Titel
Behaim
,
1) (Bohemus) Martin, lat. Martinus de Boemia, Kosmograph, aus einem altadligen Nürnberger Geschlecht geboren um 1459, erlernte seit 1477 zu Mecheln [* 2] in Flandern den Tuchhandel, ging 1479 nach Antwerpen [* 3] und im folgenden Jahr nach Lissabon, [* 4] wo er mit Kolumbus bekannt wurde. König Johann II. wählte ihn um 1483 mit in die Kommission zur Anfertigung eines Astrolabiums, und 1484 ward er als Kosmograph dem Admiral Diego Cao beigegeben, welcher mit einer Flotte eine Entdeckungsreise der Westküste Afrikas entlang machte.
Nach 19
Monaten zurückgekehrt, ging er 1486 nach der azorischen
Insel
Fayal, wo eine vlämische
Kolonie
bestand, deren
Statthalter
Jobst von
Hurter Behaims
Schwiegervater wurde. Hier wohnte Behaim bis 1490, dann verweilte er, mit
Ehren
und Reichtümern überhäuft, von 1491 bis 1493 in
Nürnberg
[* 5] und hinterließ dort den noch jetzt vorhandenen großen Erdglobus,
der mehrmals abgebildet und beschrieben wurde, so z. B. in Doppelmayrs
»Historischen Nachrichten von nürnbergischen Mathematicis und Künstlern« (Nürnb.
1730), aber selbst für die damalige Zeit starke Fehler enthält. Behaim
kehrte 1493 über
Flandern und
Frankreich nach
Portugal
[* 6] zurück, hielt sich nochmals von 1491 bis 1506 auf
Fayal auf und ging dann wieder nach
Lissabon, wo er starb.
Behaim
war mit
Kolumbus und
Magelhaens befreundet; sein Einfluß auf ihre
Entdeckungen kann jedoch nur sehr gering gewesen sein,
und die Behauptung, Behaim
sei der eigentliche Entdecker der
Neuen Welt, gehört ohne
Zweifel in den Bereich der
Fabel.
Vgl.
Murr,
Diplomatische Geschichte des berühmten
Ritters v. Behaim
(2. Aufl., Gotha
[* 7] 1801);
A. v. Humboldt, Kritische Untersuchungen etc., Bd. 1 (Berl. 1852);
Ghillany, Geschichte des Seefahrers
Ritter Behaim
(Nürnb. 1853).
2) (Beheim, Beham, Behm) Michael, Meistersänger, geb. zu Sülzbach bei Weinsberg, daher auch Poeta Weinsbergensis genannt, war seines Zeichens ein Weber, trat aber um 1439 ¶
mehr
als Kriegsknecht in die Dienste [* 9] des Reichserbkämmerers Konrad von Weinsberg, dem er wahrscheinlich auf seinen vielen Reisen an die Fürstenhöfe folgte. In dieser Zeit mag er seine meist auf die Zeitereignisse gerichtete meistersängerische Thätigkeit begonnen haben. Nach Konrads Tod (1448) wandte er sich zum Markgrafen Albrecht von Brandenburg, [* 10] lebte dann an den Höfen des Königs Christian von Dänemark [* 11] und Norwegen [* 12] und des Herzogs Albrecht von Bayern, [* 13] worauf er in die Dienste Albrechts von Österreich [* 14] und nach kurzer Zeit in die des jungen Königs Ladislaus von Ungarn [* 15] trat, bis er, in Ungnade gefallen, sich auch von hier wieder entfernen mußte.
Aus dieser Zeit stammen mehrere seiner Gedichte über die Türkenangelegenheiten, die nebst seinen übrigen historischen Gedichten das Bedeutendste in seinen Werken sind. Demnächst finden wir ihn am Hof [* 16] Kaiser Friedrichs III., mit dem er 1462 die Belagerung durch Erzherzog Albrecht und den Bürgermeister Holzer aushielt. Er schrieb auf diese Begebenheit ein Gedicht, dessen Weise er die »Angstweise« nannte, und worin er seinen ganzen Grimm über die Wiener, »die Handwerker, Schälke und Lasterbälge«, ausschüttete.
Infolgedessen bald von neuem zum Wandern gezwungen, fand er endlich eine Zufluchtsstätte an Pfalzgraf Friedrichs I. (des sogen. Bösen Fritz) Hof in Heidelberg, [* 17] wo seit der Stiftung der Universität einiger litterarischer Sinn herrschte. Hier benutzte er die von dem Kaplan Matthias von Kemnat wenig früher verfaßte Prosachronik von den Thaten dieses Kurfürsten zu einem umfassenden strophischen Gedicht auf Friedrich, das diesen in niederer Schmeichelei als den edelsten und tapfersten Helden aller Zeiten feiert.
Schließlich kehrte in seine Heimat Sulzbach zurück, ward dort Schultheiß und wurde in oder nach dem Jahr 1474 erschlagen. Viele von seinen Gedichten, die mehr historisches Interesse als poetischen Wert haben, sind noch ungedruckt; eine Anzahl findet sich mitgeteilt in Hagens »Sammlung für altdeutsche Litteratur und Kunst«. Sein »Buch von den Wienern« hat Karajan (Wien [* 18] 1843),
sein Gedicht auf Friedrich I. K. Hofmann (in »Quellen und Erörterungen zur bayrischen und deutschen Geschichte«,
Bd. 3, Münch. 1863) herausgegeben. Karajan veröffentlichte auch »Zehn Gedichte« Behaims
, darunter »Von der hohen Schule zu
Wien« und »Von dem König Ladislaus, wie er mit den Türken streitet« (in den »Quellen und Forschungen zur
Geschichte der vaterländischen Litteratur und Kunst«, Bd. 1, Wien 1848). Die geistlichen Dichtungen Behaims
wurden herausgegeben
von Ph. Wackernagel (in »Das deutsche Kirchenlied«, Bd. 2, Leipz.
1867) und von Nöldeke (Halle
[* 19] 1857).