Benedix
,
Julius Roderich, Lustspieldichter, geb. zu Leipzig, [* 2] besuchte die Thomasschule seiner Vaterstadt, folgte aber seiner Neigung für das Theater [* 3] und ward 1831 Schauspieler. Er spielte bei der damaligen Bethmannschen Gesellschaft während zweier Jahre in Dessau, [* 4] Bernburg, [* 5] Köthen, [* 6] Meiningen [* 7] und Rudolstadt, [* 8] fand dann ein Engagement in Westfalen [* 9] und später am Rhein und trat in Minden, [* 10] Paderborn, [* 11] Kleve, Krefeld, [* 12] Mainz [* 13] und Wiesbaden [* 14] auf, bis er 1838 nach Wesel [* 15] am Niederrhein kam.
Hier gelang es ihm 1841, sein erstes
Schauspiel: »Das bemooste
Haupt«, auf die
Bühne zu bringen, das mit dem entschiedensten
Beifall die Runde über fast alle
Bühnen
Deutschlands
[* 16] machte. Nicht mindern Erfolg hatte sein zweites
Stück:
»Doktor
Wespe«. Benedix
übernahm darauf in
Wesel die Redaktion des »Sprechers«, einer Volkszeitschrift, siedelte
aber 1842 nach
Köln
[* 17] über, wo er sich durch vielbesuchte Vorlesungen über
Goethes
»Faust« einführte. Im J. 1844 übernahm
er die technische
Direktion des
Theaters in
Elberfeld,
[* 18] die er ein Jahr lang führte, und wirkte seit 1847 in
gleicher
Eigenschaft an der
Kölner
[* 19]
Bühne unter
Gerlachs
Direktion, während er zugleich wieder Vorlesungen über die jüngsten
Lyriker und
Dramatiker
Deutschlands vor einem ausgewählten
Publikum hielt.
Als in
Köln die
Rheinische Musikschule organisiert wurde, erhielt auch Benedix
eine Lehrerstelle an derselben.
Im J. 1855 ward er
Intendant des Stadttheaters zu
Frankfurt
[* 20] a. M., legte jedoch 1859 diese
Stelle nieder und kehrte nach
Köln
zurück.
Später lebte er, geistig immer thätig, aber in den letzten
Jahren körperlich leidend, zu
Leipzig, wo er starb.
Als dramatischer Dichter hat Benedix
Erfolge geerntet wie nach
Kotzebue kaum ein Lustspieldichter. Die meisten
seiner
Lustspiele wurden Lieblingsstücke des deutschen
Volks.
Mit dem glänzendsten Erfolg wurden außer den genannten »Der
Steckbrief« »Der alte
Magister«, »Der
Vetter«,
»Eigensinn«, »Der
Prozeß«, »Die Hochzeitsreise«, »Die
Eifersüchtigen«, »Die Männerfeinde«, »Ein
Lustspiel«, »Das Gefängnis«, »Die
zärtlichen Verwandten«, »Der Liebesbrief«, »Das
Lügen«, »Die Schuldbewußten«,
»Aschenbrödel«, »Das Stiftungsfest« und das
Schauspiel
»Mathilde« gegeben. Selbst über
Deutschlands
Grenzen
[* 21] hinaus haben Benedix'
Stücke
Anerkennung gefunden.
Benedix'
Hauptstärke liegt weder in der
Charakteristik, die sich selten über die photographische Wiedergabe behaglicher und etwas
zuversichtlicher Durchschnittsmenschen erhebt, noch in einer poetischen
Grundanschauung der
Welt, sondern
in der
Fülle der
Situationen, im bunten, unterhaltenden
Wechsel einer belebten Szenerie, in den heitern
Kombinationen des
Zufalls,
in den Verwickelungen und
Verwechselungen, in der genauen Kenntnis des
Theaters und seiner althergebrachten, aber immer wirksamen
Effekte.
Dazu gesellen sich ein frisch beweglicher Dialog, dessen Hausbackenheit sich mit der gleichen Eigenschaft der Figuren deckt, ein nicht glänzender und reicher, aber kerniger Witz, eine gewisse moralisierende Richtung, welche sich von alters her sicherer Wirkung erfreut. Auch als Volksschriftsteller und Erzähler hat sich in »Deutschen Volkssagen« (Wesel 1839-41, 6 Bdchn.; neue Ausg. 1851),
seinem »Niederrheinischen Volkskalender« (1836-42),
dem »Gedenkbuch für das Leben« (das. 1841),
den lebendigen »Bildern aus dem Schauspielerleben« (2. Aufl., das. 1851) und dem Roman »Die Landstreicher« (das. 1867) versucht. Von seinen sonstigen Schriften sind »Der mündliche Vortrag« (3. Aufl., Leipz. 1871, 3 Bde.),
»Das Wesen des deutschen Rhythmus« (das. 1862),
»Katechismus der deutschen Verskunst« (2. Aufl., das. 1879),
»Katechismus der
Redekunst« (3. Aufl., das. 1881) zu nennen. Das posthume
Werkchen »Die Shakespearomanie. Zur Abwehr« (Stuttg.
1873), worin der britische Dichterheros von einem unglaublich beschränkten, rechthaberisch-nüchternen Standpunkt aus verurteilt
wird, wäre zu
Ehren Benedix'
besser ungedruckt geblieben. Die große
Mehrzahl seiner Bühnenstücke ist in seinen
»Gesammelten
¶
mehr
dramatischen Werken« (Leipz. 1846-74, 27 Bde.) enthalten; außerdem erschien eine Auswahl der größern Lustspiele in 20 Bänden (»Volkstheater«, das. 1882) und eine Sammlung der kleinern Stücke unter dem Titel: »Haustheater« (8. Aufl., das. 1880).