Titel
Becker.
1) Karl Ferdinand, Sprachforscher, geb. zu Liser im Kurtrierschen, besuchte erst das Priesterseminar in Hildesheim, [* 2] später (1800) die Universität Göttingen, [* 3] wo er Medizin studierte und 1802 durch seine »Abhandlung von dem Einfluß der äußern Wärme [* 4] und Kälte auf den menschlichen Körper« einen Preis gewann, wirkte seit 1803 als praktischer Arzt an verschiedenen Orten, seit 1815 in Offenbach, [* 5] wo er 1823 ein Erziehungsinstitut errichtete und starb.
Bekannter als durch seine naturwissenschaftlichen Leistungen ist Becker
durch seine Behandlung der deutschen
Sprache
[* 6] geworden.
Seine
Weise, die vorfindliche
Sprache als einen streng logischen
Organismus aufzufassen, hatte viel Bestechendes, bis J.
Grimms
Werke das Irrige dieser Behandlungsweise ins
Licht
[* 7] stellten.
Beckers Hauptschriften auf diesem Gebiet sind:
»Die deutsche Wortbildung« (Frankf. 1824);
»Deutsche [* 8] Sprachlehre« (das. 1827);
»Ausführliche deutsche Grammatik« (2. Aufl., Prag [* 9] 1870, 3 Bde.),
der zur Seite die »Schulgrammatik der deutschen
Sprache« (das. 1831, 11. Aufl. neu bearbeitet von
Th. Becker
u. d. T.: »Handbuch der deutschen
Sprache«, das. 1876) steht.
Außerdem schrieb er: »Organism der Sprache« (2. Aufl., Prag 1841);
»Der deutsche Stil« (das. 1848; 3. Aufl. von Lyon, [* 10] das. 1883);
»Lehrbuch des deutschen
Stils« (hrsg. von
Th. Becker
, das. 1850; 2. Aufl. 1870) u. a.
2)
Wilhelm
Adolf, ausgezeichneter Archäolog, Sohn von Becker
6), geb. 1796 zu
Dresden,
[* 11] war erst für den Kaufmannsstand bestimmt, besuchte dann seit 1812 die Landesschule
Pforta, studierte seit 1816 in
Leipzig,
[* 12] wurde 1822
Konrektor zu
Zerbst,
[* 13] 1828
Professor zu
Meißen,
[* 14] 1837 außerordentlicher, 1842 ordentlicher
Professor der klassischen
Archäologie an der
Universität zu
Leipzig und starb in
Meißen. Seine mit
Recht vielverbreiteten
Schriften:
»Gallus, oder römische
Szenen aus der Zeit
Augusts« (Leipz. 1838; 3. Aufl. von
Rein, das. 1863, 3 Bde.; neu
bearbeitet von
Göll, Berl. 1880-82) und
»Charikles, oder
Bilder altgriechischer
Sitte« (Leipz. 1840; 2. Aufl. von K.
Fr.
Hermann,
das. 1854, 3 Bde.; neu bearbeitet
von
Göll, Berl. 1877-78) bieten eine
Darstellung der Privataltertümer in Form eines
Romans, dem die wissenschaftlichen
Nachweisungen in einem Anhang beigegeben sind.
Sein Hauptwerk ist das »Handbuch der römischen
Altertümer« (Leipz. 1843-46,
Bd. 1 u. 2; nach seinem
Tod fortgesetzt von
Marquardt, das. 1849-68, Bd.
3-5). Von Bedeutung sind auch die Abhandlungen:
»De comicis Romanorum fabulis« (Leipz. 1837) und
»De
Romae
veteris muris atque portis« (das. 1842).
3)
Karl,
Statistiker, geb. zu Strohausen im Oldenburgischen, wurde 1842
Offizier, war später auch als
Lehrer in der
Offizierbildungsanstalt zu
Oldenburg
[* 15] thätig und nahm 1850 als
Hauptmann in der schleswig-holsteinischen
Armee an
dem
Feldzug gegen
Dänemark
[* 16] teil. Nach
Auflösung der
Armee 1851 widmete sich Becker
dem
Studium der
Volkswirtschaft und
Statistik an den
Universitäten
Göttingen und
Berlin
[* 17] und organisierte sodann das großherzoglich oldenburgische
Statistische
Büreau,
dem er 1855-72
als
Direktor vorstand.
Unter seiner Leitung sind von 1857 bis 1872: 13 Hefte der »Statistischen Nachrichten über das Großherzogtum Oldenburg« sowie eine Statistik der Rechtspflege im Großherzogtum Oldenburg erschienen;
auch redigierte er das »Magazin für die Staats- und Gemeindeverwaltung im Großherzogtum Oldenburg« und hatte durch diese Arbeiten sowie durch seine thätige Mitwirkung an den Arbeiten der Konferenzen der amtlichen deutschen Statistiker schon einen weit über die Grenzen [* 18] seiner Heimat hinausreichenden Ruf erworben, als er 1872 zum Direktor des neuerrichteten kaiserlichen Statistischen Amtes in Berlin ernannt wurde, in welcher Eigenschaft er die Herausgabe der »Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs« und des »Statistischen Jahrbuches« leitet.
Besondere Anerkennung verdienen die Bemühungen Beckers, die Arbeiten der Bevölkerungsstatistik immer mehr zu vertiefen und die Ergebnisse der verschiedenen Staaten durch gleichmäßige und erweiterte Erhebungsformulare vergleichbarer zu machen.
Vgl. hierüber seine Abhandlung »Zur Berechnung von Sterbetafeln an die Bevölkerungsstatistik zu stellende Anforderungen« (Berl. 1874).
4) Otto, Augenarzt, geb. auf dem Domhof bei Ratzeburg in Mecklenburg-Strelitz, studierte 1847 zu Erlangen [* 19] Theologie und Philologie, 1848-51 Mathematik und Naturwissenschaften in Berlin, ging dann als Hofmeister nach Wien, [* 20] studierte dort 1854-59 Medizin, wurde Sekundärarzt am allgemeinen Krankenhaus, [* 21] 1862 Privatassistent, dann klinischer Assistent bei Arlt, habilitierte sich 1867 für Augenheilkunde und ging 1868 als Professor der Augenheilkunde nach Heidelberg. [* 22] Er bearbeitete einen »Atlas [* 23] der pathologischen Topographie des Auges« (Wien 1874-78) und schrieb: »Pathologie und Therapie des Linsensystems« in Gräfe-Sämisch' »Handbuch der Augenheilkunde«.
Schriftsteller, Dichter.
5) Rudolf Zacharias, Volksschriftsteller, geb. zu Erfurt, [* 24] studierte in Jena [* 25] Theologie und kam 1782 als Lehrer an das Basedowsche Erziehungsinstitut (Philanthropin) in Dessau. [* 26] Durch Lösung der Berliner [* 27] Preisfrage: »Ist es nützlich, das Volk zu täuschen?« (1779) auf das Gebiet der Volksschriftstellerei geführt, gab er 1782 und 1783 die »Dessauische Zeitung für die Jugend« heraus, die er nach seiner Übersiedelung nach Gotha [* 28] 1784 als »Deutsche Zeitung für die Jugend« fortsetzte und 1796 zur »Nationalzeitung der Deutschen« erhob. Seine Überzeugung, daß die menschliche Glückseligkeit auf Befriedigung des dem Menschen innewohnenden Verbesserungstriebes beruhe, suchte er in seinen »Vorlesungen über die Pflichten und Rechte der Menschen« (Gotha 1791-92, 2 Bde.) zu begründen und stellte dazu in seinem »Not- und Hilfsbüchlein, oder lehrreiche Freuden- und Trauergeschichte des Dorfs Mildheim« (Gotha 1787-98, 2 Bde.; neue Aufl. 1838) ein praktisches Beispiel der zweckmäßig geleiteten Selbstbildung einer vorher verwilderten Dorfgemeinde so lebendig und anregend dar, daß davon binnen 25 Jahren über eine halbe Million Exemplare in deutscher und auch in fremden Sprachen verbreitet wurden. Diesem Volksbuch schlossen sich sein »Mildheimisches Liederbuch« (Gotha 1799, 8. Aufl. 1837) und sein »Mildheimisches Evangelienbuch« (das. 1816) würdig an. Nicht minder verdienstlich ist sein »Anzeiger«, den er 1791 neben der »Deutschen Zeitung« begründete, und der 1792 durch kaiserliches Privilegium zum »Allgemeinen Reichsanzeiger« erhoben, 1806 aber in den »Allgemeinen Anzeiger der Deutschen« umgewandelt wurde. Im J. 1797 gründete er, ¶
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hauptsächlich zum eignen Vertrieb seiner Zeitschriften und Bücher, die Beckersche
Buchhandlung in Gotha und wurde 1802 zum
schwarzburg-sondershäusischen Hofrat ernannt. Wegen eines Aufsatzes in der »Nationalzeitung« ward er durch französische
Gendarmen verhaftet und bis April 1813 in Magdeburg
[* 30] gefangen gehalten; erst auf Verwendung des Herzogs von Gotha
bei Napoleon I. erhielt er seine Freiheit wieder. Seine darauf bezügliche Schrift »Beckers Leiden
[* 31] und Freuden in 17monatlicher
französischer Gefangenschaft« (Gotha 1814) ist ein interessanter Beitrag zur Zeitgeschichte. Auch der deutschen Kunstgeschichte
hat Becker
durch Herausgabe von Derschaus »Holzschnitten alter deutscher Meister« (Gotha 1808-1816, 3 Lfgn.) einen schätzenswerten
Dienst geleistet. Außerdem schrieb er noch »Das Eigentumsrecht
an Geisteswerken« (Frankf. 1789). Becker starb - Sein Sohn Friedrich Gottlieb Becker, geb. vereinigte 1830 die
»Nationalzeitung der Deutschen« und den »Allgemeinen Anzeiger« in ein täglich erscheinendes
Blatt,
[* 32] das 1850 einging. Er war 1848 Mitglied der deutschen Nationalversammlung, dann bis 1860 Direktor
der Gothaer Feuerversicherung und starb
6) Wilhelm Gottlieb, Belletrist und Kunstschriftsteller, geb. zu Oberkallenberg in Sachsen, [* 33] lehrte seit 1776 am Philanthropin zu Dessau, ward 1782 Professor an der Ritterakademie zu Dresden, erhielt 1795 die Aufsicht über die Dresdener Antikengalerie und das Münzkabinett und vereinigte damit seit 1805 die über das Grüne Gewölbe. Er starb in Dresden. Die besten seiner Gedichte und Erzählungen sind enthalten in dem »Taschenbuch zum geselligen Vergnügen« (Leipz. 1791 bis 1814, fortgesetzt von Kind),
den »Erholungen« (das. 1796-1810) und »Neuen Erholungen« (1808-1810). Großen Beifall fand sein »Augusteum«, Dresdens antike Denkmäler enthaltend (Dresd. 1805-1809, 2 Bde.; 2. vermehrte Aufl. von seinem Sohn W. A. Becker, Leipz. 1832-37, mit 162 Kupfertafeln).
7) Karl Friedrich, bekannter Geschichtschreiber, geb. 1777 zu Berlin, studierte in Halle [* 34] Philosophie und Geschichte, war eine Zeitlang Hauslehrer in Kottbus, dann 1798-1800 Mitglied des Seminars für gelehrte Schulen in Berlin. Wegen Kränklichkeit mußte er jeder unterrichtenden Thätigkeit entsagen und widmete sich ausschließlich litterarischen, besonders geschichtlichen, Arbeiten, denen er bis zu seinem Tode, der erfolgte, oblag. Er ist Verfasser mehrerer sehr gelesener Schriften: »Erzählungen aus der Alten Welt für die Jugend« (Halle 1801-1803, 3 Bde.; 10. Aufl. von Masius, 1873),
»Die Dichtkunst aus dem Gesichtspunkt des Historikers« (Berl. 1803),
besonders aber der bekannten, für die allgemeine Bildung in Deutschland [* 35] sehr einflußreich gewordenen »Weltgeschichte für Kinder und Kinderlehrer« (das. 1801-1805, 9 Bde.), welche von Woltmann und K. A. Menzel fortgesetzt, später von Loebell, dann von A. Schmidt und E. Arnd (8. Aufl., das. 1874, 22 Bde.) und neuerdings von W. Müller (Stuttg. 1883 ff.) überarbeitet und fortgesetzt wurde, wodurch sie eine größere wissenschaftliche Gediegenheit erhielt, freilich auch den eigentümlichen Reiz der Beckerschen Darstellung ganz einbüßte.
8) Nikolaus, der Dichter des »Rheinliedes«, geb. zu Bonn, [* 36] studierte die Rechte, ward 1838 Auskultator, später als Schreiber bei einem Friedensgericht angestellt, starb in Hunshoven ^[richtig: Hünshoven]. Seinen Ruf hatte er 1840 durch das Lied: »Sie sollen ihn nicht haben, den freien, deutschen Rhein etc.«, welches als ein volkstümlicher Ausdruck des deutschen Gefühls ungemessenen Beifall fand, erworben. Der König von Preußen [* 37] überwies dem Dichter ein Honorar von 1000 Thlr., und König Ludwig von Bayern [* 38] übersandte ihm einen Ehrenpokal.
Auch erschienen von dem »Rheinlied« über 70 Kompositionen, von denen jedoch keine eigentlich populär wurde. Da das Lied dem französischen Nationalstolz zu nahe trat, so rief es in Frankreich Erwiderungen hervor, unter denen die von Alfred de Musset: »Nous l'avons eu, votre Rhin allemand«, sich durch Übermut auszeichnete, während Lamartines »Friedensmarseillaise« (1841) versöhnlichere Saiten anschlug. Beckers gesammelte »Gedichte« (Köln [* 39] 1841) erhoben sich nicht über das Gewöhnliche und gingen spurlos vorüber.
9) August, Dichter und Schriftsteller, geb. zu Klingenmünster in der Pfalz, studierte 1847-50 zu München [* 40] Philosophie und Geschichte, widmete sich dann ganz der Litteratur, in der er mit einer Reihe von Liedern und Novellen (unter ihnen die Preisnovelle »Die Pestjungfrau«) debütierte, und erwarb sich durch das lyrisch-epische Gedicht »Jungfriedel, der Spielmann« (Stuttg. 1854),
das, an einen lockern Faden [* 41] gereiht, poetische Bilder aus dem Sänger-, Wander- und Kriegerleben des 16. Jahrh. enthält, seinen ersten Ruf. Seit 1855 fleißiger Mitarbeiter der Augsburger »Allgemeinen Zeitung«, fand Becker mit dem Skizzenbuch »Die Pfalz und die Pfälzer« (Leipz. 1858) den Übergang zur Publizistik. Seit 1859 gab Becker die »Isar-Zeitung« heraus, welche der liberalen großdeutschen Partei zum Organ diente. Die tägliche Sorge für ein großes Blatt beeinträchtigte jetzt zwar seine poetische Produktionslust, doch legten einzelne Dichtungen und Novellen (so die Festhymne zur Eröffnung der Befreiungshalle bei Kelheim) gleichwohl Zeugnis von seiner ungeschwächten poetischen Kraft [* 42] ab. Während der beginnenden Katastrophe der deutschen Verhältnisse ward (Juli 1864) das Erscheinen der »Isar-Zeitung« eingestellt.
Nachdem der Dichter schon früher eine Sammlung »Novellen« (Pest 1856) veröffentlicht, erschienen jetzt rasch nacheinander die Romane: »Des Rabbi Vermächtnis« (Berl. 1866-67, 6 Bde.),
ein Gemälde aus der Zeit der ersten französischen Revolution;
»Hedwig« (das. 1868, 2 Bde.) und »Vervehmt« (das. 1868, 4 Bde.), welch letzteres Werk dem Verfasser viele Anfechtungen zuzog, weil man lebende Persönlichkeiten des bayrischen Hofs darin geschildert glaubte. Becker siedelte bald darauf nach Eisenach [* 43] über, wo er noch jetzt lebt. Er wandte sich immer mehr der Romanproduktion zu, sammelte frühere Novellen unter dem Titel: »Aus Dorf und Stadt« (Berl. 1869) und veröffentlichte an neuen Romanen: »Der Karfunkel« (das. 1870);
»Der Nixenfischer« (das. 1871, 2 Bde.);
»Das Turmkätherlein« (Leipz. 1872, 4 Bde);
»Meine Schwester« (Wismar [* 44] 1876, 4 Bde.);
»Maler Schönbart, eine Geschichte aus der Mark Brandenburg« [* 45] (3. Aufl., Kassel [* 46] 1878) und »Auf Waldwegen« (Stuttg. 1881).
Maler.
10) Jakob, Maler, geb. zu Dittelsheim bei Worms, [* 47] erhielt in letzterer Stadt den ersten Unterricht in der Kunst und zeichnete und lithographierte dann in Frankfurt [* 48] a. M. mehreres, namentlich im Verein mit Dielmann ein Rheinpanorama. Seit 1833 widmete er sich in Düsseldorf [* 49] unter Schirmers Leitung erst der Landschaftsmalerei, ging dann zum historischen Fach über und lieferte einige Darstellungen aus dem Buch des Tobias, worauf er sich auch in der romantischen Richtung versuchte. Bald erkannte er aber, daß die Genremalerei, welche damals zuerst eine ¶
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realistische Richtung einschlug, seinem Talent am meisten zusagte. Sein erstes bekannteres Genrebild war die für eine augenkranke Mutter betende Bauernfamilie. Im J. 1840 wurde er als Professor der Genre- und Landschaftsmalerei am Städelschen Kunstinstitut nach Frankfurt a. M. berufen, wo er starb. Seine zum Teil sehr populär gewordenen Hauptwerke sind: die Märchenerzählerin, der Rekrutenabschied, der heimkehrende Krieger, die beiden Wildschützen, der Liebesantrag, die Schmollenden, Heimkehr vom Kirchgang, heimkehrende Schnitter, der vom Blitz erschlagene Schäfer (im Städelschen Museum in Frankfurt a. M.), Landleute auf dem Feld sehen ihr Dorf durch einen Blitz in Brand gesteckt (in der Neuen Pinakothek zu München), die Begegnung (1871) etc. Seine Zeichnung ist korrekt und bestimmt, die Farbe leidet aber an Schwere und Trockenheit.
11) Karl, Maler, geb. zu Berlin, studierte zuerst unter A. v. Klöber, nahm 1841 an der Ausführung der Fresken in der Vorhalle des Alten Museums unter Cornelius und 1843 an der Ausmalung der Basilika [* 51] unter Heß in München teil. Der in der akademischen Konkurrenz gewonnene Preis ermöglichte ihm 1844 den Besuch von Paris [* 52] und Italien, [* 53] wo er drei Jahre verweilte. Nach Berlin zurückgekehrt, führte er eine Reihe von Wandgemälden aus der antiken Mythe im Niobidensaal des Neuen Museums aus und malte auch einige historische Bilder, die jedoch keinen Beifall fanden.
Seine Begabung wurde erst durch eine 1853 unternommene Reise nach Venedig [* 54] in die richtige Bahn gelenkt. Unter dem Einfluß der venezianischen Meister, insbesondere Veroneses, entwickelte sich sein Kolorit zu großer Kraft und blühender Schönheit, und er schuf eine lange Reihe von Genrebildern aus dem altvenezianischen Leben, auf welchen er mit Vorliebe durch novellistischen Inhalt fesselnde Szenen mit großem Reichtum der Farbe, außerordentlicher Virtuosität in der Behandlung der Stoffe und mit glücklich entwickeltem Schönheitsgefühl, wenn auch ohne tiefe Charakteristik, darstellte.
Die bedeutendsten derselben sind: Schmuckhändler beim Senator (1855), Besuch des Senators beim Nobile (1857), Sitzung des Dogen im Geheimen Rat und der Bravo (1864), Karneval von Venedig, venezianische Balkonszene, Gnadengesuch beim Dogen, Karl V. bei Tizian, Dürer bei Tizian, Dürer in Venedig (1872). Außerhalb dieses Stoffkreises liegen, aber in gleicher, auf den farbigen Schein ausgehender Weise behandelt sind: in der Gemäldegalerie (1860), Karls V. Besuch bei Fugger (1866), Viola und Olivia aus »Was ihr wollt«, Figaros Hochzeit (1874), Huttens Dichterkrönung (1876), Kaiser Maximilian in Verona [* 55] (1877). Auf seinen letzten Gemälden macht sich eine Abnahme seiner Kraft in einer Neigung zu dekorativer Behandlung bemerkbar. Seine koloristischen Tendenzen haben einen starken Einfluß auf die Entwickelung der Berliner Schule geübt. Er ist Präsident der Akademie der Künste.
12) August, Maler, geb. 1822 zu Darmstadt, [* 56] empfing hier von dem Landschaftsmaler Schilbach den ersten Unterricht, bis er zu seiner weitern Ausbildung nach Düsseldorf zog, wo er für seine Neigung zur Darstellung grandioser, imposanter Naturszenen vielfache Anregung fand. 1844 bereiste er die Hochgebirge in Norwegen, [* 57] in der Schweiz [* 58] und Tirol, [* 59] später auch die schottischen Hochlande und verweilte aus Einladung der Königin Viktoria mehrmals an ihrem Hof [* 60] in Balmoral, wo er die Prinzessinnen im Landschaftsmalen unterrichtete und eine Reihe von Bildern aus den dortigen Gebirgsgegenden malte.
Seine zahlreichen Gebirgslandschaften sind großartig gedacht, trefflich komponiert und sorgfältig ausgeführt. Ihre Reihe begann mit dem Alpenglühen in Norwegen, den Hurongen in Norwegen bei Mitternachtssonne (1846) und ähnlichen nordischen Szenen, worauf Motive aus den Schweizer und Tiroler Alpen [* 61] folgten. Zu den bedeutendsten gehören: der Abend im Berner Oberland (1860 u. 1867), norwegische Hochebene mit Wasserfall (1861), Abend in den Alpen des bayrischen Hochlandes (1862), der Eiger, das Kaisergebirge in Tirol (1864), der Königssee im Sturm (1872), die Überschwemmung am Niederrhein (1874), der Dachstein (1876). Becker ist auch als Kunstkritiker thätig.
13) Ludwig Hugo, Landschaftsmaler, geb. zu Wesel, [* 62] gest. in Düsseldorf; bildete sich auf der Düsseldorfer Akademie und unter Schirmer und Gude, machte sich zuerst 1856 durch ein Bild: das Opfer der alten Deutschen am Wald, bekannt und unternahm dann Studienreisen nach Westfalen, [* 63] dem Rhein, der Schweiz, der Normandie und den Ostseegegenden. Auf seinen Landschaften (Sonntagmorgen, Christnacht, der Hirtenknabe, auf der Höhe, Weinlese an der Mosel) liebte er es, die Staffage zu genrebildlicher Bedeutung zu entwickeln. Er hat auch zahlreiche Zeichnungen für den Holzschnitt angefertigt.
Musiker, Schauspieler.
14) Karl Ferdinand, Organist und Musikhistoriker, geb. zu Leipzig, erhielt seinen ersten musikalischen Unterricht von Schicht und Friedrich Schneider und trat schon als 14jähriger Knabe als Klavierspieler in Konzerten auf. Bald wandte er sich dem Orgelspiel zu, ward 1825 Organist an der Peterskirche, 1837 an der Nikolaikirche seiner Vaterstadt und erhielt 1843 am neugegründeten Konservatorium daselbst die Stelle eines Lehrers des Orgel- und Partiturspiels, die er bis 1856 bekleidete. Er starb Außer einem »Ratgeber für Organisten« (Leipz. 1828) gab Becker eine »Sammlung von Chorälen aus dem 16. und 17. Jahrhundert« (das. 1831),
»Choralmelodien zu Spittas Psalter und Harfe« (das. 1841) und ein in den Leipziger Kirchen eingeführtes »Evangelisches Choralbuch« heraus, dazu viele eigne Kompositionen, unter denen sich trefflich gearbeitete Trios befinden. Von seinen noch ungleich wichtigern Arbeiten auf dem Gebiet der Theorie und Geschichte sind hervorzuheben: »Systematisch-chronologische Darstellung der musikalischen Litteratur« (Leipz. 1836, Nachtrag 1839);
»Die Hausmusik in Deutschland im 16., 17. und 18. Jahrhundert« (das. 1840);
»Die Choralsammlungen der verschiedenen christlichen Kirchen« (das. 1845);
»Die Tonwerke des 16. und 17. Jahrhunderts« (das. 1847);
»Die Tonkünstler des 19. Jahrhunderts« (das. 1849);
»Lieder und Weisen vergangener Jahrhunderte« (2. Aufl., das. 1852) u. a. Nach Finks Abtreten redigierte Becker mehrere Jahre die »Allgemeine musikalische Zeitung«;
auch war er ein eifriger Mitarbeiter an Schumanns »Neuer Zeitschrift für Musik«.
15) Valentin Eduard, Männergesangskomponist, geb. zu Würzburg, [* 64] lebt daselbst als Stadtkämmerer und Gesangvereinsdirigent. Von seinen zahlreichen Männerchören werden namentlich die Marschlieder (insbesondere »Frisch, ganze Kompanie«) und das »Kirchlein« allgemein gesungen. Becker schrieb auch mehrere Opern, Messen, Lieder für gemischten Chor und für eine Singstimme, Ouvertüren, ein Quintett für vier Streichinstrumente und Klarinette und ist Ehrenmitglied von nahezu 50 Männergesangvereinen. ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Titel
Becker,
12) August, Maler, starb in Düsseldorf.
20) Hermann Heinrich, Politiker, Oberbürgermeister von Köln, starb
22) * Moritz Aloys, Ritter von, österreich. Schulmann und Geograph, geb. zu Altstadt in Mähren, [* 66] studierte zu Wien und wurde 1840 Hauslehrer bei dem regierenden Fürsten von Liechtenstein. [* 67] Als Schulrat für Niederösterreich (seit 1850) machte er sich in der Folge um die Neuorganisierung des Volksschulwesens verdient und verfaßte zu diesem Zweck auch mehrere Lehrbücher. 1864 wurde er zum Lehrer des Kronprinzen Rudolf und der Erzherzogin Gisela ernannt, 1868 in den Ritterstand erhoben und 1869 Direktor der kaiserlichen Familienfideikommiß- und Privatbibliothek. Er war Mitbegründer des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich, der k. k. Geographischen Gesellschaft (1868 bis 1875 deren Generalsekretär), der Wiener Handelsakademie, des Wissenschaftlichen Klubs und starb auf einer Reise zu Lienz in Tirol.
Von Beckers zahlreichen Schriften sind insbesondere zu nennen auf historischem Gebiet: »Älteste Geschichte der Länder des österreichischen Kaiserstaats bis zum Sturz des weströmischen Reichs« (Wien 1865);
»Die letzten Tage und der Tod Kaiser Maximilians II.« (in den »Blättern des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich«);
auf geographischem Gebiet: »Der Ötscher und sein Gebiet« (Wien 1859-60, 2 Bde.);
»Niederösterreichische Landschaften mit historischen Streiflichtern« (das 1879);
»Verstreute Blätter« (das. 1880);
»Hernstein in Niederösterreich, sein Gutsgebiet und das Land im weitern Umkreis« (das. 1882-86, 3 Bde. nebst Album).
Auch war er Mitherausgeber der »Topographie von Niederösterreich« (Wien 1879 ff.);