Bebauungsplan
,
die zeichnerische
Darstellung einer Stadt, eines Stadtteiles oder einzelner Straßenanlagen, nach welcher
die Grenzlinien
(Baufluchten) und die Bauart neuer
Gebäude vorher festgestellt oder der Umbau alter
Straßen
systematisch geregelt wird.
Beim
Entwurf eines Bebauungsplan
sind sowohl praktische als künstlerische Grundsätze maßgebend. Nach der
praktischen Seite ist zunächst darauf zu achten, daß der Bebauungsplan
den örtlichen Verkehrsverhältnissen entspricht.
Es müssen also die Grundzüge aller bestehenden Verkehrslinien festgelegt werden
(Straßen,
Straßenbahnen, Eisenbahnen,
Kanäle),
zugleich aber die in Zukunft hinzukommenden thunlichst in Betracht gezogen werden.
Die sich somit ergebende
Grundgestalt des Bebauungsplan
wird durch Zwischenstraßen weiter geteilt werden müssen,
bis zur Bebauung geeignete
Baublöcke entstehen, die ihrerseits wieder in einzelne Grundstücke zu zerlegen sind. Die
Breite
[* 2] der
Straße wird sich nach dem zu erwartenden Verkehr zu richten haben. Im allgemeinen zieht man bei
modernen Bebauungsplan
gerade
Straßen vor, weil diese rechtwinklige
Baublöcke bieten und die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten darstellen.
Ihr Nachteil ist, daß sie wegen des Staubtreibens und scharfer
Winde
[* 3] ungesund sind, und daß sie künstlerisch unschön wirken.
Während im 18. Jahrh. eine allgemeine Vorliebe für gerade
Straßen bestand, und diese in unserm Jahrhundert
zur fast allein herrschenden Anlageform geworden sind, mehren sich jetzt die
Stimmen für krumme
Straßen, die dem
Auge
[* 4] ein
wechselndes
Bild bieten, wohnlicher und gesünder sind. Der angenehme Anblick alter
Städte und Stadtteile beruht im wesentlichen
auf den wechselnden Biegungen der
Straßen. Besondere Wichtigkeit für den Bebauungsplan
haben die Straßenkreuzungen,
bei denen die mühelose Abwicklung des Verkehrs einerseits, andererseits die künstlerische Wirkung besonders in Betracht
kommt, ebenso die Plätze, deren Gestalt und
Größe nach dem jeweiligen Bedürfnis zu bemessen ist.
Denn sie dienen entweder zur Verbesserung der Luft (durch
Springbrunnen, Gartenanlagen) oder zur Erleichterung
des Verkehrs (als erweiterte Straßenkreuzungen) oder als Versammlungsstätten (für Märkte, Promenaden, festliche
Aufzüge)
[* 5] oder endlich als Vorraum für Monumente (Bauten,
Denkmale u. s. w.). In allen
Ländern mit starkem Wachstum der
Städte hat
sich die
Aufstellung von Bebauungsplan
nötig gemacht. Während früher die nüchterne Aufteilung des
Baulandes in
Rechtecke (wie
in
Mannheim,
[* 6]
Berlin,
[* 7] Neuyork
[* 8] und vielen amerik.
Städten) das Übliche war, hat man erkannt, daß dies nicht nur unpraktisch
sei (wegen des Fehlens der Diagonalen), sondern daß es im höchsten
Grade ermüdend für den Benutzer wirke.
Man ist daher immer mehr zu gemischten
Systemen übergegangen, bei denen die geschickte Ausnutzung örtlicher
Unregelmäßigkeiten zu malerischer Wirkung sich als besonders vorteilhaft erwies. Ebenso ist man von zu langen
Straßen abgekommen
und hat erkannt, daß es zur Schaffung eines reichen Stadtbildes nötig sei, den geraden
Straßen ein deutlich sichtbares
Ziel zu geben. Jedenfalls ist demnach bei
Anlage eines Bebauungsplan
zu erwägen, daß für Monumentalbauten,
Denkmale,
Kirchen
u. dgl., selbst wenn zur Zeit ein Bedürfnis noch nicht vorliegt, vorsorglich
geeignete Plätze aufgespart werden. In dieser
Richtung sind die
Pariser Straßenanlagen maßgebend gewesen. –
Außer dieser
Planung in der Ebene kommen noch die Steigungsverhältnisse in Frage, da der Bebauungsplan
alsbald die Entwässerung
der
Straßen, die
Kanalisation und die Entfernung der Fäkalien, ferner die
Beleuchtung,
[* 9] die
Anlage von Bedürfnisanstalten
in Betracht zu ziehen hat.
Auch die
Anlage der Fahrbahnen, Pflasterungen, Reitwege, Fußwege ist alsbald zu erwägen. Mit der Herstellung eines unterirdischen
Kanalsystems, um
Regen- und Wirtschaftswasser abzuführen, sowie mit der Zuleitung von reinem Wasser ist in
den Bebauungsplan
entweder sofort vorzugehen oder wenigstens dafür
Sorge zu tragen, daß derartigen Einrichtungen später keine Hindernisse
entgegenstehen. Auf größere Schwierigkeiten stößt die Beseitigung von Übelständen, die in der Planlosigkeit älterer
Städteanlagen ihren
Grund
¶
mehr
haben, dafern nicht zur Durchführung eines städtischen Expropriationsgesetzes und zur Niederreißung ganzer Straßen außerordentliche Mittel verfügbar sind, wie in Paris [* 11] unter Napoleon Ⅲ. und der dritten Republik (Anlage der Rue de Rivoli, der Boulevards de Sébastopol, St. Germain und der äußern Boulevards, der Avenue de l'Opéra und anderer großen Straßen), in London [* 12] (die großartigen Embankment genannten Uferstraßen an der Themse, die Straßenüberführung Holborn-Viadukt und viele andere), in Wien [* 13] (Anlage der Ringstraße, Straßendurchbrüche in der innern Stadt), in Berlin (Kaiser-Wilhelmstraße, Neue Friedrichstraße), in Dresden [* 14] (König-Johannstraße), in Straßburg, [* 15] Hannover [* 16] u. a. deutschen Städten, besonders großartig aber in Italien: [* 17] so in Rom [* 18] (Via Nazionale, Durchbruch vom Corso zur Engelsburg, Tiberregulierung), in Florenz [* 19] (Abbruch des Mercato vecchio), in Mailand [* 20] (Freilegung des Domes), Neapel [* 21] (Abbruch der von der Cholera betroffenen Stadtteile).
In den meisten Fällen wird man sich bei Anlage von Bebauungsplan
für alte Stadtteile damit begnügen müssen, die Baufluchten festzustellen
und bei Neubauten deren Einhaltung anzuordnen. Nach und nach kann auf diesem Wege eine bessere Bauordnung
eingeführt werden (Kärntnerstraße in Wien, Hohestraße in Köln
[* 22] u. a.). Die Aufstellung eines Bebauungsplan
kann nur in den seltensten
Fällen durch einen Privatmann geschehen. Meist ist sie Sache der Gemeinden, die im Einvernehmen mit dem Staate die Straßen
anlegen und die Bauordnungen aufstellen.
Von großem Werte ist, daß sie dann auch im Besitz der anliegenden Baugrundstücke sind, deren steigender Wert die Kosten der Neuanlagen vielfach deckt. Dies ist namentlich der Fall, wo durch Auflassung von Festungsringen Stadterweiterungen stattfinden Wien, Magdeburg, [* 23] Straßburg, Mainz, [* 24] Köln u. a.). Den Besitzern der einzelnen Grundstücke werden dann im allgemeinen Interesse bestimmte Beschränkungen auferlegt, die oft durch besondere Lokalstatute verschärft werden, um neuen Straßen gewisse Vorrechte zu sichern, wie Vorgärten, nicht zu hohe Häuser u. s. w. –
Vgl. R. Baumeister, Stadterweiterungen (Berl. 1876);
C. Sitte, Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen (Wien 1889);
J. Stübben, Der Städtebau (im «Handbuch der Architektur», Tl. 4, Darmst. 1890).