Becket
,
Thomas a, der heilige Thomas von Canterbury, Kämpfer für die päpstl. Hierarchie in England, geb. 1117 zu Cheapside (London), [* 2] Sohn eines aus der Normandie eingewanderten Kaufmanns, studierte zu Paris [* 3] Theologie, zu Bologna die Rechte, wurde von Theobald, Erzbischof von Canterbury, mit dem Archidiakonat zu Canterbury und der Propstei Beverley betraut und 1155 von König Heinrich Ⅱ. zum Kanzler ernannt. In dieser Stellung unterstützte er des Königs monarchische Politik gegenüber den Ansprüchen der Kirche und gewann Heinrichs Vertrauen in solchem Grade, daß dieser 1162 zu Canterbury B.s Wahl zum Erzbischof und Primas des Reichs erzwang; 1163 erfolgte die päpstl.
Bestätigung. Aber nun trat eine Wandlung ein: als Erzbischof kannte Becket
kein höheres Ziel, als die im Papste gipfelnde hierarchische
Klerikalkirche gegen jeden
Eingriff der
Staatsgewalt sicher zu stellen;
er erstrebte völlige Exemtion des Klerus von aller bürgerlichen Gerichtsbarkeit und Erwerbung eines selbständigen Kirchenvermögens.
Dagegen berief
Heinrich
Ⅱ. eine Versammlung geistlicher und weltlicher
Großen nach Clarendon, deren
Beschlüsse in den «Konstitutionen
von Clarendon» die energische Behauptung staatlicher Hoheit gegenüber der
Kirche darstellten. Becket
war gezwungen zuzustimmen,
widerrief aber bald darauf. Vor des Königs Gericht zu
Northampton geladen, floh er nach
Frankreich, von wo aus
er, von Papst
Alexander Ⅲ. und dem franz. König
Ludwig Ⅶ. geschützt, den Kampf gegen
Heinrich fortsetzte.
Erst im
Sommer 1170 kam eine scheinbare
Vereinigung zu stande, auf
Grund deren Becket
nach England zurückkehrte. Aber der alte
Kampf drohte von neuem auszubrechen, als Becket
infolge eines verhängnisvollen Wortes
des erbitterten Königs von vier Edelleuten auf den
Stufen des
Altars erschlagen ward. Der Ermordete erschien dem
Volke als
ein Märtyrer, man glaubte an Zeichen und Wunder, die an seinem
Grabe geschahen, der König selbst mußte sich zur
Buße am
Grabe des zum
Heiligen erhobenen
Thomas demütigen, der bald der Nationalheilige Englands wurde.
Heinrich Ⅲ. ließ 1221 die Gebeine B.s in eine eigene Kapelle bringen, wohin Gläubige in großer Anzahl Wallfahrten machten, deren Andenken Chaucer in seinen «Canterbury tales» aufbewahrt hat. Jährlich ward ein großes Fest, und alle 50 Jahre ein Jubiläum gefeiert, bis Heinrich Ⅷ. nach seiner Trennung von der röm. Kirche sich des reichen, in B.s Kapelle aufgehäuften Schatzes bemächtigte, den Heiligen vor seinen Gerichtshof laden und, da er ausblieb, als Verräter und Majestätsverbrecher verurteilen ließ.
Sein Name ward aus dem Kalender gestrichen, die Feier seines Festes untersagt, seine Gebeine wurden verbrannt. –
Vgl.
Giles,
Life and letters of
Thomas a Becket
(2 Bde., Lond.
1846);
Buß, Der heil. Thomas (Mainz [* 4] 1856);
Morris, The life and martyrdom of St.
Th. Becket
(Lond. 1859);
Reuter, Geschichte Alexanders Ⅲ. und der Kirche seiner Zeit (3 Bde., Lpz. 1860‒64);
Robertson, Materials for the history of
Th. Becket
(7 Bde., Lond.
1876‒86);
Green, Henry Ⅱ. (ebd. 1888).
Novellistisch ist B.s Leben behandelt in Konr. Ferd. Meyer, Der Heilige (Lpz. 1880; 8. Aufl. 1888).