Titel
Bell
,
1) Andrew, Geistlicher der anglikan. Kirche, berühmt als Erfinder oder doch als Verbreiter der Methode des wechselseitigen Unterrichts, geb. 1753 zu St. Andrews in Schottland, verweilte im Dienste [* 2] der anglikanischen Kirche einige Jahre im britischen Amerika, [* 3] ward 1789 Prediger und Oberaufseher des Militärwaisenhauses zu Madras [* 4] und fand hier Veranlassung, die in den sehr frequenten Missionsschulen für Kinder der Einheimischen angewandte Methode des gegenseitigen Unterrichts kennen zu lernen und weiter auszubilden.
Da es ihm nach seiner Rückkehr nach
England (1797) nicht gelang, die
Regierung für das »Unterrichtssystem von
Madras« günstig
zu stimmen, zog er sich auf das Land zurück. Erst als der
Quäker
Joseph
Lancaster (s. d.) mit seinem in
den
Armenschulen
Londons, namentlich in den Dissenterkreisen, zuerst angewendeten ähnlichen Unterrichtssystem großen Anklang
fand, führte Bell
das seinige im Auftrag der anglikanischen
Kirche in deren
Armenschulen ein. Er starb in
Cheltenham.
Sein Vermögen von 120,000 Pfd. Sterl. vermachte er verschiedenen Nationalinstituten und Wohlthätigkeitsanstalten. Er legte sein System zuerst dar in der Schrift »An experiment in education made in the asylum of Madras« (1797). Später veröffentlichte er darüber noch »Elements of tuition« (1812) und »The wrongs of children« (1819).
Vgl.
Robert und C.
Southey, Life of A. Bell
(Lond. 1844, 3 Bde.);
A. Bell
, An old educational reformer,
Dr. Andrew Bell
(das. 1881).
S. Wechselseitiger Unterricht.
2)
John, Wundarzt und Anatom, geb. zu
Edinburg,
[* 5]
Bruder des vorigen, studierte in
Edinburg und eröffnete 1790 ein
anatomisches Privattheater und stark frequentierte Vorlesungen. Er starb in
Rom.
[* 6] Bell
schrieb: »System of the anatomy
of the human body« (1793-98, 6. Aufl. 1826; deutsch von
Heinroth und
Rosenmüller, Leipz. 1806-1807, 2 Bde.
mit
Kupfern; neue Ausg. 1817),
welchem Werk sein Bruder Charles zwei weitere Bände (1823) hinzufügte;
»Discourses on the nature and cure of wounds« (1793-95, 2 Bde.; deutsch von Leune, Leipz. 1798);
»Principles of surgery« (1804, 3 Bde.;
neue Ausg. von
Charles Bell
, 1826);
»Observations on Italy« (1825).
Wertvoll sind auch seine anatomischen Kupferwerke, welche unter dem Gesamttitel: »Illustrating of the anatomy of the human body« erschienen.
3) Charles, Wundarzt und Anatom, Bruder des vorigen, geb. 1774 zu Edinburg, erwarb sich als Mitglied des College of Surgeons in Edinburg den Ruf eines geschickten Operateurs, lehrte seit 1806 zu London [* 7] an Hunters medizinischer Schule, ward 1812 Mitglied des Royal College of Surgeons in London, dann Wundarzt am Middlesexhospital und Professor an der klinischen Schule desselben. Seit 1828 war er Professor der Chirurgie an der Universität zu London und seit 1836 an der Universität zu Edinburg. Er starb in Worcestershire.
Bells
Hauptverdienst um die medizinische
Wissenschaft ist die genaue
Beobachtung des
Nervensystems, über welches er ein ganz
neues
Licht
[* 8] verbreitet hat, so daß man ihn den Schöpfer der neuern Nervenphysiologie nennen darf. Er machte zuerst die
Entdeckung (Bell
scher
Lehrsatz), daß von den mit zwei
Wurzeln aus dem
Rückenmark entspringenden
Spinalnerven die vordere
Wurzel
[* 9] aus
Nerven
[* 10] besteht, welche nur vom
Gehirn
[* 11] wegleiten und die
Bewegung vermitteln, während die hintere, mit einer Anschwellung
versehene
Wurzel solche
Nerven enthält, welche nur von den Körperteilen weg nach dem
Gehirn hinleiten
und diesem die
Empfindungen zuführen, so daß wir uns derselben bewußt werden. Hieran knüpfte sich die
Entdeckung der jetzt
wissenschaftlich konstatierten
Thatsache einer doppelten Leitungsrichtung in den
Nerven. Der Bellsche
Lehrsatz ist daher als
ein Fundamentalsatz der
Physiologie der
Nerven zu betrachten. Er schrieb: »A system of operative surgery founded
on anatomy« (Lond. 1814, 2 Bde.;
deutsch von
¶
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Kosmaly, Berl. 1815, 2 Bde.);
»The diseases of the urethra« (2. Aufl., Lond. 1822);
»The nervous system of the human body« (1830; 3. Aufl., Edinb. 1844; deutsch von Romberg, Berl. 1832);
»The human hand its mechanism and vital endowments« (1834, 7. Aufl. 1865; deutsch, neue Ausg., Stuttg. 1851);
»Institutes of surgery« (Edinb. 1838, 2 Bde.; deutsch von Mörer, Berl. 1838);
»Practical essays« (Edinb. 1841-42, 2 Bde.; deutsch von Bengel, Tübing. 1842).
Vgl. Pichot, Vie et travaux de Sir Ch. Bell (Par. 1859).
4) Thomas, Zoolog, geb. zu Poole in Dorsetshire, studierte zu London Medizin, ward 1815 Mitglied des Royal College of Surgeons, hielt von 1816 bis 1860 Vorlesungen in Guy's Hospital, namentlich auch über Zahnkrankheiten, ward 1832 Professor der Zoologie am King's College zu London, fungierte 1848-53 als Sekretär [* 13] der Royal Society und dann bis 1861 als Präsident der Linnean Society. Bell lebte zuletzt in Selborne und starb Er schrieb: »Natural history of the British quadrupeds« (Lond. 1837-39, 2. Aufl. 1874);
»Natural history of the British reptiles« (1849);
»A monograph on the testudinata« (1833, unvollendet) und »Natural history of the British crustacea« (1853).
5) John, nordamerikan. Staatsmann und Politiker, geb. bei Nashville im Staate Tennessee, betrat 1817 die politische Laufbahn und lenkte teils in der Staatslegislatur von Tennessee, teils im Kongreß zu Washington [* 14] die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. 1834 war er Sprecher des Repräsentantenhauses im Kongreß. Er trennte sich unter dem Präsidenten Andrew Jackson von der demokratischen Partei und ging zu den Whigs über. Vom Präsidenten Harrison als Kriegsminister ins Kabinett berufen, wurde er 1860 von den Whigs als Gegenkandidat gegen Lincoln aufgestellt und erhielt die Wahlstimmen der Staaten Virginia, Kentucky und Tennessee. Obwohl er während des Sezessionskriegs mit dem Süden sympathisierte, nahm er doch in keiner Weise thätigen Anteil am Kampf. Er starb
6) Robert, engl. Schriftsteller, geb. zu Cork in Irland als der Sohn eines hohen Beamten in der irischen Magistratur, studierte zu Dublin, [* 15] übernahm dann die Redaktion eines politischen Blattes und schrieb Schauspiele, von denen »The double disguise« und »Comic lectures« aufgeführt wurden. 1837 ging er nach London, wo er im »New Monthly Magazine« eine Reihe von »Reminiscences« bekannt machte und mit glücklichem Erfolg die Redaktion des ersten politisch-belletristischen Wochenblattes, »Atlas«, [* 16] übernahm.
Dies Journal trug ihm einen politischen Prozeß mit Lord Lyndhurst ein, in welchem er durch Selbstverteidigung gegen seinen einflußreichen Gegner sich Freisprechung erwirkte. Hierauf verfaßte er für Lardners »Cabinet Cyclopaedia« eine »History of Russia« (neue Ausg. 1853),
die »Lives of English dramatists« (mit Dunham u. a., 1837, 2 Bde.) und »Lives of the English poets« (1839, 2 Bde.) und bearbeitete für dasselbe Sammelwerk den letzten Band [* 17] von Southeys »Naval history of England« (1837) und den 10. Band von Mackintoshs »History of England«. Nach seinem Rücktritt von der Redaktion des »Atlas« gründete er 1840 mit Bulwer und Lardner das »Monthly Chronicle«, das nachher sein Eigentum wurde; zuletzt redigierte er die »Home News«. Seine während dieser Periode verfaßten Schauspiele: »Marriage« (1842),
»Mothers and daughters« (1843) und »Temper« (1847) kamen mit Beifall zur Aufführung. Daneben schrieb er mehrere selbständige historische Werke: »Outlines of China« [* 18] (1845);
»Life of George Canning« (1846);
»Memorials of the civil war« (1847, 2 Bde.) u. a.;
ferner die »Wayside pictures through France, Belgium and Holland« (neue Ausg. 1858) und den Roman »The ladder of gold« (neue Aufl. 1857).
Endlich gab er noch heraus: »Fairfax correspondence« (1849);
»Annotated edition of the British poets« (neue Ausg. 1870, 29 Bde.);
»Songs from the dramatists« (2. Ausg. 1855);
»Early ballads, illustrative of history« (neue Ausg. 1877);
»Golden leaves«, eine Anthologie englischer Dichtungen (neue Ausg. 1872),
und die »Poetical works of Butler« (1867).
Bell starb in London.
7) William A., engl. Reisender, studierte in Cambridge Medizin und schloß sich 1867 der von der Kansas-Eisenbahngesellschaft unter Leitung des Generals W. J. ^[William Jackson] Palmer unternommenen Expedition an, welche die Erforschung einer neuen Bahnstrecke durch die südlichen, von der Pacificbahn noch nicht berührten Distrikte zum Zweck hatte. Er bereiste von St. Louis aus nach S. und W. hin eine bisher fast noch ganz unbekannte Strecke von etwa 8000 km, hauptsächlich die Thäler des Rio Grande [* 19] und Colorado, die wilden Bergpässe zwischen beiden, die Territorien verschiedener Indianerstämme sowie New Mexico durchforschend, und kehrte dann mitten im Winter durch Nebraska, Utah und Nevada zurück. Die Resultate dieser an romantischen Abenteuern reichen Reise in Bezug auf die Natur der durchzogenen Gegenden und ihrer Bewohner sowie die sich hier eröffnenden kommerziellen Aussichten veröffentlichte er in »New tracks in North America« (2. Aufl., Lond. 1870) und in Spezialabhandlungen, wie: »On the basin of the Colorado etc.« im »Journal« der Geographischen Gesellschaft zu London 1869;
»On the native races of New Mexico« im »Journal« der Londoner Ethnologischen Gesellschaft 1860 u. a.
8) Alexander Graham, Physiolog, geboren zu Edinburg, Professor der Physiologie der Sprachwerkzeuge in Boston, [* 20] bemühte sich seit 1872 um die Erfindung eines Telephons und konstruierte 1875 das erste Telephon, welches keiner Batterie bedarf. 1880 erfand er mit Sumner Tainter das Photophon. [* 21]