Beghīnen
(Beguinae, Beguttae),
Vereine von Frauen und
Jungfrauen zu gemeinsamem andächtigem Leben,
gegen Ende des 12. Jahrh. in den
Niederlanden entstanden. Sie wurden früh Beghinen
oder
Begutten genannt; doch stammt der
Name weder
von der heil.
Begga (s. d.) noch von dem altsächs. Worte «beggen»,
das in der Bedeutung «beten» nicht vorkommt; wahrscheinlicher von dem Priester
Lambertus de Bègues oder le Bèghe, der 1180 in
Lüttich
[* 2] einen derartigen
Verein gestiftet haben soll.
Der
Name
Begutten wird von der Formel «bei Gott» abgeleitet, deren sich die
Beghinen
bedienten. Jedenfalls waren diese
Namen ursprünglich eher Spott- und Scheltnamen; sie selbst nannten sich einfach Schwestern
(oder
Brüder).
Ohne Klostergelübde abzulegen oder der Regel eines
Ordens zu folgen, vereinigten sich die
Beghinen
unter einer frei gewählten Vorsteherin zu
Übungen der
Andacht und Wohlthätigkeit; doch stand ihnen jederzeit der Rücktritt
ins Privatleben oder die Verheiratung frei.
Sie wohnten zusammen in Beghinen
höfen, die ursprünglich außerhalb, erst später in den
Städten, z. B. in Gent,
[* 3] angelegt
waren, bestehend aus einzelnen Häusern mit
Kirche,
Krankenhaus
[* 4] und Herberge.
Bald gewannen sie durch Schenkungen
und Vermächtnisse Vermögen, so daß manche Häuser einträgliche Pfründen gewährten, während in den ärmern die Beghinen
durch
Handarbeit ihren
Unterhalt verdienten. Auch Männergesellschaften dieses
Namens, meist
Begharden (Beghardi, auch Beguini) genannt,
traten Anfang des 13. Jahrh. in
Deutschland,
[* 5] den
Niederlanden und
Frankreich
auf und verbreiteten sich auch
nach
Italien
[* 6] als
Bizachi,
Bocasoti. Obwohl
Gleiches bezweckend wie jene Frauengesellschaften, errangen sie dennoch die
Achtung
und Würde der letztern nicht, sondern wurden öfters, schon gegen Ende des 13. Jahrh. als
fromme Müßiggänger, bons garçons, boni pueri oder valetes gescholten.
Ihre Blütezeit hatten die Beghinen
im 13. und 14. Jahrh.,
wo sie in
Deutschland,
Frankreich, Oberitalien,
[* 7]
Österreich,
[* 8] den
Niederlanden und der
Schweiz
[* 9] weit verbreitet waren. Als sich
aber nach und nach
Ketzer aller Art, wie
Albigenser,
Waldenser,
Fraticellen,
Brüder und Schwestern vom freien
Geiste auf sie als
eine geduldete Form halbgeistlicher Laienschaft zurückzogen, schritt die
Inquisition gegen sie ein, verurteilte
viele zur
Verbrennung und Einmauerung, und Clemens Ⅴ. verfügte auf dem
Konzil zu Vienne (1311) ihre
Auflösung. Allein
Johann
ⅩⅫ nahm die rechtgläubigen weiblichen in Schutz und versprach durch eine
Bulle vom allen denen
Gnade, welche
die Regel der
¶
mehr
Franziskaner-Tertiarier annehmen wollten. 1374 und 1377 befahl Gregor Ⅺ. auch die Männergesellschaften in Deutschland und
den Niederlanden zu dulden, und nahm Nikolaus Ⅴ. die damals noch bestehenden Konvente in die Kirche auf, indem er
ihnen die Rechte der Tertiarier verlieh. Damit verschwinden sie nach und nach; am längsten erhielten sie
sich in Deutschland, wo sie sich meist der Reformation anschlossen, und in den Niederlanden, wo sie kirchlich organisiert wurden;
in Belgien
[* 11] sollen noch 20 Beghinen
häuser mit 1500 Insassen bestehen. In Frankreich tauchten in der neuesten Zeit mystische
Sekten unter dem Namen von Beguinenvereinen auf, die wegen Geheimhaltung ihrer Versammlungen, in Verbindung
mit dem Verdachte von Ausschweifungen, einer zuchtpolizeilichen Verurteilung unterlagen. –
Vgl. Mosheim, De Beghardis et Beguinabus (Lpz. 1790);
Hallmann, Geschichte des Ursprungs der belgischen Beghinen
(Berl. 1843);
Keller, Die Reformation und die ältern Reformparteien (Lpz. 1885).