Bezeichnung desjenigen Vermögens der Seele, worin das Wünschen und Verabscheuen,
Streben und Widerstreben des Menschen seinen Grund hat. Ist das Streben daraufhin gerichtet, einen zukünftigen Zustand herzustellen,
und ist dieser erstrebte Zustand deshalb anziehend, so heißt das Streben ein Begehren im engern Sinn; ist dagegen das Streben
gegen den gegenwärtigen Zustand, der also abstoßend erscheint, berechnet, so bezeichnen wir dasselbe
als ein Verabscheuen.
Jenes ist ein Aufstreben einer Vorstellung ins Bewußtsein gegen Hindernisse mit Unterstützung durch verbundene Vorstellungen,
dieses kann als Niedergedrücktwerden einer Vorstellung durch entgegengesetzte mächtigere bezeichnet werden. Während die
ältere Psychologie von einem obern und niedern Begehrungsvermögen sprach, erkennt die neuere nur eine Einteilung der Begehrungen in
sinnliche oder materielle und geistige oder intellektuelle an. In die erste Klasse gehört vor allen der sinnliche oder Naturtrieb,
und diese Art der sinnlichen Begehrung prägt sich wieder am bestimmtesten aus im Nahrungstrieb, Bewegungstrieb, Geschlechtstrieb.
Die zweite Unterabteilung der sinnlichen Begehrungen bilden die sinnliche Begierde und ihr Gegenteil (Abscheu). Zu
der Klasse der geistigen Begehrungen rechnet man Neigungen und Abneigungen, Sehnsucht, Wünsche, geistiges Interesse, herrschend
gewordene Begierden oder Leidenschaften, endlich diejenige Begehrung, welche von der Vorstellung der Erreichbarkeit des Begehrten
begleitet wird, d. h. den Willen (s. d.), das Wollen.
ein Ausdruck der ältern Psychologie, der die Erscheinungen zusammenfaßt, welche sich auf ein
Streben aus der Gegenwart in die Zukunft beziehen, die Begehrungen und Verabscheuungen, Neigungen und
Abneigungen, dann auch die Überlegungen, Entschließungen und Willensakte. Es wurde gesondert einerseits vom Erkenntnisvermögen,
andererseits vom Gefühlsvermögen. Man unterschied außerdem ein unteres oder niederes und ein oberes oder höheres Begehrungsvermögen, indem
man zu jenem die Äußerungen der sinnlichen Triebe, des instinktmäßigen Wollens, ebenso die Neigungen und
Leidenschaften, zu diesem das verständige, überlegte, vernünftige sittliche Wollen rechnete.
In der letztern Beziehung setzte Kant die praktische, sittlich gesetzgebende Vernunft dem obern Begehrungsvermögen gleich. Die ganze Ansicht
vom geistigen Leben jedoch, in welcher die Annahme eines besondern Begehrungsvermögen wurzelt, hat sich als unzureichend zur Erklärung der
psychischen Vorgänge erwiesen, und die Psychologie hat es als ihre Aufgabe erkannt, die verschiedenen
Arten des Begehrens (Wunsch, Begierde, Trieb, Neigung, Leidenschaft, Wille) in ihrer individuellen Bestimmtheit und Veränderlichkeit
aus elementaren Erscheinungen und allgemeinen Gesetzen abzuleiten.
Hiernach werden Begehren und Widerstreben als die beiden Grundformen der Triebe aufgefaßt, als Gefühle der Lust oder
Unlust in Verbindung mit mehr oder weniger deutlichen Vorstellungen und gefolgt von Bewegungen, welche das vorhandene Lustgefühl
zu vergrößern oder das empfundene Unlustgefühl zu beseitigen bestimmt sind. Dies geschieht dadurch, daß die jenen Vorstellungen
entsprechenden thatsächlichen Zustände des Körpers herbeigeführt und die dazu erforderlichen äußern Bedingungen hergestellt
werden.