Bayle
(spr. bähl oder bail), Pierre, einer der einflußreichsten philosophisch-theologischen und kritischen Schriftsteller Frankreichs, geb. zu Carlat in Languedoc als Sohn eines reformierten Predigers, besuchte seit seinem 19. Jahr die Akademie Puy-Laurens (im Departement Tarn), wo er sich den klassischen Studien mit Eifer widmete, vom 22. Jahr an die Universität zu Toulouse, [* 2] wo er im Kollegium der Jesuiten Vorlesungen über Logik und Aristotelische Philosophie hörte, trat, durch die Lektüre theologischer Streitschriften in seinem Glauben zweifelhaft gemacht, daselbst zur katholischen Kirche über, kehrte aber, durch die Gegengründe seines Vaters besiegt, schon nach 18 Monaten zu dem ererbten Glauben zurück, wandte sich seiner Sicherheit halber nach Genf, [* 3] wo er sich mit der Philosophie des Cartesius vertraut machte, und lebte als Erzieher teils zu Coppet am Genfer See, teils zu Rouen. [* 4] 1675 bewarb er sich in Paris [* 5] um den erledigten Lehrstuhl der Philosophie zu Sedan [* 6] und trug in dem deshalb eröffneten Konkurs den Sieg davon.
Als im Juli 1681 ein königlicher Befehl alle
Schulen der
Reformierten zu schließen gebot, folgte er einem
Ruf
nach
Rotterdam,
[* 7] wo Bayle
seinen schriftstellerischen
Ruhm begründete. Zuerst erschien von ihm 1682 eine
Schrift über den großen
Kometen
[* 8] von 1680, dann gab er als Widerlegung von
Louis Maimburgs »Geschichte des Calvinismus« anonym die
Schrift »Critique
générale de l'histoire du calvinisme de
Mr. Maimburg« heraus, welcher bald darauf (1685) eine Fortsetzung
folgte.
Einige Flugschriften über Cartesianische Philosophie erschienen unter dem Titel: »Recueil de quelques pièces curieuses concernant la philosophie de Mr. Des Cartes« (Amsterd. 1684). Veranlaßt durch Salles »Journal des savants«, gab er die »Nouvelles de la république de lettres« heraus, eine Zeitschrift, die bald einen ungemeinen Beifall und Ruf sich erwarb. Sie ward von ihm selbst bis 1687 redigiert, von welchem Jahr an bis 1698 sie von de Larogue und Barrin fortgesetzt wurde; eine neue Ausgabe mit den Fortsetzungen erschien 1715-20 in 56 Bänden.
Als nach Aufhebung des
Edikts von
Nantes
[* 9] die berüchtigten
Dragonaden begannen, schrieb Bayle
, dessen eigner
Bruder denselben als
Opfer gefallen war:
»Ce que c'est que la
France toute catholique sous le règne de
Louis le
Grand« und »Commentaire
philosophique sur ces paroles de Jésus-Christ: Contrains-les d'entrer« (deutsch, Wittenb. 1771),
welche
Schrift hauptsächlich
den
Protestanten mißfiel, denen die darin empfohlene Duldung als
Indifferentismus, Unglaube und
Verrat
am protestantischen
Glauben erschien. Jurieu griff deshalb an in der
Schrift »Des droits des deux souverains en matière de
religion, la conscience et le prince«, ward aber von Bayle
ebenso geistreich wie treffend abgefertigt. Eine
neue
Schrift, in welcher Jurieu aus der
Apokalypse zu deduzieren suchte, daß 1689 den französischen
Reformierten
die
Erlösung erscheinen würde, rief eine
Gegenschrift:
»Avis important aux réfugiés sur leur prochain retour en
France« (Amsterd.
1690), hervor, die Jurieu, obwohl Bayle
die Autorschaft ablehnte, als dessen Werk annahm und den Verfasser als Gottesleugner
anklagte und bestraft wissen wollte. Da die öffentliche Meinung gegen Bayle
war, ward er 1693 seines
Lehramtes entsetzt und ihm selbst jeder Privatunterricht verboten. Er widmete nun seine ganze Zeit und
Kraft
[* 10] seinem durch
Fleiß und
Gelehrsamkeit ausgezeichneten
»Dictionnaire historique et critique« (Rotterd. 1697, 2 Bde.;
1702; am vollständigsten von Desmaizeaux, Amsterd. u.
Leid. 1740, 4 Bde.; neueste Ausg.,
Par. 1820, 16 Bde.;
deutsch von
Gottsched, Leipz. 1741-44, 4 Bde.).
Zu seiner Erholung schrieb Bayle:
»Réponse aux questions d'un provincial«
(Rotterd. 1704, 5 Bde.). Die letzten
Jahre seines
Lebens wurden ihm verbittert durch seine philosophisch-theologischen Streitigkeiten mit
Clerc und Jacquelot, die
einen so persönlichen
Charakter annahmen, daß seine Gegner ihm geradezu die Absicht unterschoben,
¶
mehr
jede oder wenigstens die christliche Religion umstürzen zu wollen. Bayle
starb Außer seinen schon genannten Schriften
sind noch zu erwähnen seine »Lettres« (Rotterd. 1712, Amsterd. 1729). Die »Œuvres diverses« sind herausgegeben worden im
Haag
[* 12] 1725-31, 4 Bde.
Vgl. Desmaizeaux, La vie de Pierre Bayle
(Amsterd. 1730, Haag 1732, 2 Bde.; deutsch von
Kohl, Hamb. 1731);
Feuerbach, Pierre Bayle
(Ansb. 1838);
Lenient, Étude für Bayle
(Par. 1855).