Beichte
(althochd. pigihti, bigihti, mittelhochd. bîhte), dem Wortsinn nach jedes Geständnis, im kirchlichen Sinn aber das Sündenbekenntnis, welches der Christ vor dem Geistlichen ablegt, ursprünglich in der Absicht, mit der Kirche, die er durch Übertretung ihrer Gebote beleidigt, wieder ausgesöhnt und vereint zu werden. Schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche ward es Gebrauch, daß ausgeschlossene Gemeindeglieder, um wieder aufgenommen zu werden, als Anfang ihrer Buße das Vergehen, um deswillen sie exkommuniziert waren, vor der versammelten Gemeinde bekannten.
Aber auch die Mitglieder der
Kirche selbst pflegten bald vor dem
Genuß des
Abendmahls sich durch Sündenbekenntnisse
zu erleichtern, und einzelne
Bischöfe hatten etwa zwischen 250 und 390 zum Behuf der Entgegennahme solcher Bekenntnisse einen
besondern Bußpresbyter
(Presbyter poenitentiarius) angenommen. Dies die Entstehung der Privatbeichte
und der priesterlichen
Absolution. Die seit Abschaffung des Bußpresbyters (etwas andres ist der spätere Poenitentiarius) erfolgte Ermächtigung
eines jeden
Priesters zur
Absolution vermehrte nur die Anzahl der
Beichtiger; aber auch noch bei
Leo d. Gr.
(440-461) bezieht sich dieses geheime
Bekenntnis nur auf schwere
Sünden, und es erscheint der
Priester, welchem bekannt wird,
nur als Fürbitter vor Gott, dem die
Sünde vorher und vor allem zu bekennen ist.
Bald aber wurden auch
sündliche Zustände und Gedankensünden in den
Kreis
[* 2] der Privatbeichte
hereingezogen, und die letztere gewann in demselben
Maß an Bedeutung, als die
Vorstellung sich ausbildete, daß die
Kirche das ausschließlich berechtigte
Organ der göttlichen
Sündenvergebung sei, d. h. daß der
Priester als
Richter an
Stelle
Gottes selbst die
Sünden zu vergeben und
entsprechende
¶
mehr
Bußleistungen zu bestimmen habe. Dies die sogen. Ohrenbeichte (confessio auricularis). 1215 wurde nämlich auf der vierten Lateransynode verordnet, daß jeder katholische Christ, sobald er die Entscheidungsjahre (anni discretionis) erreicht habe, jährlich wenigstens einmal seinem Priester ein geheimes Bekenntnis aller seiner Sünden ablegen und im Unterlassungsfall aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen und eines christlichen Begräbnisses verlustig gehen solle.
Als notwendiger Bestandteil des Sakraments der Buße (s. d.) wird ein solches geheimes Bekenntnis aller schwereren Sünden (peccata
mortalia), seien sie in Gedanken, Worten oder Werken begangen, gefordert, das Bekenntnis der geringern Vergehen (peccata venialia)
aber nur für heilsam, nicht für notwendig erklärt. Durch eine wissentlich verschwiegene schwere Sünde
wird der Beichtakt nichtig und das Sakrament entweiht. Nur ein geweihter Priester, welcher dabei im Namen Gottes und der Kirche
fungiert, kann die Beichte
abnehmen und Absolution erteilen.
Strenge Verschwiegenheit ist ihm zur Pflicht gemacht. Geistliche, Mönche und Nonnen sollen öfters zur Beichte
gehen. Insbesondere
soll bei einer bevorstehenden Todesgefahr, oder wenn man irgend ein Sakrament empfangen will und eine
Sünde auf dem Gewissen hat, gebeichtet
werden. Der Ort der Beichte
ist der Regel nach die Kirche (s. Beichtstuhl). Sie erfolgt kostenlos;
freiwillige Gaben (Osterpfennige, Ostergroschen) sind indes zulässig. In der griechisch-katholischen Kirche hat man sich
im Lauf der Zeit die wesentlichen Bestimmungen der abendländischen Lehrweise angeeignet. Unter den schismatischen Parteien
der griechischen Kirche haben die monophysitischen Jakobiten in Syrien die strengste Beichtpraxis, während die nestorianischen
Christen die Beichte
ganz aufgegeben haben. Die Maroniten und Armenier fordern nur Bekenntnis des Mordes, Ehebruchs und Diebstahls.
Die Raskolniken der russischen Kirche verwerfen wenigstens die priesterliche Absolution.
Die lutherische Kirche hat sich zwar von Anfang an gegen die Ohrenbeichte als nicht in der Heiligen Schrift begründete »Gewissensmarter«
erklärt, wollte jedoch die Privatbeichte
, die je nach Bedürfnis zum Bekenntnis bestimmter Sünden übergehen kann, im Zusammenhang
mit der dem Predigtamt zustehenden Gewalt der Schlüssel beibehalten wissen, so daß also niemand ohne
diese Beichte
, außer in besondern Notfällen, zum Abendmahl zugelassen werden sollte. Es war dies eine erzieherische Maßregel,
welche die Bestimmung hatte, die Massen die sittlich-religiöse Autorität der Kirche empfinden zu lassen.
Indes wich man in einzelnen Ländern gleich anfangs hiervon ab, und anderswo ist die Privatbeichte
zur bloßen
Formel geworden. Als der Pietist J. C. ^[Johann Caspar] Schade, Prediger zu Berlin,
[* 4] 1695 das ganze bisherige Beichtwesen, welches
allerdings zu der protestantischen Geltung der Rechtfertigungslehre in auffallendem Kontrast steht, verwarf, traf man infolge
des hierdurch hervorgerufenen Streits für das Kurfürstentum Brandenburg
[* 5] die Bestimmung, daß es einem
jeden freistehen solle, ob er vor der Kommunion beichten
wolle oder nicht.
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde bei weitem in den meisten lutherischen Ländern eine allgemeine Beichte
üblich, gewöhnlich
darin bestehend, daß der Geistliche ein allgemeines Bekenntnis der Sündhaftigkeit vorträgt und, nachdem sich
die Gemeinde dazu bekannt hat, die Absolution verkündigt. Die Privatbeichte
dagegen wurde erst neuerdings wieder seitens der
restaurationslustigen Kirchlichkeit angestrebt. Die reformierte Kirche
bestritt jederzeit die Notwendigkeit der Privatbeichte
,
aber ihre Vorbereitung zur Kommunion ist wenigstens einer allgemeinen Beichte
ganz ähnlich.
Die englische Episkopalkirche hat keine besondere Vorbereitungsandacht auf den Genuß des Abendmahls, sondern nimmt eine allgemeine und Absolution in den sonntäglichen Gottesdienst auf. Die schottische Presbyterialkirche verwirft jedes stehende Sündenbekenntnis, alle und Absolution. Eine Art von Beichte findet sich auch bei den Juden, indem bei ihnen sowohl beim öffentlichen als beim Privatgottesdienst eine kleinere und eine feierliche größere Beichtformel, z. B. am Vorabend des großen Versöhnungstags, angewendet zu werden pflegt.
Vgl. Steitz, Das römische Bußsakrament (Frankf. 1854);
Kliefoth, Die und Absolution (Schwerin [* 6] 1856).