Titel
Beccaria
,
1) Giacomo Battista, Physiker, geb. zu Mondovi, wurde in Rom [* 2] Ordensgeistlicher, dann Professor der Philosophie daselbst und in Palermo, [* 3] 1748 Professor der Physik zu Turin [* 4] und starb daselbst Großes Aufsehen machten zu ihrer Zeit seine Schriften über die Elektrizität: [* 5] »Dell' elettricismo naturale ed artifiziale« (Turin 1753);
»Dell' elettricismo artifiziale« (das. 1772) und »Dell' elettricità terrestre atmosferica a cielo sereno« (das. 1775).
Im J. 1760 begann er die Gradmessung [* 6] in Piemont mit dem Abt Canonica, deren Resultate er in dem Werk »Gradus Taurinensis« (Turin 1774) bekannt machte. Veranlaßt durch die Zweifel Cassinis gegen die Genauigkeit seiner Messung, schrieb er bald darauf seine »Lettere d'un Italiano ad' un Parigino«, worin er den Einfluß der Nähe der Alpen [* 7] auf die Abweichung des Pendels nachwies.
2)
Cesare,
Marchese de Beccaria
-Bonesana,
Philosoph und
Publizist, verdienstvoller Beförderer einer menschlichern Gestaltung und
Pflege
des
Strafrechts, geb. (nach andern 1738) zu
Mailand,
[* 8] wandte sich mit
Eifer philosophischen
Studien zu und verband
sich mit gleichgesinnten
Freunden zum gemeinschaftlichen
Studium der französischen
Encyklopädisten und
Philosophen. Die erste
Frucht seiner litterarischen Bestrebungen war eine
Schrift über das
Münzwesen
[* 9] im
Mailändischen und dessen Verwirrung, welche
sich zunächst ganz auf lokale
Interessen beschränkte, aber vom
Publikum und vom
Gouvernement nicht unberücksichtigt blieb.
Zu bedeutenden Leistungen veranlaßte ihn seine
Teilnahme an einer
Gesellschaft von
Freunden, welche der
Inquisition und dem
mittelalterlichen
Aberglauben gegenüber eine freiere, humanere
Richtung einschlugen.
Sein berühmtes Werk über
Verbrechen und
Strafen:
»Dei delitti e delle pene« (zuerst anonym,
Monaco
[* 10] 1764; beste
Ausgabe mit Verbesserungen
von ihm selbst, Vened. 1781, 2 Bde.)
erregte in der damaligen gebildeten
Welt ungemeines Aufsehen. Besonders begrüßten es die französischen
Encyklopädisten,
als deren
Schüler Beccaria
sich angesehen wissen wollte, mit
Enthusiasmus. Auch über
Frankreich hinaus fand
es Verbreitung und wurde fast in alle
Sprachen
Europas übersetzt. Die wichtigsten deutschen Übersetzungen sind von
Flathe
mit
Hommels Anmerkungen (Bresl. 1778), von
Bergk (Leipz. 1798,
¶
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neue Ausg. 1817), neuere von Glaser (1851; 2. Aufl., Wien
[* 12] 1876), Waldeck
[* 13] (Berl. 1870); die französischen von dem Abbé Morellet
(Par. 1766, wieder aufgelegt von Röderer, 1797 mit dem Kommentar von Diderot) und die von Faustin Hélie (das. 1856, 2. Ausg.
1870). Unter den Kommentaren verdienen die von Voltaire (»Commentaire sur le livre des délits et des
peines«, 1766) und von Diderot (in der Ausgabe von Röderer) sowie der von Schall
[* 14] (»Von Verbrechen und Strafen«, Leipz. 1779) genannt
zu werden. So hat denn auch Beccaria
auf die deutsche Strafgesetzgebung der neuern Zeit einen unbestreitbaren Einfluß
ausgeübt.
Unleugbar spricht sich in seinem Buch eine edle, humane Gesinnung, ein achtungswerter Eifer für die allgemeinen
Menschenrechte aus; aber von eigentlicher Wissenschaft, von einer Philosophie, welche gründlich in die Prinzipien eindringt,
findet man wenig oder nichts darin. Dennoch macht Beccarias
Werk Epoche in der Rechtsgeschichte, insofern er darin die Prinzipien,
welche in unserm jetzigen Strafverfahren größtenteils zur Geltung gelangt sind, der Welt zuerst frei
und offen zu verkündigen den Mut hatte und zwar, ohne in die materialistische Richtung der Encyklopädisten und Voltaires zu
verfallen, sondern beseelt von den Ideen der Gerechtigkeit und Menschenwürde, die er als Grundprinzipien im Kriminalrecht angesehen
wissen wollte. Es ist begreiflich, daß er der Anfeindung nicht entgehen konnte; ein schweres Gewitter,
das sich über Beccarias
Haupt zusammenzog, ging zwar dadurch, daß sein Gönner, der Graf von Firmian, sich ins Mittel schlug,
gefahrlos vorüber, hatte aber doch den Erfolg, daß der solchen Kämpfen nicht gewachsene Mann die Schriftstellerei im Fach
der Politik aufgab und sein großes begonnenes Werk über die Gesetzgebung unterdrückte. Trotz der Verdächtigungen,
die er sich zugezogen hatte, wurde er 1768 als Professor des Staatsrechts an der Akademie zu Mailand angestellt. Seine Vorlesungen
erschienen nach seinem Tod unter dem Titel: »Éléments d'économie publique« (Mail. 1804). Beccaria
erlebte noch den
Triumph, seine verketzerten Prinzipien in der Gesetzgebung teilweise eingeführt zu sehen. Er starb Seine Schriften,
zuerst als »Opere diverse« (Neap. 1770) veröffentlicht, wurden von Villari (Flor. 1854) herausgegeben.
Vgl. Cantù, e il diritto penale (Flor. 1862);