandwerk zu erlernen. Doch konnte der junge Ben diese Beschäftigung nicht lange aushalten, wie er später
dem schottischen Dichter Drummond, der Hauptquelle für Jonsons
Leben, erzählt hat.
Als damals Königin Elisabeth ihren hart bedrängten Truppen in Flandern Verstärkung
[* 4] sandte, ließ deshalb
auch J. sich anwerben;
nach beendetem Feldzug kehrte er nach London zurück: um sich alsbald der Bühne in praktischer und schriftstellerischer
Thätigkeit zuzuwenden. In letzterer Beziehung scheinen die sogen. »Zusätze
zu ältern beliebten Stücken« der Anfang gewesen zu sein. Sehr früh verheiratet, hatte J. nicht lange
darauf das Unglück, einen Schauspieler im Duell zu töten, was ihm eine längere Haft zuzog.
Durch Fürsprache ward er aber wieder in Freiheit gesetzt. Um jene Zeit war auch sein erstes uns erhaltenes Lustspiel: »Every man in his humour« (1598),
entstanden, das nur durch Shakespeares Einfluß zur Aufführung gekommen sein
soll. Die eigentümliche Richtung Jonsons
ist bereits in diesem ersten Stück vollkommen ausgeprägt: der Dramatiker stellt
»jeden in seinem Humor«, d. h. in seinem einseitigen, meist zur Thorheit und Lächerlichkeit gewordenen Wesen, dar. Dieser Humor
bezeichnet also gleichsam die fixierte, stehen gebliebene
Laune, etwas Dauerndes. Wo J. bei Darstellung
dieser »humours« den Boden der Wirklichkeit verläßt und (nach Hurds treffendem Ausdruck) abstrakte Passionen zum Gegenstand
wählt, da wird er fast ungenießbar. Dies ist besonders der Fall in »The silent woman« (1609, deutsch von Tieck in der Shakespeare-Vorschule)
und »Volpone or the fox« (1605),
einem Stück, welches Goethe von jeder weitern Lektüre Jonsons
abschreckte.
Eine gewisse nicht glückliche Mischung phantastisch-konstruktiver und realer Elemente weist alsdann »Cynthia's revels« (1599)
auf: hier wird die Königin Elisabeth, dem Zeitgeist entsprechend, mit einer ans Sinnlose streifenden Schmeichelei als Göttin
verherrlicht, während die Typen der Höflinge um so beißenderem Spott preisgegeben
werden. Charakteristisch
sind die dort eingeflochtenen Gesellschaftsspiele der Herren und Damen vom Hof.
[* 5] Die persönlichen Streitigkeiten aber, in welche
J. durch dies Stück wie durch den gegen Marston und Dekker gerichteten »Poetaster« (1601) verwickelt ward, bewogen ihn, in seinen
nächsten Produktionen von der Gegenwart abzusehen und im »Sejanus« (1605) und im »Catilina« (1611) antike
Stoffe zu behandeln. Von ungleich packenderm Interesse ist das Lustspiel »Bartholomew fair« (1614). Hier wird der Jahrmarkt von
Smithfield mit
¶
all seinen harmlosen Volkslustbarkeiten vor uns entrollt, denen der fanatische Puritaner, zumal in Gestalt des »Rabbi Landes-Eifer«,
den Untergang geschworen hat, und bei aller Breite
[* 7] und vielen ordinären Zügen zeigt das leben
swahre Volksstück den Dichter
als treuen Beobachter und wuchtigen Kämpfer gegen die Puritaner. Dieser Kampf tritt im »Jahrmarkt« ungleich
gestalt- und gehaltvoller hervor als in dem leblosen »Alchemist« (1610),
weicht aber bei der zunehmenden Aussichtslosigkeit dieser Bestrebungen allmählich einer elegischen Resignation, die in »The
sad shepherd« ihren Ausdruck findet: J. sieht hier die Schließung der Theater
[* 8] durch die Puritaner mit voller Deutlichkeit voraus.
War aber J. im ganzen nur wenig vom Beifall des Publikums begünstigt, das er deswegen als »ungelehrt
und possenergeben«
verspottet, so gewann er anderseits und mit vollem Rechte den Beifall des Hofs durch seine unter dem Namen
der »Masques« bekannten, zum Teil allegorischen Gelegenheitsgedichte.
Gerade hier zeigt sich J. von seiner anmutigsten Seite; sein lyrisches Talent, das in frühern Werken nur
gelegentlich durchblitzt, gelangt hier zur vollsten Entfaltung. Allerdings geht die Schmeichelei gegen König Karl I., der
den Jahrgehalt des bereits von König Jakob zum Hofpoeten ernannten Dichters auf 100 Pfd. Sterl. erhöht hatte, bis ins Maßlose,
zumal in der Maske »Verwandelte Zigeuner«, die aber gleichwohl als ein ebenso
kunstreiches wie treues Spiegelbild
vom Hof der absoluten Stuarts betrachtet werden muß. J. starb in dürftigen Verhältnissen.
Sein Grabstein in Westminster Abbey trägt die Inschrift: »O rare Ben J.« Gute Ausgaben seiner Werke besorgten W. Gifford (Lond. 1816, 9 Bde., mit Noten und Biographie; neue Ausg. 1872, 3 Bde., und 1875, 9 Bde.),
Barry Cornwall (das. 1838, neue Aufl. 1853),
Cunningham (1870, 3 Bde.).
Vgl. »Notes of B. Jonson's
conversation
With W. Drummond« (Lond. 1842);
Graf Baudissin, Ben J. und seine Schule (Leipz. 1836, 2 Bde., mit der Übersetzung einiger Stücke);
Mézières, Contemporains et successeurs de Shakespeare (2. Ausg., Par. 1864), worin besonders die kulturhistorische Bedeutung des Dichters berücksichtigt ist, und Symonds, Ben J. (Lond. 1886).