Begriff,
im allgemeinen s. v. w. Gemeinvorstellung, welche die mehreren andern Vorstellungen gemeinsamen Bestandteile in Eins zusammenfaßt (»begreift«, concipit, daher conceptus, »Begriffe«). Wir haben vom Baum, Haus etc. einen Begriff, wenn wir dasjenige denken, was der Eiche mit der Buche, Birke, Palme etc., dem Wohnhaus mit der Hütte und dem Palast gemeinsam ist. Wird dabei lediglich auf die Entstehung des Begriffs aus den ihm zu Grunde liegenden Vorstellungen durch Vereinigung der gemeinsamen und Absonderung der jeder derselben eigentümlichen Bestandteile (Abstraktion, s. Abstrakt) geachtet, so hat man den Begriff im psychologischen Sinn, wird dagegen ausschließlich auf dasjenige, was in demselben gedacht wird, auf seinen Inhalt, gesehen, den Begriff im logischen Sinn im Auge. In letzterm ist jeder Begriff, d. h. jeder gedachte Inhalt, nur einmal, in ersterm dagegen überhaupt so oft vorhanden, als derselbe Begriff wieder gedacht wird. An dem Begriff im logischen Sinn wird dessen Inhalt, d. h. die Summe der in ihm vereinigten gemeinsamen Bestandteile (Merkmale, notae), von dessen Umfang, d. h. der Summe derjenigen Vorstellungen unterschieden, deren Gemeinsames er ausmacht. So machen die Merkmale: Stamm, Blätter, Wurzel etc. den Inhalt, die Vorstellungen: Eiche, Buche, Birke etc. den Umfang des Begriffs Baum aus.
Beide stehen im verkehrten Verhältnis zu einander; denn je mehr Merkmale im Inhalt zusammengefaßt werden, desto kleiner muß notwendig die Anzahl derjenigen Vorstellungen werden, welche alle diese Merkmale miteinander gemein haben. Nimmt man z. B. unter die Merkmale eines Baums den Besitz von Ästen und Zweigen auf, so muß man die (astlose) Palme aus dessen Umfang ausscheiden. In Bezug auf den Inhalt sind die Begriffe einander entweder verwandt oder disparat, je nachdem sie gewisse Merkmale oder gar keins dergleichen gemein haben, die verwandten ähnlich oder entgegengesetzt, je nachdem ihre Merkmale identisch sind oder sich gegenseitig ausschließen. So sind die Begriffe: Eiche und Birke verwandt, weil sie das Merkmal: holzstämmige Pflanze gemein, Farbe und Ton dagegen disparat, weil sie kein Merkmal gemein haben.
Jene beiden sind einander überdies auf jenes gemeinsame Merkmal hin ähnlich, während beide dem Kohl als einer Pflanze mit krautartigem Stengel entgegengesetzt sind. In Bezug auf den Umfang unterscheidet man die Begriffe in solche, deren Umfang ganz oder teilweise zusammen-, und solche, bei welchen der Umfang des einen gänzlich außerhalb des Umfanges des andern fällt. Begriffe, deren Umfang ein und derselbe ist, heißen Wechselbegriffe, z. B. gleichseitiges und gleichwinkeliges Dreieck.
Von Begriffen, bei welchen der Umfang des einen gänzlich im Umfang des andern liegt, heißt dieser der über-, jener der untergeordnete Begriff, z. B. Vogel und Wasservogel. Fallen die Umfänge beider nur zum Teil zusammen, so daß sie einander durchkreuzen, so heißen die Begriffe verträglich. Von dieser Art sind z. B. die Begriffe: Europäer und Götzendiener, weil es im Norden wirklich noch heidnische Völkerschaften gibt. Begriffe dagegen, deren Umfänge gänzlich außereinander liegen, heißen einander ausschließende, entweder nur in dem Sinn, daß kein Begriff, der im Umfang des einen liegt, zugleich in jenem des andern liegen kann (konträrer), oder daß jeder, welcher nicht im Umfang des einen liegt, in jenem des andern liegen muß (kontradiktorischer Gegensatz). So schließen die Begriffe: eine rote Blume und eine blaue Blume einander konträr, die Begriffe: Sein und Nichts einander kontradiktorisch aus. Liegen einander konträr entgegengesetzte Begriffe zugleich im Umfang desselben dritten, d. h. sind sie, als demselben Begriff untergeordnet, einander beigeordnet, und schließen sich ihre Umfänge untereinander aus, so heißen sie disjunkt, z. B. Laufvogel und Flugvogel.
Die Angabe des Inhalts eines Begriffs heißt Erklärung (definitio, s. Definition), z. B.: der Mensch ist das sinnlich-vernünftige Erdenwesen. Die Angabe des Umfanges ist die Einteilung (divisio, s. Einteilung), z. B.: alle beweglichen Weltkörper unsers Sonnensystems zerfallen in periodisch und nichtperiodisch bewegliche. Die von der Angabe der nächsten Merkmale (Gattungsmerkmal und spezifische Differenz) durch weitere Angabe der Merkmale dieser selbst fortgesetzte Erklärung muß schließlich zu nicht weiter erklärbaren, d. h. einfachen, Ur- oder Stammbegriffen kleinsten Inhalts und weitesten Umfanges, Kategorien, die fortgesetzte Einteilung der Einteilungsglieder schließlich zu nicht weiter einteilbaren, d. h. Einzelbegriffen (kleinsten Umfanges und größten Inhalts, Individualvorstellungen), führen.
Der Inbegriff aller auseinander durch Erklärung und Einteilung abgeleiteten Begriffe in ihrer natürlichen Abfolge der nächstfolgenden aus den nächst vorhergehenden, von den Kategorien bis zu den Individualbegriffen, bildet das (in seiner logischen Vollständigkeit unerreichte und unerreichbare) Ideal einer erschöpfenden Klassifikation aller (überhaupt oder doch innerhalb eines gewissen Gedankenkreises) möglichen Begriffe, das Begriffssystem (systema, s. System).
Wie der Begriff im psychologischen vom Begriff im logischen, so ist dieser selbst vom Begriff im grammatischen Sinn, d. h. von der sprachlichen Bezeichnung desselben durch das Wort, zu unterscheiden, indem nicht nur derselbe Begriff durch verschiedene Worte (Synonymie), sondern auch oft durch dasselbe Wort ein verschiedener Begriff (Homonymie) bezeichnet wird. Je nachdem nun der Entstehungsprozeß des (psychologischen) Begriffs aus den ihm zu Grunde liegenden Einzelwahrnehmungen (des Gemeinbildes aus seinen Anschauungen), oder die Zusammensetzung des (logischen) Begriffs aus seinen Inhaltsmerkmalen, oder der in der Zeit sich vollziehende Wechsel der Worte für denselben oder die Bedeutungen (Begriffe) desselben Wortes ins Auge gefaßt wird, läßt sich von einer Geschichte des Begriffs in psychologischem, logischem und sprachlichem Sinn des Wortes und in letzterer Hinsicht so
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wohl von einer Geschichte des Begriffs dieses in verschiedenen Bezeichnungen als des Wortes, d. h. seiner verschiedenen Bedeutungen, sprechen. In diesem Sinn hat Eucken eine »Geschichte der philosophischen Terminologie«, d. h. der Kunstworte für philosophische Begriffe (Jena 1878),
und Teichmüller »Studien zur Geschichte der Begriffe« (Berl. 1874) und »Neue Studien« (Gotha 1876-79, 3 Tle.), d. h. Untersuchungen über die Bedeutung desselben Kunstwortes bei verschiedenen Philosophen (insbesondere Platon und Aristoteles), geliefert.