und Begharden
(Beguinen,
Beginen oder Begutten, Beguinae, bez. Beghardi, Beguini, Beckarden) heißen
in den
Quellen des 12.-14. Jahrh. die Mitglieder der
Collegia Beguinarum, bez. Beguinorum, d. h.
der
Brüder- und Schwesternhäuser, in welchen arme, ältere
PersonenWohnung,
Heizung
[* 2] und
Licht
[* 3] unentgeltlich
empfingen. Den sonstigen Lebensunterhalt verdienten sie, soweit sie dazu im stande waren, durch
Handarbeiten, eventuell durch
Krankenpflege und sonstige nützliche Beschäftigungen.
Der
NameBeghinen und Begharden, von welchen der erstere
Frauen, der zweite
Männer bezeichnet, hat bis jetzt keine allgemein
anerkannte Deutung gefunden. Die
Ableitung von dem
NamenLambert le Bègues, der 1180 in
Lüttich
[* 4] ein Beghinenhaus
stiftete, hat einige
Wahrscheinlichkeit für sich; dagegen scheint die
Erzählung von der heil. Begha, welche in einer spätern
Epoche zur Schutzpatronin der Beghinenhäuser gemacht wurde, auf einer
Mythe zu beruhen. Der
NameBeghinen wird erst im 15. Jahrh.
von den
Insassen dieser
Stifter selbst gebraucht, in der frühern Zeit ist es ein Schelt- und Sektenname,
welcher von den
»Brüdern« und
»Schwestern« (denn so pflegten sie sich einfach zu nennen) zurückgewiesen worden ist.
Die Begharden- und Beghinenhäuser sind bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrh. fast ausschließlich
frommeStiftungen jener weitverbreiteten
»Brüdergemeinden«, welche unter dem
NamenWaldenser bekannt sind.
Die
Geistlichen der
Brüdergemeinden waren ihre
Patrone. Sie hatten große
Ähnlichkeit
[* 5] mit den heutigen evangelischen Frauenstiftern
und Diakonissenhäusern. Sie standen zu den katholischen
Orden,
[* 6] von welchen sie sich prinzipiell unterschieden, in
Opposition.
Daher erfolgten seit 1311 durch
PapstClemens V. Unterdrückungsmaßregeln. Infolge der äußern Verfolgungen
und des Rückganges des Waldensertums sahen sich die
Collegia Beguinarum meist genötigt, die
Franziskaner-Ordensregel anzunehmen,
und von da ab wurden sie von den
Päpsten wieder in
Schutz genommen. Während noch die
Inquisition von
Toulouse
[* 7] vom Jahr 1307 ab
zahlreiche Beghinen als
Ketzer zur
Einmauerung und
Verbrennung verurteilt
¶
mehr
hatte, erließ PapstJohann XXII. eine Bulle, in welcher allen denjenigen Beghinen, welche die Regel der Franziskaner-Tertiarier
annehmen wollten, Gnade zugesichert ward. Die BullePapstNikolaus' V. vom nahm alle damals noch bestehenden Konvente
in den Schoß der Kirche auf und verlieh ihnen die Rechte derTertiarier. Die Zeit der größten Ausbreitung
des Beghinenwesens fällt in das 13. und 14. Jahrh. Damals gab esKonvente in fast ganz Westeuropa, besonders in Oberitalien,
[* 9] Südfrankreich, Deutschland,
[* 10] den Niederlanden, Österreich,
[* 11] der Schweiz
[* 12] etc. Innerhalb des Reichsgebiets verschwanden sie mit
dem 16. Jahrh.; in Norddeutschland nahmen sie meist die Reformation an. In Belgien,
[* 13] wo sie kirchlich organisiert
wurden, existieren sie noch heute (20 Beghinenhäuser mit etwa 1500 Insassen).
Vgl. Mosheim, De Beghardis et Beguinabus (Leipz.
1790);
Hallmann, Geschichte des Ursprungs der belgischen Beghinen (Berl. 1843);
L.Keller, Die Reformation und die ältern Reformparteien
(Leipz. 1885).
(Beguinae, Beguttae), Vereine von Frauen und Jungfrauen zu gemeinsamem andächtigem Leben,
gegen Ende des 12. Jahrh. in den Niederlanden entstanden. Sie wurden früh Beghinen oder Begutten genannt; doch stammt der Name weder
von der heil. Begga (s. d.) noch von dem altsächs. Worte «beggen»,
das in der Bedeutung «beten» nicht vorkommt; wahrscheinlicher von dem Priester
Lambertus de Bègues oder le Bèghe, der 1180 in Lüttich einen derartigen Verein gestiftet haben soll.
Der NameBegutten wird von der Formel «bei Gott» abgeleitet, deren sich die
Beghinen bedienten. Jedenfalls waren diese Namen ursprünglich eher Spott- und Scheltnamen; sie selbst nannten sich einfach Schwestern
(oder Brüder). Ohne Klostergelübde abzulegen oder der Regel eines Ordens zu folgen, vereinigten sich die
Beghinen unter einer frei gewählten Vorsteherin zu Übungen der Andacht und Wohlthätigkeit; doch stand ihnen jederzeit der Rücktritt
ins Privatleben oder die Verheiratung frei.
Sie wohnten zusammen in Beghinenhöfen, die ursprünglich außerhalb, erst später in den Städten, z. B. in Gent,
[* 14] angelegt
waren, bestehend aus einzelnen Häusern mit Kirche, Krankenhaus
[* 15] und Herberge. Bald gewannen sie durch Schenkungen
und Vermächtnisse Vermögen, so daß manche Häuser einträgliche Pfründen gewährten, während in den ärmern die Beghinen durch
Handarbeit ihren Unterhalt verdienten. Auch Männergesellschaften dieses Namens, meist Begharden (Beghardi, auch Beguini) genannt,
traten Anfang des 13. Jahrh. in Deutschland, den Niederlanden und Frankreichauf und verbreiteten sich auch
nach Italien
[* 16] als Bizachi, Bocasoti. Obwohl Gleiches bezweckend wie jene Frauengesellschaften, errangen sie dennoch die Achtung
und Würde der letztern nicht, sondern wurden öfters, schon gegen Ende des 13. Jahrh. als
fromme Müßiggänger, bons garçons, boni pueri oder valetes gescholten.
Ihre Blütezeit hatten die Beghinen im 13. und 14. Jahrh.,
wo sie in Deutschland, Frankreich, Oberitalien, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz weit verbreitet waren. Als sich
aber nach und nach Ketzer aller Art, wie Albigenser, Waldenser, Fraticellen, Brüder und Schwestern vom freien Geiste auf sie als
eine geduldete Form halbgeistlicher Laienschaft zurückzogen, schritt die Inquisition gegen sie ein, verurteilte
viele zur Verbrennung und Einmauerung, und Clemens Ⅴ. verfügte auf dem Konzil zu Vienne (1311) ihre Auflösung. Allein Johann
ⅩⅫ nahm die rechtgläubigen weiblichen in Schutz und versprach durch eine Bulle vom allen denen Gnade, welche
die Regel der
¶
mehr
Franziskaner-Tertiarier annehmen wollten. 1374 und 1377 befahl Gregor Ⅺ. auch die Männergesellschaften in Deutschland und
den Niederlanden zu dulden, und nahm Nikolaus Ⅴ. die damals noch bestehenden Konvente in die Kirche auf, indem er
ihnen die Rechte der Tertiarier verlieh. Damit verschwinden sie nach und nach; am längsten erhielten sie
sich in Deutschland, wo sie sich meist der Reformation anschlossen, und in den Niederlanden, wo sie kirchlich organisiert wurden;
in Belgien sollen noch 20 Beghinenhäuser mit 1500 Insassen bestehen. In Frankreich tauchten in der neuesten Zeit mystische
Sekten unter dem Namen von Beguinenvereinen auf, die wegen Geheimhaltung ihrer Versammlungen, in Verbindung
mit dem Verdachte von Ausschweifungen, einer zuchtpolizeilichen Verurteilung unterlagen. –
Vgl. Mosheim, De Beghardis et Beguinabus
(Lpz. 1790);
Hallmann, Geschichte des Ursprungs der belgischen Beghinen (Berl. 1843);