Beirût
oder Bairût, Hauptstadt eines asiat.-türk. Wilajets (13300 qkm mit 400000 E.) in Syrien und in neuerer Zeit die wichtigste Seestadt dieser Provinz, liegt auf einem Küstenvorsprunge zwischen Saida (Sidon) und Tarabulus (Tripolis) und wird schon von Abulfeda als der Hafen von Damaskus bezeichnet, mit dem es durch eine Kunststraße in Verbindung steht. Anlage, Gebäude und Anstalten. Die Stadt steht am Abhange eines Hügels, gewährt die Aussicht auf den Libanon und gilt, zumal seit Vollendung der Wasserleitung [* 2] (1875), als der gesündeste Ort der syr. Küste.
Die
Altstadt hat meist enge, schlecht gepflasterte
Straßen, ist aber von einer Menge von Vorstädten mit schönen Häusern
(Hotels) und Gärten umgeben. Keine türk. Ortschaft hat in neuerer Zeit einen ähnlichen Aufschwung
genommen wie Beirût.
Die Einwohnerzahl beträgt (1889) 105400 E., darunter
etwa 2000 Europäer, unter denen die franz.
Sprache
[* 3] vorherrscht. Es befinden sich in Beirût
eine
Quarantäne, ein Zollamt, engl.,
franz., russ. und türk. Postanstalten,
europ.
Ärzte, eine
Apotheke nach preuß.
Muster, ein deutsches Waisenhaus mit Pensionat und prot.
Kapelle, amerik. Missionsstation mit
Kirche, Jesuitenschule, zahlreiche Druckereien und
Zeitungen, eine mediz.
Schule, Realschule und astron. Observatorium, ein prot. Knabeninstitut, franz. Waisenhaus
mit Schule und Pensionat (2000 Mädchen), Franziskanerkloster und viele Schulen aller Konfessionen.
[* 4] Beirût
ist der
Sitz eines Paschas, eines griech.
Bischofs, eines maronit. Erzbischofs und eines päpstl. Delegaten. Es giebt 23 Moscheen
und 36 christl. (evang., griech.-orthodoxe, armenisch-griech.-unierte)
Kirchen. Die Hauptmoschee von Beirût
ist eine ehemalige christl.
Kirche aus der Kreuzfahrerzeit. Außerdem ist die Stadt der alte Sammelplatz der nach Mekka gehenden Karawanen, deren
Zahl hier seit Eröffnung des
Sueskanals allerdings abgenommen hat, und der gewöhnliche Landungspunkt aller Reisenden nach
Syrien und
Palästina
[* 5] mit zunehmendem internationalem Gepräge.
Industrie,
Handel und Verkehr. Neben starker
Seiden- und Baumwollweberei wird
Gold- und Silberdrahtfabrikation
betrieben. Außerdem verfertigt man hier die in ganz
Syrien und
Ägypten
[* 6] berühmten, mit
Nägeln verzierten bunten Koffer für
Leinenzeug, die namentlich zu Brautgeschenken dienen. Die Umgegend gewinnt ausgezeichnete
Seide,
[* 7]
Baumwolle
[* 8] und vortrefflichen
Tabak.
[* 9] Für diese Produkte finden auch die
Drusen
[* 10] in Beirût
ihren Hauptabsatzmarkt. Viel stärker ist die Einfuhr,
vor allem in Bekleidungsgegenständen, Nahrungsmitteln, Zucker,
[* 11]
Bauholz,
Tabak und Luxusartikeln. 1891 wertete die Einfuhr 51 Mill.,
die Ausfuhr 12,51 Mill. M. Die
Imperial-Ottoman-Bank besitzt hier bereits seit 1865 eine bedeutende Filiale. 1893 wurde der
neue
Hafen eröffnet; früher blieben die Schiffe
[* 12] auf der
Reede oder in den verschiedenen
Buchten der gegen
Osten sich ausdehnenden St. Georgsbai, in die von
Süden her der Nahr Beirût
(Magoras der Alten) und 10 km im Nordosten der Nahr
el-Kelb (bei den Alten Lykos) münden, an dessen Felswänden sich berühmte
Skulpturen mit pers.
Keilinschriften und ägypt.
Hieroglyphen sowie auch arab.
Inschriften befinden. Von
¶
mehr
den zahlreichen Dampferlinien nach Beirût
sind die des Österr.-Ungar. Lloyd und der Messageries maritimes die wichtigsten. Dem
lebhaften Küstenverkehr dienen türk. Segler. In Beirût
sind durch Konsulate vertreten: Vereinigte Staaten von Amerika, Belgien,
[* 14] Vereinigte Staaten von Brasilien, Dänemark,
[* 15] Deutsches Reich, Frankreich, Griechenland,
[* 16] England, Italien,
[* 17] Niederlande,
[* 18] Österreich-Ungarn,
[* 19] Portugal,
[* 20] Rumänien,
[* 21] Rußland und Spanien.
Geschichtliches. Die uralte phöniz.Hafenstadt Berytos wurde vom Syrer Diodotos Tryphon 140 v. Chr. zerstört, unter Kaiser
Augustus durch Agrippa wiederhergestellt und zu einer röm. Kolonie mit ital. Rechte und dem Namen Julia Augusta Felix erhoben.
Unter Caracalla erhielt sie den Beinamen Antoniniana. Später zeichnete sich Beirût
durch seine Hohe Schule für
Rhetorik, Poetik und besonders für Rechtskunde aus. Der oström. Kaiser Theodosius Ⅱ. erhob Beirût
zu einer Metropolis.
Schon 349 durch Erdbeben
[* 22] verwüstet, wurde sie 20. Mai 529 durch ein solches völlig zerstört. Zur Zeit der Kreuzzüge hob sie
sich wieder. Damals bildete der Nahr el-Kelb die Grenze zwischen dem Königreich Jerusalem
[* 23] und der Grafschaft
Tripolis. An dem nur 2 m breiten Küstenpaß, der alten, in den Fels gehauenen Via Antoniniana, bekämpfte König Balduin Ⅰ.
die Saracenen und eroberte Beirût
nach zweimonatiger Belagerung Im J. 1187 wurde sie von Paladin, 1197 von den Kreuzfahrern
eingenommen, 1291 von den Franken geräumt. In späterer Zeit war sie lange im Besitze der Drusen; der Drusenfürst
Fachr ed-din (1595‒1634) suchte europ. Kultur in Beirût
zu verbreiten.
Durch Verrat kam die Stadt 1763 in die Hände der Türken. Eine russ. Flottille beschoß, eroberte und plünderte sie 1772. In der
orient. Angelegenheit von 1840 (s. Ägypten, Bd. 1, S. 248 b) spielte Beirût
eine wichtige
Rolle; mit dem Bombardement der Stadt vom 10. bis 14. Sept. begannen die Feindseligkeiten der engl.-österr.-türk. Flotte gegen
die ägypt. Macht Mehemed Alis in Syrien unter dem engl. Admiral Stopford. Größtenteils zerstört, wurde Beirût
erst 9. Okt. von
Soliman Pascha geräumt und von den Truppen der Verbündeten besetzt. Infolge der Christenmetzelei in Damaskus 1860 siedelten
sich zahlreiche Flüchtlinge in an, und von dieser Zeit datiert der Aufschwung der Stadt.