(Bengal), die größte und volkreichste der elf
Provinzen, in welche das britisch-ostindische Kaiserreich
geteilt ist (s.
Karte
»Ostindien«),
[* 2]
wird amtlich als Niederbengalen bezeichnet (the Provinces of Lower
Bengal) und begriff bis 1834 auch die
Nordwestprovinzen (s. d.), bis 1874 noch
Assam (s. d.). Bengalen erstreckt sich von 19¼-28½°
nördl.
Br. und 82-97° östl. L. v. Gr. und grenzt im N.
an die Himalajalandschaften
Nepal,
Sikkim und
Bhutan, im O. an
Assam und
Birma, im
S. an den Bengalischen
Meerbusen,
die
ProvinzMadras
[* 3] und die
Zentralprovinzen, im
W. an die Vasallenstaaten der
CentralIndia Agency und an die
Nordwestprovinzen.
Der Flächeninhalt beträgt 500,247 qkm (9096 QM.) mit 69,536,861 Einw.,
wovon 405,391 qkm (7371 QM.) mit 66,691,456 Einw. unmittelbar
unter britischer
Verwaltung stehen, 94,856 qkm (1725 QM.) mit 2,845,405 Einw.
Lehnsstaaten sind. Die
Provinz begreift das große
Delta
[* 4] des
Ganges und
Brahmaputra nebst dem untern Stromgebiet dieser mächtigen
Gewässer. Die
Ebbe und
Flut erstreckt sich bis über
Dacca hinaus. An den Mündungen des
Ganges und
Brahmaputra haben
Ablagerungen
der
Flüsse
[* 5] die 130 km landeinwärts reichendenSunderbands gebildet, die auf 15,469 qkm (281 QM.) geschätzt
werden.
Früher mit
Wald und
Sumpfpflanzen bedeckt und fast ganz unbewohnt, werden dieselben seit den letzten Jahrzehnten immer eifriger
kultiviert, so daß
Reis und
Zucker
[* 6] gewonnen, Palmbäume gezogen werden und nur die
Küste trostlos blieb. Die Tiefebenen der
Provinz,
Behar und das obere Bengalen, gehören zu den fruchtbarsten Teilen
Indiens. Die
Hügel, welche die
Ebene
begrenzen, sind mit Dickichten bewaldet und enthalten gegen die
Zentralprovinzen hin ausgedehnte
Kohlen- und Eisenlager.
In der kühlen
Jahreszeit
(Dezember bis
Februar) sind
Nebel häufig, die
Nächte feucht und so kühl, daß
Eis
[* 7] noch in
Dacca in
möglichst vorsichtig aufgestellten
Geschirren erhalten wird. Nordweststürme treten im
Februar auf. In der heißen
Jahreszeit
wird die
Hitze im untern Bengalen durch die
Verdunstung der zahlreichen Flußverzweigungen etwas gemildert; im obern Bengalen ist dagegen
die
Luft trocken und von Mitte März ab sehr heiß, das
Wetter
[* 8] dabei veränderlich und infolgedessen ungesund.
Die
Regenzeit beginnt Mitte Juni; vorherrschend ist dabei
Ostwind, dann schwellen die
Flüsse, und große Überflutung tritt
ein. Das untere Bengalen ist in dieser Zeit auf
Strecken von 150 km
Länge, 45-60 km
Breite
[* 9] überschwemmt, so daß man den
Lauf der
Flüsse an vielen
Stellen nur an denLinien von
Bäumen erkennen kann, die dem
Ufer entlang stehen. Im
Herbst
fällt in der
Regel gegen Mitte
Oktober reichlicher
Regen; bleibt er (wie 1873) aus, so leidet die Reisernte, und es gibt ein
Hungerjahr. Bengalen ist ein Hauptherd für die
Cholera, die hier unter dem Einfluß der klimatischen Verhältnisse nur
zu regelmäßig entsteht und ungeheure
Opfer fordert; durchschnittlich kommt auf sie ein
Viertel aller Sterbefälle. Die
Viehzucht
[* 10] ist wie überall in
Indien unbedeutend. Unter den reißenden
Tieren ist besonders der
Tiger zu nennen, eine Merkwürdigkeit
sind die prachtvollen jagdbaren
Tiere in den Dickichten.
Die
Bevölkerung
[* 11] besteht in ihrem
Kern aus eingewanderten Hinterindern vom
Schan-Volk, durch arische
Kolonisten
ihrer
Kultur und zu zwei Dritteln ihrer
Religion, dem Hinduismus, gewonnen, während das andre Drittel, meist den untersten
Schichten angehörig, zum
Islam sich bekennt (nur 128,135 sind
Christen). Dieser Volksstamm heißt von seinem Wohnplatz
Bengali
und zeichnet sich aus durch natürlichen
Verstand, durch
Sinn für Schulbildung und für die Vorteile der
Tagespresse.
Die
Berliner
[* 12]
Akademie der
Wissenschaften zählt mehrere
Bengali, die als
Orientalisten hervorragen, zu ihren Mitgliedern. Die
Haut
[* 13] der
Bengali ist dunkelfarbig und von fettigem Aussehen, der Körperbau zart. Sie pochen auf ihr
Recht, prozessieren gern,
sind mitleidig, aber nicht wahrheitsliebend. Über ihre
Sprache
[* 14] s.
Bengali. Von den Urbewohnern haben sich
viele einzelne
Stämme erhalten. Die
Dichtigkeit der
Bevölkerung ist stellenweise sehr groß, wechselt aber nach
Distrikten.
Rein ackerbauende
Striche, größer als das Großherzogtum
Oldenburg,
[* 15] sind im
Durchschnitt von 14,000
Menschen auf der QMeile
bewohnt, und einzelne Teile gehören zu den dichtest bevölkerten Landstrichen der
Erde. Die
Auswanderung,
meist nach
Britisch-Guayana oder nach
Westindien,
[* 16] ist infolgedessen doppelt so groß wie in allen andern Gegenden
Indiens, hat
aber seit 1856 in keinem Jahr 25,600 überstiegen: 1870 betrug sie nur 9000. - Der Sitz der
Regierung und zugleich Reichshauptstadt
ist
Kalkutta
[* 17] (s. d.). DasGouvernement (Lieutenant-Governorship) umfaßt vier
Provinzen (Bengal,
Behar,
Orissa
und Tschota-Nagpur) und ist in acht regulierte und einen nicht regulierten Regierungsbezirk (divisions) eingeteilt; der Unterschied
zwischen beiden besteht darin, daß die
Verwaltung in den nicht regulierten
Provinzen freiere
Hand
[* 18] hat und nicht so streng an
gerichtliche
Formen gebunden ist.
Sämtliche
Divisionen, die alle von
Kalkutta ressortieren, da eigne Provinzpräsidenten nicht bestehen,
zerfallen wieder in 45
Bezirke.
Englische
[* 19] Einrichtungen sind in der
Landes- und
Justizverwaltung oft genau nachgebildet. Die
Exekutive ist durch die
Aussprüche der
Gerichtshöfe beschränkt, die Polizeigewalt gering; die Lokalverbände dienen hauptsächlich
Besteuerungszwecken. Die Verwaltungsbeamten jeden
Ranges übersteigen 1200 wenig;
die
Polizei zählt 19,447
Mann und Dorfwächter in der Zahl von 187,492. - Unter den
Produkten steht
Reis obenan;
man zählt hier 295
Abarten, und 1877 konnten
während der
Hungersnot in Südindien 17 Mill. Ztr. von
Kalkutta meist nach
Madras versandt werden;
Weizen wird in steigender
Menge gebaut, dagegen ist
¶
mehr
die früher blühende Indigokultur zurückgegangen. Baumwollanbau war bisher in Bardwan bedeutend, wurde aber in den letzten
Jahren mit großem Erfolg auch in der Tarai längs des Himalaja versucht. Die Opiumproduktion in Behar war schon unter den Muselmanen
als Monopol behandelt worden und blieb es unter der englischen Herrschaft; die Versteuerung wurde zuerst 1785 und
zuletzt 1857 geregelt; seit 1853 hat sich der Ertrag mehr als verdoppelt. Thee wird im Himalaja gewonnen; die Kultur hat sich
aber schon über Dacca und selbst Tschota u. Nagpur im SW. der Provinz ausgedehnt, 1883 wurden 6,2 Mill. Pfd. ausgeführt.
Sehr wichtig ist auch die Kultur von Jute
[* 21] (Dschute), Gambir (Präparat aus Nauclea Gambir), Betel etc., ebenso
die Zuckerindustrie und die Seidenkultur. Spezialitäten sind die Lackfaktoreien und die feinen Daccamusseline, die, obgleich
mit der Hand gewebt, in Feinheit des Garns Nr. 380 zählen und sowohl dem Auge
[* 22] als dem Gefühl viel feiner und zarter erscheinen
als Maschinengewebe von weit größerer Feinheit des Garns (vgl. Watson, The textile manufactures of the people of India, 1866).
Die Hafenorte sind: Kalkutta, Tschittagong, Balasor, Kattak und Puri, letztere drei in Orissa.
Kalkutta allein hat einen bedeutenden Verkehr; Tschittagong fängt an, sich zu heben. Wie sehr der Handel im Steigen
begriffen ist, zeigen folgende Zahlen: die Aus- und Einfuhr wertete 1841: 274, 1865: 714, 1871: 1440, 1875 allein in Kalkutta
zur See 1084, zu Lande 920 Mill. Mk. Die Steigerung der Produktion und die Fernhaltung von Hungersnotjahren wegen Trockenheit
wird durch Bewässerungsanlagen angestrebt, welche insbesondere in Orissa und in Behar eine große Ausdehnung
[* 23] erhalten haben.
Die Hauptlinie der Eisenbahnen geht von Kalkutta direkt nach Behar mit einer Nebenlinie dem Ganges entlang; gegen O. ist eine
Bahn vollendet bis Kuschtea und Golunda und jenseit des Ganges nordwärts fortgeführt bis zum Fuß des Himalaja. Dem Mangel
an brauchbaren Seitenstraßen sucht das wichtige Gesetz von 1871 abzuhelfen, das die Ausgaben hierfür
dem Distrikt überweist, und zu dessen Durchführung eine Einschätzung aller Grundbesitzer, einschließlich der Zeitpachter,
stattfindet. - Die Einnahmen und Ausgaben betragen durchschnittlich 350 Mill. Mk. im Jahr.
Bengalen stand bis 1203 unter Hindu-Radschas, und die Hauptstadt des Landes war gegen das Ende dieser Dynastie
wie unter den Muselmanen
das jetzt zerstörte Gaur unterhalb Radschmahal am Ganges, mit mehr als 600,000 Einw. Dann folgten
die Afghanensultane, bis Akbar 1573 Bengalen seinem Reich mit der Hauptstadt Dehli einverleibte. Im J. 1656 erhielten die Engländer
die Erlaubnis, hier Handel zu treiben; 1682 wurde die Präsidentschaft konstituiert, 1773 der Präsident
von Bengalen zum Chef derVerwaltung in ganz Indien ernannt und Kalkutta zur Reichshauptstadt erhoben.
Vgl. außer den jährlich erscheinenden
amtlichen »Reports on the Administration of Bengal« besonders: Barton, Bengal (Lond. 1874);
Hunter, Statistical account of Bengal
(das. 1875, 5 Bde.);
Dalton, Descriptive ethnology of Bengal (Kalkutta 1872; deutsch von Flex, Berl. 1875);
(sanstrit. Vangalam, jetzt ind. Bangala, englisch verderbt zu Bengal), Bezeichnung für vier verschiedene geogr.
Begriffe. I. In weitester Wortbedeutung umfaßte die Präsidentschaft Bengalen des Indobritischen
Reichs folgende Verwaltungsbezirke, die von Bengalen aus ihre Garnisonen erhielten und größtenteils auch noch
erhalten, und von denen die unter 4 - 9 genannten unmittelbar unter dem Vicekönig von Britisch-Indien stehen:
1) Niederbengalen (s. unten III), 2) die sog. Nordwestprovinzen
mit Oudh, 3) das Pandschab, 4) die Centralprovinzen, 5) Kurg, 6) Britisch-Birma (s. Birma), 7) Assam, 8)
Adschmir-Merwara, 9) Berar, 10) Maisur; dazu kamen 11) verschiedene Tributärstaaten. Mit Hinweglassung von Maisur, das seit 1881 wieder
selbständig unter eigenem Radscha ist, sowie von Sindh, das seit 1888 zum Pandschab gehört, würde die Präsidentschaft
in diesem weitesten Sinne auf 2128400 qkm (1891) 165703200 E. zählen. (S. Karte Ostindien I: Vorderindien.)
II. Neuerdings rechnet man aber zur eigentlichen Präsidentschaft Bengalen nur Niederbengalen (einschließlich Kotsch-Bihar und
verschiedene kleinere Tributärstaaten), die sog. Nordwestprovinzen mit Oudh und das Pandschab
mit Sindh, zusammen 1175720 qkm mit (1881) 134908990 E. (darunter 90941807 Hindu, 40039864 Mohammedaner, 2141862
unkultivierte Ureinwohner, 1252173 Sikh [das sind, bis auf 942, sämtliche Sikh Ostindiens], 215301 Christen, 158785 Buddhisten, 118583
Dschain, 1795 Parßi, 1313 Juden, 820 Brahmo, d.h. theistische Hindu). 1891 war die Gesamtzahl 141344700 E. Die Präsidentschaft
besteht aus den neun Divisionen:
1) Präsidentschaftsdivision (the Presidency) mit Kalkutta. der Hauptstadt des ganzen Indobritischen
Reichs, 2) Bardwan, 3) Radschschahi, 4) Dhaka, 5) Tschittagong, 6) Patna, 7) Bhagalpur, 8) Orissa (s.d.) und 9) Tschutia - Nagpur.
Sie ist die umfangreichste, am stärksten bevölkerte und wichtigste der drei Präsidentschaften des Indobritischen Reichs
(s. Ostindien), welche die Flußsysteme des Brahmaputra, des Ganges und des Indus, also (mit Ausschluß von
Nadschputana und der unabhängigen centralind. Staaten) ganz
¶
mehr
Nordindien nördlich vom Windhjagebirge umfaßt. An der Spitze derselben wie der übrigen Präsidentschaften und Kommissariate
steht der Vicekönig-Generalgouverneur mit dem IndischenRate (Viceroy oder Governor-General in Council). - III. Bengalen im engern
Sinne, d. h. die gegenwärtige Lieutenant-GouverneurschaftBengalen oder der Untern Provinzen (Lower Provinces), jetzt meist Niederbengalen
(Lower Bengal) genannt, hat einschließlich Kotsch-Bibar, Berg-Tripura (s. Tripura) und 24 kleinerer Staaten
in Tschutia-Nagpur und Orissa 500372 qkm und (1891) 746321996 E. (darunter 47824000 Hindu, 23658300 Mohammedaner, 192500 Christen
und 194700 Buddhisten) und wird begrenzt im N. von Nepal, Sikkim und Bhotan, im O. von Assam und unerforschter Gebirgsgegend,
im S. von Britisch-Birma, dem Golf von Bengalen, der Präsidentschaft Madras und den Centralprovinzen, im W. von
der zu Centralindien gehörenden Agentschaft Bagalthand und den Nordwestprovinzen. Es steht unter einem Lieuteuant-Gouverneur,
dem ein Parlament beigegeben ist (eine Folge der frühern vorwiegenden Bedeutung B.s), während die beiden andern Lieutenant-Gouverneurschaften
(die sog. Nordwestprovinzen und das Pandschab) eines Parlaments entbehren.
Seit etwa 1888 ist die Lokalverwaltung in Bengalen größtenteils wählbaren einheimischen Gemeinderäten (von den 1800 Mitgliedern
waren 1889 nur 283 Europäer) anvertraut; das Wahlrecht ist durch den Steuercensus beschränkt. Auch läßt man seit dieser
Zeit Eingeborene von Rang in Civil- und Kriminalsachen als unbezahlte Ehrenrichter fungieren. hat vier
Provinzen: Bihar (s.d.), Orissa,(Tschhota- oder) Tschutia-Nagpur und das sog. (IV.) eigentliche Bengalen (Bengal
proper). Die Provinz Bengal proper besteht aus fünf Divisionen: der Präsidentschafts-Division (the Presidency), Bardwan,
Radschschahi, Dhaka und Tschittagong, und zählt (1881) auf 182409 qkm 33185000, (1891) 38114280 E.
Bodengestaltung. Die Lieutenant-Gouverneurschaft Bengalen (III.), von der im folgenden allein die Rede ist, besteht
mit Ausnahme ihres südl. Teils, der Provinz Tschutia-Nagpur, einer sich wellenförmig bis gegen 1000 m ü. d. M. erbebenden
Bergebene, und des östlich an dieselbe angrenzenden TeilsKatak der ProvinzOrissa sowie des im Nordosten des Busens von Bengalen gelegenen
Distrikts Tschittagong fast ganz aus einem sehr niedrig gelegenen Flachlande. Der Himalaja, durch Nepal,
Sikkim und Bhotan von Bengalen getrennt, erstreckt sich in letzteres kaum noch mit seinen untersten Stufen hinein.
Die Niederung von Bengalen bildet die untern Stromgebiete des Ganges und des Brahmaputra. Zwischen den vor der Mündung des aus der
Vereinigung beider hervorgehenden Meghna gelegenen Rabnabad-Inseln und der vor der Mündung des westlichsten,
Hugli genannten Armes des Ganges liegenden Insel Sagar erstrecken sich die Sundarban (s. d.). Durch die Vereinigung des Brahmaputra
mit dem Ganges, die vielen und mächtigen Nebenflüsse zu beiden Seiten des letztern, die zahlreichen, häufig miteinander
in Verbindung stehenden Arme, durch welche er sich in das Meer ergießt, ist Bengalen eins der am besten bewässerten
und an Wasserwegen reichsten Länder auf der Erde. Daher war dasselbe, bis es in verschiedenen Richtungen von Eisenbahnen durchzogen
wurde, sehr arm an Landwegen, und aller Verkehr geschah und geschieht auch jetzt noch hauptsächlich
zu Wasser. Von
den Bahnen sind die wichtigsten und ältesten die Linien von Kalkutta nach Patna und nach Siliguri.
Klima.
[* 26] Bei der hohen, 26,7° C. betragenden mittlern Jahrestemperatur, welche während des kältesten Monats (Januar) nur auf
18,7 sinkt, in dem heißesten Monate (Mai) aber bis anf 41° C. steigt, trägt der Ganges dadurch, daß
er fortwährend eine gewaltige Masse Schlammes mit sich nach unten führt und diesen auf die von ihm durchströmten Niederungen
absetzt, sobald er während der periodischen Regenzeit über seine Ufer tritt, in hohem Maße zu der außerordentlichen Fruchtbarkeit
von Bengalen bei. Diese jährlichen, sich weit über das Delta hinauf erstreckenden Überschwemmungen setzen
namentlich das zwischen dem Ganges und dem Brahmaputra gelegene Land auf Hunderte von Quadratmeilen unter Wasser. Der Regenfall
ist stark, jährlich im Inlande 133, an der Küste bis zu 203 cm.
Flora. Haupterzeugnisse der Pflanzenwelt sind Reis, das Hauptnahrungsmittel, in einer Menge von Spielarten, Weizen,
Gerste,
[* 27] mehrere Arten von Sorghumhirse, Mais, verschiedene Öl- und Hülsenfrüchte, die Ricinus- und Sesampflanze, Ingwer und
Spanischer Pfeffer, die meisten europ. und viele einheimische Gemüsearten. Von Fruchtbäumen
werden hauptsächlich Mangobäume, der ganzblätterige Brotfruchtbaum (ArtocarpusintegrifoliaL.), viele Arten von Citronen-
und Orangebäumen, Tamarinden, Kokos-, Dattel- und Arecapalmen, Bananen, Guava- und Maulbeerbäume gezogen.
Vorzugsweise für den Handel und die Ausfuhr angepflanzte Gewächse sind Baumwolle,
[* 28] Indigo,
[* 29] Kaffee, Jute, Saflor, Hanf, Flachs,
Tabak,
[* 30] Zuckerrohr und für die Gewinnung des Opiums Mohn. Nach dem sog. Monopolsystem ist der Anbau des Mohns nur in ausgewählten
Bezirken B.s gestattet und auch hier nur in beschränktem Maße. Der gewonnene Rohstoff wird dann in zwei
Fabriken für den Markt verarbeitet. 1890 wurden in Bengalen 186300 ha Land der Mohnkultur gewidmet. Bengalen liefert drei Fünftel der
ind. Opiumrevenuen. Auch hat die Theekultur in den letzten 5 Jahren einen großen Aufschwung genommen; 1889 90 betrug
der Wert des ausgeführten Thees 105560000 M.
Fauna. Es kommen Elefanten, Rhinocerosse, wilde Schweine,
[* 31] Antilopen, Hirsche,
[* 32] Rehe, wilde Büffel und wilde Ochsen, von RaubtierenTiger, Panther, Bären, Wölfe, Luchse und Füchse sowie mehrern Arten wilder Hunde
[* 33] vor. Von Affen
[* 34] wimmelt es in allen Wäldern.
Von Haustieren finden sich, außer dem gezähmten Elefanten, Büffel, Rinder,
[* 35] Schweine, Schafe
[* 36] und Ziegen.
Die Pferde
[* 37] sind teils aus Arabien und Persien
[* 38] eingeführt, teils in Bengalen von einheimischer Rasse gezeugt. Letztere stehen bedeutend
hinter den erstern zurück. An Geflügel ist allenthalben Überfluß. Seidenraupen und Bienen, letztere namentlich des Wachses
wegen, werden in großer Menge gezogen.
Mineralien.
[* 39] Auch an mineralischen Produkten zeigt Bengalen großen Reichtum. In Bardwan sind Kohlen-, Eisen- und
Kupferbergwerke. In vielen kommen gewaltige Dampfmaschinen
[* 40] zur Verwendung. Salz
[* 41] wird in Menge in den Sundarban und im Distrikt
Puri gewonnen.
Bevölkerung. Die ungeheure Dichtigkeit der Bevölkerung in einzelnen Gegenden (im Durchschnitt beträgt sie 176 Seelen auf 1 qkm)
ist eine der Ursachen von der in Bengalen trotz seiner überschwenglichen Fruchtbarkeit so häufig vorkommenden
Hungersnot,
¶
mehr
durch welche noch 1866 und 1873-74 viele Hnnderttausende um das Leben kamen. Etwa ein Dritteil der Bevölkerung (31,2 Proz.)
besteht aus Mohammedanern, 65,3 Proz. sind Hindu, der Rest hauptsächlich Buddhisten, Christen und wilde Ureinwohner (s. oben).
Die Mohammedaner sind aber nur zum kleinsten Teile Nachkommen der alten mohammed. Eroberer von Hindustan,
sondern hauptsächlich im Laufe der Zeit zum Islam übergetretene Hindu der niedrigsten Kasten. Dieselben, ungleich verteilt,
leben auch keineswegs vorzugsweise an den frühern Hauptsitzen der mohammcd. Machthaber. Ihre Zahl ist auch im Zunehmen. Hauptsprachen
sind das Bengali, das Urija und das Hindustaui oder Urdu; s. Indische Sprachen). 98 Proz. der Bevölkerung
sind Landbauer; im ganzen sind nur 39 Städte mit mehr als 20000 E. vorhanden.
Die inländische Industrie hat durch die massenhafte, stets zunehmende Einfuhr aller nur denkbaren engl.
Manufakte außerordentlich gelitten. Die früher berühmten, ausgebreiteten Musselinwebereien in Dhaka sind gleich den Baumwollwebereien
zu Balasor fast gänzlich zu Grunde gegangen. In und um Kalkutta bestehen jedoch noch ziemlich bedeutende
Fabriken von groben Baumwollstoffen, Segeltuchwebereien, Seilereien, Zuckerraffinerien, Rumbrennereien und Gerbereien. Zu
Kaßipur, auf dem linken Hugliufer, befindet sich eine Stückgießerei, wo jährlich gegen 200 Kanonenrohre verfertigt werden
können.
Handel und Verkehrswesen. Die Ausfuhr besteht hauptsächlich in Baumwolle, Rum, Reis, Indigo, Zucker, Salpeter,
Lack, Seide,
[* 43] Opium, Kaffee und Tabak, die Einfuhr vorzüglich in engl. Baumwollmanufakten, Salz, Eisen,
[* 44] Kupfer,
[* 45] Stahl und Eisenwaren.
Die Ausfuhr und Einfuhr finden fast ausschließlich über Kalkutta statt. 1889-90 belief sich die Gesamtausfuhr
auf 764 284 339 M., die Einfuhr auf 505 244 218 M. Landwege vermitteln den Verkehr mit Nepal,
Sikkim, Bhotan und Tibet. Durch Eisenbahnen steht Bengalen mit allen Teilen der Vorderindischen Halbinsel in Verbindung. Innerhalb der
Lieutenant-Gonverneurschaft sind die East-Indian- und die Eastern-Bengal-Bahn sowie zahlreiche Provinzialbahnen in Betrieb. 1888 betrug
die Gesamtlänge des Eisenbahnnetzes von Bengalen 3120 km, die der Telegraphenlinien 8176 km. Die Dardschiling-Himalaja-Bahn
gehört zu den großartigsten Gebirgsbahnen der Welt. (S. Himalajabahn.)
Geschichte. Von der ältesten Geschichte von Bengalen (mit Ausnahme etwa von Orissa) ist nur wenig bekannt, und dieses Wenige besteht
zum großen Teil in halb mythischen Legenden. Erst mit den Einfällen der Mohammedaner in Indien werden die Überlieferungen
zuverlässiger. 1203 wurde von letztern Bihar erobert, und 1225 ganz Bengalen mit dem Reiche Dehli vereinigt,
später, 1279, versuchte es der Gouverneur von Bengalen, Tograb, sich unabhängig zu machen. Er nahm den Königstitel
an, unterlag aber in dem zwischen ihm und seinem Gebieter entstandenen Kriege.
Auch die spätern Statthalter wiederholten mit größerm oder geringerm Erfolge den Versuch, sich von
der Herrschaft von Dehli zu befreien, so daß die Geschichte von Bengalen während des Mittelalters nur in einer Reihenfolge
von Revolutionen und Usurpationen für kürzere oder längere Zeit bestand. Von 1539 bis 1576 stand Bengalen unter der afghan.
Dynastie, die von ihrem Stifter, dem hervorragenden Herrscher und Erbauer großartiger Verkehrswege, Scher
Schah den Namen
trägt.
Erst dem Großmogul Akbar gelang es, Bengalen wieder mit dem Reiche von Dehli zu vereinigen. Seit 1585 wurde es von «Subadar», d. h.
Provinzinhabern verwaltet. Als die Engländer 1634 die Erlaubnis erhalten hatten, in Bengalen Handel zu treiben, errichteten sie
daselbst Faktoreien und breiteten sich mehr und mehr aus. Unter ihren Faktoreien waren die zu Hugli und Quaßimbasar die bedeutendsten. 1698 erhielten
sie das Recht, dieselben zu befestigen. Vier Jahre später verlegten sie die Faktorei von Hugli nach dem gegenwärtigen Kalkutta,
nachdem sie diesen Ort sowie Sutanati und Gobindpur angekauft hatten. 1756 vertrieb der Statthalter von
Bengalen, Siradschud-daula, ein erbitterter Feind der Engländer, dieselben aus Quaßimbasar und rückte vor Kalkutta,
welches sich nach kurzer Verteidigung ergeben mußte. 146 gefangene Engländer wurden in ein unter dem Namen «black hole»
(schwarze Höhle) berüchtigt gewordenes Gefängnis geworfen, wo der größte Teil von ihnen umkam.
Der GeneralgouverneurClive aber nahm 1757 Kalkutta wieder ein. Der Friede wurde geschlossen; aber sehr bald kam es zu neuen
Feindseligkeiten, welche zu der die Macht der Engländer in Indien begründenden Schlacht von Palaschi (englisch Plassy) führten.
Wenige Jahre später, 1765, wurden von dem Großmogul Schah Alam die Provinzen (Suba) Bengalen, Bihar und Orissa
an die Englisch-Ostindische Compagnie übertragen. Die weitere geschichtliche Entwicklung B.s fällt mit der Ostindiens zusammen.
Litteratur.
Vgl. Dalton, Descriptive ethnology of Bengal (Kalk. 1872);
Barton, Bengal. An account of the country from the
earliest times (Lond. 1874);
Hunter, Statistical account of Bengal (5 Bde., ebd.
1875);
Murray, Handbook of the Bengal presidency (ebd. 1882);