Begräbnisplatz
(Totenacker, Friedhof, Gottesacker, Kirchhof, Campo santo), der Ort, wo die Verstorbenen beerdigt werden. In den ältesten Zeiten bestattete jeder seine Toten an dem Ort, wo er sich eben befand, am liebsten in Felsenhöhlen und an Straßen, wo man einen Hügel über dem Grab aufwarf, worin die Gebeine und Asche beigesetzt waren. In den Wüsten des Morgenlandes pflegten die, welche durch die Wüste zogen, an dem Ort, wo ein Toter lag, einen Stein auf den Erdhügel zu legen, so daß diese Grabhügel mit der Zeit zu bedeutender Höhe anwuchsen.
Später, als man feste Wohnplätze gewann, entstanden Familienbegräbnisp
lätze, und bei verschiedenen Naturvölkern
ist es sogar üblich, dem
Toten die
Wohnung ganz zu überlassen.
Öffentliche Begräbnisp
lätze finden sich zwar schon bei Naturvölkern
auf gewissen heiligen
Bezirken, wie z. B. bei
Stonehenge, auf dazu erlesenen
Inseln und
Feldern (Urnenfriedhöfe
der
Germanen und
Slawen, s.
Gräber); allgemeiner wurden sie aber erst, als die
Menschen sich in
Städten und Dörfern vereinigten,
wo es an
Raum zu Familienbegräbnissen mangelte und polizeiliche Rücksichten desfallsige
Anordnungen im großen erheischten.
Daher finden wir bei den Ägyptern und andern alten Völkern die in
Felsen gehauenen weitläufigen Totenstädte
(Nekropolen). Die
Hebräer benutzten
Höhlen, schattige
Grotten,
Gärten und Bergabhänge zu Begräbnisp
lätzen, verschlossen
die
Gräber mit großen
Steinen und pflegten sie zu übertünchen, um die Vorübergehenden vor verunreinigender Berührung
zu warnen. Wie wir aus Überbleibseln in
Palästina
[* 2] und
Syrien sehen, sind diese Begräbnisp
lätze mit
Treppen
[* 3] versehen oder horizontal in der
Erde angelegt und enthalten mehrere Abteilungen von 2-2,5 m
Länge, meist untereinander,
in welche die
Leichen geschoben wurden.
Die Könige besaßen erbliche und mit vielem Aufwand erbaute Gräber, wie z. B. die Gräber der Könige nördlich von Jerusalem [* 4] besondere Vorhöfe hatten. Auf den Gräbern errichtete man Grabmäler, in frühern Zeiten aus rohen Steinen, später in Form prachtvoller Mausoleen mit allerlei Sinnbildern. Die Griechen, Römer, [* 5] Gallier, Germanen besaßen anfänglich, wie die Hebräer, meist Familiengrüfte. In Sparta wurden die Toten innerhalb der Stadt begraben; in Athen [* 6] hatte man womöglich Privatgräber, doch gab es auch einen öffentlichen in der Nähe der Stadt.
Die
Römer hatten ihre Begräbnisse auf ihren Landgütern, besonders neben den
Straßen; ein gemeinsamer öffentlicher Begräbnisplatz
war in
Rom
[* 7]
nur für die
Armen, Sklaven u. dgl. vorhanden, er lag auf
dem Esquilinus; doch
gab es auch gemeinsame Kolumbarien (s. d.), in denen
die
Asche von Beamten und weniger reichen
Personen beigesetzt wurde. Die
Christen hatten während der Verfolgungen keine besondern
Begräbnisp
lätze, sondern bestatteten ihre
Toten in freiem
Feld.
Später wurden die Begräbnisp
lätze vielfach in die
Katakomben
verlegt, wo in unterirdischen
Kapellen die Versammlungen der
Gemeinde stattfanden, und blieben auch für
später in der
Nähe der
Kirchen, weil man glaubte, daß diese heiligen Stätten, die gewöhnlich durch in denselben beigesetzte
Märtyrergebeine und
Reliquien geweiht waren, die beste Ruhestätte gewährten.
Auf diese Weise entstanden die Kirchhöfe, welche im ganzen Mittelalter die gemeinschaftlichen Begräbnisplätze bildeten; ja, Vornehme erhielten ihre Gräber sogar inmitten der Kirchen. Vergebens verlangten mehrere Kirchenversammlungen Verbote gegen diese Unsitte; erst in späterer Zeit hat man angefangen, in größern Städten die Begräbnisplätze außerhalb der Mauern zu verlegen, und dringt darauf, daß auch in kleinern Orten und Dörfern diese Maßregel ausgeführt werde.
In der katholischen
Kirche muß bei Anlegung eines neuen Begräbnisplatzes
die
Erde zuvor von dem
Bischof
feierlich geweiht werden, und in streng römischen
Ländern ist die heilige Stätte
Akatholiken verschlossen. Häufig befindet
sich auf dem Begräbnisplatz
eine besondere Totenkapelle. In der
Schweiz
[* 8] und andern
Ländern mit beschränktem Platz trifft man außerdem
Beinhäuser für die ausgegrabenen Gebeine. In der protestantischen
Kirche findet eine
Weihe der Begräbnisplätze
nur nach völliger Vollendung derselben, gewöhnlich bei der ersten
Leiche, statt.
Doch wurde auch hier noch bis vor kurzem Selbstmördern und Andersgläubigen die Aufnahme versagt, weshalb man in größern Städten die Frage der konfessionslosen Gemeindefriedhöfe infolge der Unduldsamkeit mancher Geistlichen anregen mußte. Die Totenäcker der griechischen Kirche, besonders in Rußland, liegen außerhalb der Orte, soviel wie möglich auf Anhöhen, und werden durch hohe Fichten eingefriedigt. Die heutigen Juden suchen, wo es angeht, ihre Begräbnisplätze in der Nähe der Synagogen anzulegen.
Die aufrecht stehenden Leichensteine derselben gleichen den Grenzsteinen und tragen den Namen des Verstorbenen und alttestamentliche Stellen. Bei den Mohammedanern befinden sich die Begräbnisplätze immer an den Straßen, damit die Vorübergehenden für die Toten beten können; es sind übrigens große Gärten, mit Gebüsch, Cypressen und Pappeln bepflanzt und mit Kiosken und Gängen versehen, so daß sie vielfach zu Vergnügungsorten dienen. Auf den Monumenten ist der Turban des Verstorbenen und bei einem gewaltsamen Tode durch die Schnur, Enthauptung, Spießen etc. die Todesart selbst abgebildet. Die Chinesen, welche den meisten Wert darauf legen, in heimatlicher Erde zu ruhen, legen ihre Begräbnisplätze auf Anhöhen an und umgeben sie mit Fichten, Cypressen oder Mauern, während die Gräber selbst kleinen Häusern gleichen; nur bei den Ärmern bestehen sie aus Erdpyramiden. [* 9]
Unter den ältern christlichen Kirchhöfen verdient das mit herrlichen Kunstwerken geschmückte Campo santo in Pisa, [* 10] dessen Erde auf Schiffen aus Palästina herbeigeschafft wurde, besondere Erwähnung; berüchtigt ist der Armenkirchhof von Neapel [* 11] mit 365 Gewölben, die an den aufeinander folgenden Tagen des Jahrs zur Bestattung dienen, vielbesucht ferner der Judenfriedhof in Prag, [* 12] der Johannisfriedhof zu Nürnberg [* 13] und der Père Lachaise in Paris, [* 14] der einem herrlichen Park mit kostbaren Monumenten berühmter Personen ähnlich ist. In der letzten Zeit ist in fast allen deutschen Städten von einiger Bedeutung, namentlich in den Residenzstädten, Wesentliches zur Verbesserung und würdigen Ausschmückung der Kirchhöfe geschehen. Man hat nicht nur aus Sanitätsrücksichten die Notwendigkeit der Verlegung der Begräbnisplätze außerhalb der Städte ¶
mehr
erkannt und angefangen, für zweckmäßig eingerichtete Leichenhäuser (s. d.) zu sorgen, sondern auch für schöne Anlagen und entsprechenden Schmuck der Gräber Sorge getragen. Die Begräbnisplätze galten zu allen Zeiten und bei allen gebildeten Völkern als heilig; namentlich rechneten Griechen und Römer jede Verletzung derselben zu den schwersten Verbrechen. Das Areal der Begräbnisplätze ist in der Regel Eigentum der Kirche. Im Fall der Unvermögendheit dieser ist ihre Erhaltung, resp. zweckmäßige Einrichtung Pflicht der Eingepfarrten.
Die Anlegung neuer Begräbnisplätze kann bloß unter Genehmigung der kirchlichen Oberbehörden, welche dabei das Gutachten der Medizinalpolizei zu hören haben, erfolgen. Ebenso unterliegt die Wahl besonderer Begräbnisplätze außerhalb des Totenackers der Genehmigung von seiten dieser Behörde. Zweckmäßig hat man neuerdings für die Totenäcker den Namen Friedhof vorgezogen.
Vgl. Grotefend, Das Leichen- und Begräbniswesen im preußischen Staat (Arnsberg [* 16] 1869);
Wernher, Die Bestattung der Toten in Bezug auf Hygieine (Gießen [* 17] 1880).