[* 2] (Fecundatio), bei den
Tieren und
Pflanzen der Vorgang, bei welchem die bis zu einem gewissen
Grad ausgebildeten
Erzeugnisse der keimbereitenden Geschlechtsdrüsen in
Wechselwirkung treten, so daß der von dem weiblichen
Organ herrührende
Keim durch den von den männlichen
Organen kommenden Zeugungsstoff zur Weiterentwickelung befähigt und
angeregt wird. Das
Resultat der Befruchtung ist die Entstehung eines neuen
Individuums von gleicher Art wie die Eltern.
Die Art und
Weise, in welcher dafür gesorgt wird, daß
Same und
Ei
[* 3] miteinander in Berührung treten können, ist sehr verschieden.
Bei niedern
Tieren und
Pflanzen, namentlich den im
Meer lebenden, werden häufig beide in das
Wasser entleert,
wobei dann die
Wahrscheinlichkeit, daß ein Samenkörperchen ein
Ei erreicht, sehr klein ist und nur in der ungemein reichlichen
Produktion derselben ein Gegengewicht liegt; vielfach jedoch sind mehr oder weniger verwickelte Einrichtungen zum leichtern
Zustandekommen der Befruchtung getroffen; bei der
Begattung (s. d.) wird sogar der
Same direkt in die weiblichen
Geschlechtsorgane gebracht.
Das Wesentliche bei der Befruchtung besteht nun darin, daß das Samenkörperchen oder wenigstens ein Teil desselben
in das
Ei eindringt, mit ihm verschmilzt und ihm
so den Anstoß zur weitern
Entwickelung gibt
[* 1]
(Fig. 1 u. 2, S. 610);
vgl.
Ei. Die bloße Berührung von
Ei und
Same genügt also nicht. Gewöhnlich ist ein Samenkörperchen im
Vergleich zum
Ei verschwindend
klein, jedoch reicht meist, vielleicht immer, ein einziges zur Befruchtung aus; ja, von gewissen niedern
Tieren ist es erwiesen, daß
sofort nach dem Eindringen des ersten die bis dahin durchlässige
Eihülle sich so umwandelt, daß kein
weiteres mehr eindringen kann.
BeimMenschen und manchen andern
Säugetieren braucht der
Same unter Umständen mehrere
Tage, um das
Ei zu erreichen; bei den
Insekten
[* 4] gelangt er ganz allgemein nach der
Begattung in ein besonderes Behältnis (receptaculum seminis) im
Hinterleib des Weibchens
und bleibt dort zuweilen über ein Jahr lang befruchtungsfähig. Die Fähigkeit zur Erzeugung befruchtungsfähiger
Zeugungsstoffe erhalten die verschiedenen Organismen alle erst in der Zeit der
Geschlechtsreife, welche bekanntlich wieder,
wenigstens
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bei den höhern Tierklassen und auch beim Menschen, in einem gewissen Alter erlischt. Die sogen. künstliche Befruchtung, welche im
Zusammenbringen von reifen Eiern mit befruchtungsfähigem Samen
[* 6] besteht, läßt sich bei manchen Tieren mit Erfolg ausführen
und erleichtert nicht nur das Studium der Entwickelungsgeschichte
[* 7] der betreffenden Arten, sondern ist auch für
die Fischzucht (s. d.) von großem Nutzen. Selbst Bastarde lassen sich auf diese Weise erzielen.
Diese sogen. Konjugation kann zwischen ruhenden oder beweglichen Zellen (Gameten) stattfinden. Bei andern
Algen und Pilzen sowie bei den Moosen und Farnkräutern entwickeln sich besondere weibliche Organe (Oogonien, Archegonien), in
denen Eizellen gebildet werden, und andre männliche (Antheridien), in welchen zahlreiche kleine, den Samenfäden der Tiere
analoge Zoospermien auftreten. Die Befruchtung besteht hier jedesmal in der direkten Vermischung
eines Zoosperms mit der Eizelle.
Bei den Blütenpflanzen bleiben die Eizellen dagegen in andern Gewebemassen eingeschlossen, so daß bei ihnen die Befruchtung durch
bewegliche Zoospermien unmöglich wird. Hier bilden die männlichen Geschlechtszellen oder Pollenkörner,
[* 10] sobald sie sich
auf dem dazu eingerichteten Teil des weiblichen Befruchtungsorgans festgesetzt haben, einen schlauchartigen
Fortsatz, den Pollenschlauch, aus, welcher bis zu der Eizelle durchwächst und seinen Befruchtungsstoff auf noch nicht beobachtete
Weise in die Eizelle übertreten läßt. Letztere beginnt überall erst nach der Befruchtung die zuletzt zur Bildung des Embryos führende
weitere Entwickelung.
[* 2]
^[Abb.: Fig. 1. Abschnitte des Eies von einem Seestern (Asterias glacialis), mit Samenfäden, von denen einer
bei a sich in die Hüllzone des Eies einbohrt, bei b schon hindurchgedrungen ist.]
[* 2] in den beiden organischen Reichen die Erweckung des weiblichen Keims zu weiterer Ausbildung durch Vermischung
mit dem männlichen Zeugungsstoffe.
1) Im Tierreiche ist die Fortpflanzung durch mit männlichem Samen befruchtete Eier
[* 13] die Regel. Bedingungen
der Befruchtung sind: die Gegenwart zweier verschiedener Zeugungsstoffe, Eier und Samen, und die materielle Vereinigung beider, sei
es innerhalb, sei es außerhalb des weiblichen Organismus. Die Elemente des Samens (Samenkörperchen, ihrer tierähnlichen
Beweglichkeit wegen ehemals als Samentierchen bezeichnet) dringen bis in das Ei selbst ein, und der Eintritt
in dasselbe geschieht entweder durch dessen schwammige Hülle, durch welche sich die Samenfäden einbohren, wie z.B. bei
den Froscheiern, oder durch besondere Öffnungen der äußern Eihülle, die man Mikropylen genannt hat (Insekten, Echinodermen
u.s.w.).
Der Kern der reifen Eizelle (das Keimbläschen) teilt sich vor der in zwei ungleich große Hälften: die
größere tritt mit Dottersubstanz zusammen als Richtungskörperchen oder Polzelle aus dem Ei. Der kleinere Teil bleibt als
sog. Eikern oder Pronucleus im Ei zurück. Mit diesem Rest verschmilzt ein einziges Fädchen des eingedrungenen männlichen
Samens und bildet so einen neuen Kern (Furchungskern, Metanucleus), der Pronucleus regeneriert also durch
Aufnahme des männlichen Zeugungsstoffes, und von ihm geht unter Teilungserscheinung die Furchung des befruchteten Eies aus.
Bevor der nach dem Eindringen zu einem runden Körper veränderte Samenfaden mit dem Pronucleus verschmilzt, bildet sich in der
Dottermasse eine sog. Strahlenfigur (s. Zelle). Die Eier reifen bei allen Tieren unabhängig von der Befruchtung, tritt
aber dieselbe nicht zur rechten Zeit ein, so entwickelt sich das Ei in der Regel nicht weiter, sondern geht zu Grunde. Bei
denjenigen Tieren, bei welchen die Befruchtung im Innern des weiblichen Organismus vor sich geht, sind besondere Begattungsorgane
vorhanden, häufig von sehr verwickeltem Bau; bei denen, wo die Befruchtung
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erst nach der Ausstoßung der Eier stattfindet, fehlen dieselben gewöhnlich ganz. Bei vielen im Wasser lebenden Tieren, wie
z. B. Muscheln,
[* 15] ist die Befruchtung ganz dem Zufalle überlassen. Die männlichen
Tiere stoßen ihren Samen in das Wasser aus, der durch die Strömungen zu den Eiern gelangt. Nicht minder große Verschiedenheiten
herrschen hinsichtlich der Zeit, zu der die Befruchtung stattfinden kann. Manche Tiere, wie z. B. viele Insekten,
die Männchen der Rädertiere, bestehen in vollkommenem Zustande nur für die Befruchtung, sie nehmen keine Nahrung zu sich, und ihre
Lebensdauer ist sehr kurz. Bei andern entwickeln sich die Befruchtungsstoffe nur zu bestimmten Zeiten, meist
im Frühjahr; andere sind stets während eines gewissen Alters zur Begattung befähigt.
Bei Tieren, bei welchen äußerliche Befruchtung stattfindet, wie z. B. bei den meisten
Fischen, hat man neuerdings zu Züchtungszwecken die künstliche Befruchtung angewendet (s.
Fischzucht). Bei Amphibien (Fröschen), selbst bei Säugetieren hatte (durch Einspritzung
[* 16] des männlichen Zeugungsstoffes
in die weiblichen Geschlechtsteile) schon Spallanzani künstliche Befruchtung bewerkstelligt. - Nach der Lehre
[* 17] der
Ovisten sollte das Ei, nach der Lehre der Spermatiker der Samen oder der Samenfäden die materielle Grundlage des sich entwickelnden
Embryos bilden. Die vereinigten Teilchen beider Eltern im Furchungskern sind nach Ansicht der modernen Wissenschaft die materiellen
Träger
[* 18] der gemischten Vererbung der Charaktere beider Eltern auf die Nachkommen.
2) Im Pflanzenreiche beruht der Vorgang der Befruchtung ebenso wie im Tierreiche im allgemeinen darauf, daß sich der Inhalt einer männlichen
Zelle mit dem einer weiblichen Zelle, der sog. Eizelle, entweder direkt oder durch Diosmose vermischt. Das letztere findet
statt bei sämtlichen Phanerogamen, wo die Fortpflanzungszellen bei der Befruchtung geschlossene Membranen besitzen;
die direkte Vermengung dagegen ist nur dann möglich, wenn die männlichen und weiblichen Befruchtungszellen nicht mit Zellmembranen
umgeben sind oder wenn diese Membranen vor dem Befruchtungsakte durch Zerreißen oder Auflösen entfernt werden. Diese Art
der Befruchtung ist bei den meisten Kryptogamen vorhanden, bei denen überhaupt eine Sexualität genau bekannt
ist.
Bei denPhanerogamen werden die Pollenkörner, die in den Staubfäden gebildet werden, als die männlichen, die Samenknospen
(s. d.), die entweder wie bei den Angiospermen (s. d.) von einem Fruchtknoten umhüllt sind oder wie bei den Gymnospermen (s. d.)
keine derartige Umhüllung besitzen, als die weiblichen Organe bezeichnet (s.
Generationswechsel). Innerhalb der Samenknospe, am Scheitel des Eikerns, entsteht der Embryosack
[* 19] in der Weise, daß sich eine
Zelle des Eikerngewebes bedeutend vergrößert.
In demEmbryosack bildet sich sodann durch sog. freie Zellbildung (s.
Zelle) die weibliche Fortpflanzungszelle, die Eizelle. Außer der Eizelle bilden sich im Embryosack ebenfalls
durch freie Zellbildung noch einige andere Zellen, zwei
am Scheitel, neben oder über der Eizelle liegend, und zwei am Grunde
desselben; die erstern führen, weil sie bei dem Befruchtungsakte mitwirken, den NamenSynergiden oder Gehilfinnen, die beiden
letztern werden gewöhnlich nach ihrer Stellung als Antipoden bezeichnet, sie spielen bei der Befruchtung selbst
keine Rolle.
Der eigentliche Vorgang der Befruchtung ist folgender: Nachdem der in den Antheren oder Staubbeuteln gebildete Pollen seine Reife erlangt
hat, springen die erstern auf, und die Pollenkörner können durch Vermittelung äußerer Einwirkungen, z. B.
durch den Wind, durch Insekten, auch durch die Hand
[* 20] des Menschen (s. Bestäubung), auf die Narben der die
Samenknospen einschließenden Fruchtknoten gelangen. Hier keimen sie unter dem Einfluß der von der Narbe abgesonderten zuckerhaltigen
Feuchtigkeit, indem die innere Haut
[* 21] durch Öffnungen der äußern (s. Pollen) in Form von zarten plasmareichen Schläuchen
heraustritt; die so gebildeten Pollenschläuche dringen in die Narbe ein und von da durch das Gewebe
[* 22] des Griffels hindurch bis in die Fruchtknotenhöhlung; hier angelangt, wachsen sie in die Mikropyle hinein und legen sich
an den Scheitel des Embryosackes an (s. nebenstehende
[* 14]
Figur, m Mikropyle, e Embryosack).
Durch dieses Anlegen wird die Befruchtung bewirkt, indem der Inhalt des Pollenschlauchs vermutlich durch Diosmose
sich mit demjenigen der Eizelle, und zwar durch Vermittelung der Synergiden, vermischt. Nach der Befruchtung wächst die Eizelle allmählich
zum Embryo (s.d.) heran. Bei den Gymnospermen ist der Vorgang der Befruchtung insofern ein anderer, als die Pollenkörner direkt auf
die Samenknospen zu liegen kommen und hier nur einen kurzen Schlauch bis zum Embryosack treiben. Außerdem
ist noch die Ausbildung des Embryosackes und der hier zu mehrern vorhandenen Eizellen, die in Verbindung mit ihren Synergiden
Corpuscula oder, wegen ihrer Ähnlichkeit
[* 23] mit den weiblichen Organen der höhern Kryptogamen, auch Archegonien genannt werden,
eine wesentlich andere als bei den Angiospermen. (S. Gymnospermen.)
Bei denKryptogamen führen die weiblichen Zellen ebenfalls den NamenEizellen, die männlichen dagegen heißen Spermatozoiden.
Die Eizellen liegen bei den höhern Kryptogamen, den Farnkräutern, Schachtelhalmen u. s. w. und bei den Moosen im Innern von
besondern Zellkörpern, die man als Archegonien bezeichnet. Die Spermatozoiden werden ebenfalls in bestimmten
Zellen oder Zellkörpern gebildet, aus denen sie bei der Reife ausschlüpfen, um sodann vermittelst einer oder mehrerer haarähnlicher
Gebilde, der Cilien, äußerst lebhaft im Wasser hcrumzuschwärmen. Auch die Archegonien öffnen sich bei der Reife und gestatten
so den Spermatozoidcn direkt bis zur Eizelle zu gelangen und sich mit derselben zu vermischen. Die Befruchtung dieser
Pflanzen kann nur bei Zugegensein von Wasser in tropfbar flüssiger Form vor sich gehen, da die Spermatozoidcn nur unter
dieser Bedingung zu den Eizellen gelangen können. Das Resultat
¶
Bei den niedern Kryptogamen, den Algen und Pilzen, sind die Vorgänge bei der Befruchtung im wesentlichen dieselben wie bei den höhern
Kryptogamen. Auch hier findet eine direkte Vermischung der in Antheridien gebildeten Spermatozoiden und der
in den Oogonien oder auch Karpogonien vorhandenen Eizellen statt. Eine Ausnahme hiervon macht bloß die Familie der Rhodophyceen
(s. d.), indem hier die Spermatozoiden nicht mit der Eizelle in unmittelbare Berührung kommen, sondern die Befruchtung durch Vermittelung
einer oder mehrerer andern Zellen bewirken müssen.
Bei den übrigen Algen und bei den Pilzen, soweit sie überhaupt Sexualität haben, sind die Geschlechtsorgane
je nach den Familien sehr verschiedenartig gebaut. Die Oogonien und Karpogonien umschließen die Eizellen, bei der Reife der
letztern öffnen sie sich, um den Spermatozoiden das Eindringen in die Eizellen zu ermöglichen, oder das Antheridium legt
sich an das weibliche Organ an, durchbohrt die Membran desselben und entläßt nun die Spermatozoiden
direkt in das Innere. Das Resultat der Befruchtung ist hier stets die Bildung einer oder mehrerer Sporen, aus denen bei der Keimung wieder
ein neues Individuum hervorgeht.