Beispiel
(lat. Exemplum), der einzelne konkrete, aus der Erfahrung entlehnte oder erdichtete Fall, insofern er zum Beleg eines Begriffs oder Satzes dienen soll. Was die Beweiskraft des Beispiels anlangt, so beweist ein einzelnes an sich nichts als höchstens in dem Fall, wo es als Instanz gegen die Allgemeingültigkeit einer Regel gebraucht wird; denn hier wird durch die Anführung eines entgegenstehenden Beispiels wenigstens das ins Licht gesetzt, daß die als allgemein aufgestellte Regel Ausnahmen erleidet. Im Mittelhochdeutschen bezeichnet Beispiel (bîspel, von bî, bei, und spel, Rede, Erzählung) eine Art von didaktischen, tierfabelähnlichen, meist in Spruchform abgefaßten Dichtungen und märchenhaften, allegorischen Erzählungen moralischer Tendenz. Eine Sammlung solcher Dichtungen enthält der »Edelstein« von Boner; andre finden sich zerstreut in den Gedichten der Minnesänger des 12. und 13. Jahrh. (z. B. Reinmars von Zweter, Konrads von Würzburg) oder sind größern Dichtungen, wie der »Kaiserchronik«, Freidanks »Bescheidenheit«, dem »Reimer« etc., einverleibt.