Hauptstadt der gleichnamigen
Division in den
Nordwestprovinzen
des indobritischen
Reichs, liegt
76,7 m ü. M. am linken Gangesufer,
an der
EisenbahnKalkutta-Dehli, von welcher hier dieBahn nach
Audh abzweigt, und ist eine der größten
und merkwürdigsten
StädteIndiens, seit undenklichen
Zeiten der Hauptsitz brahmanischer
Gelehrsamkeit wie des indischen Religionskultus
und als die heiligste Stadt der
Hindu der besuchteste indische Wallfahrtsort. 8000
Häuser sind
Eigentum der
Priester, und die
Bewohner derselben leben fast nur von den täglichen
Opfern und
Almosen der
Pilger.
Viele vornehme
Hindu der verschiedensten
Länder unterhalten hier ihre eignen
Pagoden und zahlen beträchtliche
Steuern an die
Priester und
Armen; viele
FürstenIndiens, deren Besitzungen einigermaßen entfernt liegen, haben sich in Benares besondere
Paläste
erbaut, wo sie sich während der Festzeiten aufhalten können, und wo sie im
Alter, von den Sorgen des
Staats entbunden, gern ihre letzten
Tage hinbringen; denn wer in der heiligen Stadt in der
Gunst der
Brahmanen stirbt mit der
Gewißheit, daß seine
Leiche dereinst in den
Ganges geworfen wird, ist sicher, unmittelbar in den
Schoß der
Gottheit aufgenommen
zu werden.
Hunderttausende pilgern zu gewissen Festtagen hierher. Die
Treppen
[* 2]
(Ghats), welche vom hohen
Ufer zum
Ganges
hinabführen, sind selbst während der heißesten
Stunden des
Tags (die mittlere Jahrestemperatur ist 26,6° C.) beständig
mit
Gruppen von Männern, Weibern und
Kindern bedeckt, die ihre
Gebete und
Abwaschungen verrichten oder ihre
Krüge
[* 3] mit demWasser
des heiligen
Stroms füllen. Dieses
Wasser, das gesund sein und angenehm schmecken soll, gilt als das kostbarste
Opfer. Es wird
in runden
Krügen auf der
Schulter bis nach der Südspitze
Indiens getragen; jeder Vornehme nimmt Gangeswasser mit zurück und
bringt reiche
Opfer hierher. Auch ist die Versendung des
Wassers ein wichtiger Industriezweig geworden;
sie geschieht neuerdings in Glasflaschen, die massenhaft aus
Europa
[* 4] bezogen
werden. - hat 1454 Hindutempel, 272
Moscheen, und
damit jeder Weltglaube vertreten sei, ließ der
Fürst von
Nepal auch einen buddhistischen
Tempel
[* 5] daselbst erbauen.
Die prächtigste und majestätischte
Ansicht gewährt die Stadt vom
Ganges aus, dessen
Breite
[* 6] in der Zeit
vollen Wasserstandes 780 m erreicht und nur auf kurze Zeit auf 540 m sinkt. Da fesseln besonders die Umgebungen des Dasamedh
Ghat, wo jeder
Hindu aussteigt, um Gott
Brahma seine Verehrung darzubringen; weiter abwärts überragt die
MoscheeAurengzibs
alle Gebäude mit ihren wunderbar schlanken
Minarets, die bei 34,7 m
Höhe (vom
Pflaster gemessen) unten
2,5,
oben 2,2 m
Durchmesser haben.
Zwischen
Palästen und
Tempeln stehen aber auch wieder ärmliche
Häuser, und das
Innere der Stadt bietet architektonisch wenig
Sehenswertes. Die Geschäftsstraßen sind, wie anderwärts, eine Reihenfolge von Verkaufsläden und in den Geschäftsstunden
der Schauplatz regenVerkehrs. Das saubere englische
Viertel (Sikraul) enthält eine
Kirche, ein
Hospital,
Kasernen, ein
Schulhaus, Polizeigebäude, eine
Bank. Zudringlich sind die Bettler und Tempelhüter, die den
Pilger auf
Schritt
und
Tritt begleiten und unermüdlich sind im Almosenheischen. Die
Bevölkerung
[* 7] von Benares betrug 1881: 199,700 Einw., darunter
151,334
Hindu, 47,234 Mohammedaner und 1130
Christen. - Benares war im 6. Jahrh.
v. Chr. der
Mittelpunkt der
Religion
des
Buddha, der hier zuerst »das
Rad seiner
Lehre
[* 8] drehte«, ein Ereignis, das durch einen kolossalen
Stupa oder Reliquienbehälter, 5 km
nördlich der Stadt, der Nachwelt überliefert wurde. Jetzt ist die
¶
mehr
Stadt Hauptkultusstätte des großen und zerstörenden GottesSiwa, dessen schöpferische Kraft
[* 10] im Linga (s. d.) verehrt wird,
welches als formloser Stein überall aufgestellt ist. 1194 von Mohammed Ghori eingenommen, verblieb Benares 600 Jahre lang unter
mohammedanischer Herrschaft, und einzelne Gebieter rühmten sich, ein volles Tausend Hindutempel eingeäschert zu haben. Später
erhielten die Nawabs von Audh die Regierung über Benaresübertragen; seit beherrschen die Engländer
die Stadt.
Vgl. Sherring, The sacred city of the Hindus (Lond. 1868);
1) Division der Lieutenant-Gouverneurschaft der Nordwestprovinzen des Indobritischen Reichs, grenzt im N. und O. an die Division
Patna der Präsidentschaft Bengalen, im S. an tributpflichtige Staaten Centralindiens, im W. an die Divisionen Allahabad und
Mirath (engl. Meerut) der Nordwestprovinzen, hat 47491 qkm, (1891) 10632190, (1881) 9820728
E., darunter 8759446 Hindu und 1056351 Mohammedaner, und 7 Distrikte: Asamgarh, Mirsapur, Benares, Ghasipur, Gorakhpur, Basti und
Ballia. – 2) Hauptstadt der Division und des Distrikts Benares, das Rom
[* 11] der Hindu, die heiligste Stadt derselben, etwa 8 km lang,
unter 25° 18½’ nördl. Br. und 83° 3’ östl. L., amphitheatralisch auf dem linken Ufer des Ganges, der daselbst eine
hafenförmige Einbuchtung in das Land bildet und eine nach der Jahreszeit wechselnde Breite von 550 bis 850 m bei einer Tiefe
von 25 bis 30 m besitzt. Eine Holzbrücke und eine 1888 vollendete Eisenbahnbrücke vermitteln den Verkehr
mit dem rechten Ufer. Die am Ufer liegende Stadt der Hindu bildet ein Labyrinth dunkler, feuchter, schmutziger und so enger
Straßen, daß kaum der Elefant
[* 12] allenthalben durchkommen kann. Wagen sind in ihnen nicht zu brauchen. Die Häuser, deren
Zahl sich 1872 auf 35741 belief, sind drei-, häufig aber fünf- bis sechsstöckig, meist mit
¶
mehr
Erkern, Balkonen, Geländern, Kuppeln und runden oder mehr pyramidalischen Domen geschmückt und mit Blumen, Tier-, Menschen- und
Göttergestalten sehr bunt bemalt. Benares ist Mittelpunkt der Verehrung des Schiw oder Mahadeo (sanskritisch: Schiwa oder Mahadewa),
und die Zahl der dieser Gottheit geweihten Tempel (Schiwala) daselbst soll sich auf mehr als 1000 belaufen;
die meisten sind als Bauwerke wenig großartig. Der bedeutendste, älteste, geehrteste und besuchteste ist der des Bischeswar,
d. h. des Herrn der Welt. In allen sind aufrecht stehende Linga aus Stein Hauptgegenstand der Anbetung.
Dem Schiwa geweihte Stiere laufen allenthalben frei in den Straßen umher, während die in den Tempeln der
Durgā früher zahllos herumspringenden Affen
[* 14] jetzt auf Verfügung der engl. Regierung fast ganz verschwunden sind. Von den der
Sekte der Dschain angehörenden Tempeln sind besonders der Man-Mandil sowie der Dschain-Mandil oder Tempel der Dschain, wiewohl
schon im Verfalle, ihrer Architektur wegen bemerkenswert. Hoch über den Man-Mandil erhebt sich die 1693 von
Radscha Tschai-Singh errichtete Sternwarte,
[* 15] die mit ihrem großartigen Instrumentenschatz noch heute in Gebrauch ist. Von den 272 Moscheen
ist die von Aurangseb, unweit des Ganges auf der Stelle eines niedergerissenen Hindutempels erbaut, mit 3 Kuppeln und 2 Minarets
eine der großartigsten. Interessant ist ferner der große Palast des Radschas von Nepal (mit Tempel),
ein äußerst malerischer Baukomplex, dessen Stil an den chinesischen erinnert.
Die Bevölkerung betrug 1881, einschließlich Garnison (6075 Mann), 199 700, 1891: 219 467 E. (Zunahme: 11 Proz.),
darunter 168 691 Hindu, 49 405 Mohammedaner, 1206 Christen, wechselt aber sehr wegen der Menge täglich nach Benares strömender
Wallfahrer und anderer Fremden, die zur Zeit des Ram-Lila, des größten, und des Diwali, des glänzendsten aller zu Benares gefeierten
religiösen Feste mehr als 100000 betragen. Unter der Bevölkerung befinden sich mehr als 20000 Brahmanen, eine sehr große
Anzahl von Bettlern, Landstreichern, Müßiggängern aller Art und von Schmutz bedeckten, fast nackten
Fakiren.
Aber auch viele reiche und vornehme Hindu halten sich zeitweilig oder während der letzten Lebensjahre in Benares auf, teilweise
um dort zu sterben. Lieblingsaufenthalt der Bevölkerung sind die von den Quaien zu dem Ganges hinabführenden Ghat oder Ufertreppen.
Um im Angesichte des Ganges zu sterben, lassen Todkranke sich dorthin tragen, während auf einigen dieser
Ghat auch Leichenverbrennungen stattfinden. Die heiligsten Plätze sind der Daßaswamedh-Ghat, Mani-KarnikisBrunnen
[* 16] mit Wischnus
Schweiß, der Gopal-Mandir oder Krischnatempel und vor allem der genannte Bischeswartempel. Benares ist noch immer,
wie in alter Zeit, der Hauptsitz brahmanischer Gelehrsamkeit und Wissenschaft, obgleich Kalkutta
[* 17] in neuerer
Zeit, namentlich mit Bezug auf das Studium ind. Sprachen, mit Benares wetteifert.
Die Benares-Pandits gelten noch immer in allen religiösen Fragen als erste Autoritäten. Von den zahlreichen Lehranstalten
sind das Hindukollegium und das 1792 gestiftete Sanskritkollegium die bemerkenswertesten. Beide genießen die Unterstützung
der engl. Regierung. In ersterm wird Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen, dem Gesetze der Hindu,
in deren heiliger Litteratur, dem Sanskrit, und der Astronomie
[* 18] erteilt. In dem andern lehrt man die engl. Sprache,
[* 19] Geschichte
und
Litteratur, das Sanskrit, das Hindi und Persische sowie Mathematik, Staatsökonomie u. s. w. Benares, das durch Eisenbahn
nach O. mit Patna und Kalkutta, nach W. und NW. mit Mirsapur, Allahabad, Kanpur, Lakhnau, Pischawar verbunden
ist, ist auch der Sitz einer blühenden Industrie und als Handelsplatz von großer Bedeutung. Berühmt sind die dort verfertigten
Schmucksachen
[* 20] von edeln Metallen, die Gold- und Silberbrokate, Sammete, seidenen und baumwollenen Stoffe. Zu Markte kommt daselbst
alles, was Indien und die Nachbarländer an edeln und kostbaren Erzeugnissen des Kunstfleißes sowie an
Naturprodukten hervorbringen, zugleich mit allen nur denkbaren Erzeugnissen der engl. Industrie. Von den Kaufleuten in Benares zählen
einige zu den reichsten in ganz Indien.
Geschichte. Benares ist eine uralte Stadt, in den sanskritischen Dichtungen Kaschi, d. i. die Glänzende, genannt
und als Brahmanenschule gefeiert. Hier predigte Gautama Buddha zuerst; an 800 Jahre blieb Benares die heilige Stadt der Buddhisten.
In Sārnāth, dem ältesten Teile von Benares, befinden sich noch bedeutende buddhistische Ruinen. An jene Zeit erinnert noch der
Lat-Bhairo, eine gebrochene Säule, die vom König Aßoka (im 3. Jahrh. v. Chr.) errichtet worden sein
soll. 1194 wurde Benares von Mohammed Ghori erobert und 1529 von Babar dem Reiche von Dehli einverleibt. Bei dem Verfalle des letztern
zu Anfang des 17. Jahrh. schwang sich der Nawwab-Wasir von Oudh (Fürst von Ghasipur) zum Gebieter über die Stadt und das
Gebiet von Benares auf, kam 1775 unter die Oberherrlichkeit der Englisch-Ostindischen Compagnie, wurde aber 1781 von
letzterer abgesetzt und verlor sein Gebiet. -
Vgl. Sherring, The sacred city of the Hindus. An account of the Benares in ancient
and modern times (Lond. 1868);
ders., Hindu tribes and castes, as represented in Benares (Benares 1872).