(spr. bajöh),Arrondissementshauptstadt im franz.
DepartementCalvados, im fruchtbaren
Thal
[* 2] der
Aure, 9 km vom
Meer und an der Westbahn gelegen, ist altertümlich gebaut,
öde und tot und zehrt von ihrer großen Vergangenheit. Von derselben zeugen die alte gotische
Kathedrale mit zwei schönen
Portalen, kühn gebautem
Turm,
[* 3] im Innern mit bemerkenswerten
Arkaden und
Ornamenten, ferner der alte bischöfliche
Palast (jetzt
Stadthaus). Die Hauptmerkwürdigkeit ist die in der
Bibliothek aufbewahrte berühmte
Tapete (Tapisserie deBayeux), welche
die
EroberungEnglands durch
Wilhelm den Eroberer darstellt, von dessen Gemahlin
Mathilde 1066 gestickt worden sein soll und
erst im 18. Jahrh. vom
PaterMontfaucon wieder aufgefunden wurde.
Sie ist 63 m lang und 0,46 m breit und endigt mit der
Schlacht bei
Hastings; die
KrönungWilhelms fehlt.Vervielfältigungen
des Kunstwerks durch
Stahlstich etc. veranstalteten die Antiquarian Society zu
London
[* 4] (1855), die
Arundel Society (1873) und
J. ^[Jules]
Comte (79
Blatt
[* 5] in phototypographischem
Druck; mit
Text, Par. 1879). Die Zahl der Bewohner von Bayeux beträgt (1881)
8006, welche besonders Spitzenfabrikation und Porzellanmanufaktur sowie
Handel mit diesen Erzeugnissen und landwirtschaftlichen
Produkten treiben. Bayeux ist Sitz eines
Bischofs, hat ein
Collège, ein archäologisches
Museum und eine öffentliche
Bibliothek
von 25,000
Bänden. Zur Zeit der
Römer
[* 6] war Bayeux die Stadt der Bajukasser; später hieß es Augustodurum. Zu
Cäsars Zeit blühte
hier eine berühmte Druidenschule. Im
Mittelalter ward Bayeux Hauptort des
LandesBessin. Nach
Einwanderung der
Normannen beinahe nur von diesen bevölkert, hat es sich lange von französischer Art und
Sitte rein erhalten.
1) Arrondissement im franz. Depart. Calvados, hat 948,89 qkm, (1891) 68745 E., 136 Gemeinden und zerfällt in die 6 Kantone
Balleroy (221,31 qkm, 13164 E.), Bayeux (80,49 qkm, 12463 E.), Caumont (142,05 qkm, 9186 E.), Isigny (209,18
qkm, 14526 E.), Ryes (121,43 qkm, 9272 E.), Trévières (174,43 qkm, 10134 E.). – 2) Hauptstadt des ArrondissementsBayeux im
franz. Depart. Calvados in der Normandie, im fruchtbaren Thale der Aure, 8 km vom Meere, an der Linie Mantes-Cherbourg der Franz.
Westbahn, ist altertümlich und, außer der Hauptstraße, schlecht gebaut, aber ein wohlhabender Ort. Die Kathedrale, die
vom Bischof Robert des Ableiges (gest. 1231) angefangen, später mehrmals verschönert wurde,
zeichnet sich durch ihre herrlichen Portale und ihre drei Glockentürme von überraschender Kühnheit aus. Bayeux ist der Sitz
eines Bischofs, eines Civil- und Handelsgerichts, einer Handelskammer, hat ein großes und ein kleines
Seminar, Kommunal-Collège, Museum, öffentliche Bibliothek von 15000 Bänden, Gesellschaften für Kunst, Wissenschaft, Litteratur
und Ackerbau, 2 Zeitungen und 1 Theater,
[* 7] 1 Mönchs- und 6 Nonnenklöster.
Die Stadt hat mit ihren vier Vorstädten (1891) 7147, als Gemeinde 8102 E., ansehnliche Porzellan-, Spitzen-
und Mützenfabriken, Baumwollspinnereien und lebhaften Handel mit Schlachtvieh und Pferden, mit Butter, Getreide,
[* 8] Geflügel und
Äpfeln sowie mit Cider und Wein. In der öffentlichen Bibliothek wird die im 18. Jahrh. wieder aufgefundene berühmte Tapisserie
de Bayeux aufbewahrt, eine ausgezeichnete, 50 cm in der Höhe, 70,3 m in der Länge messende Stickerei auf
feiner weißer Leinwand, die in meisterhafter Anordnung und mit lat. Erläuterungen versehen, in 58 Gruppen die Hauptereignisse
der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer darstellt. Die Arbeit soll von Mathilde, der Gemahlin Wilhelms, gefertigt
sein; gewiß ist nur, daß sie dem 11. Jahrh. angehört. Das nicht nur
in künstlerischer, sondern auch geschichtlicher Beziehung bedeutende Werk wurde von Thierry in dessen «Histoire de la conquête
de l'Angleterre par les Normands» (Bd. 1) beschrieben
und seitdem mehrfach in Stahlstich und 1879 von J. Comte in 79 Blättern photographisch vervielfältigt.
Bayeux, die alte Hauptstadt der gallischen Baiocasses, war in der Römerzeit als Augustomagnus, wie Reste
einer Wasserleitung
[* 9] und eines Gymnasiums beweisen, eine bedeutende Stadt. Im frühern Mittelalter Baiocassis und Baiocä
(Baiocum), wurde es seit etwa 360 Bischofssitz (Baioca) und Hauptort einer
fränk. Gaugrafschaft,
Baiocassinus, der spätern Landschaft Bessin, des Litus Saxonicum, wo Karl d. Gr. überwundene Sachsen
[* 10] angesiedelt hatte. Im 9. Jahrh.
wurde es von dem NormannenRollo erstürmt und hielt sich als Mittelpunkt der normann.
Herrschaft am längsten frei von franz. Art und Sitte. Im engl. Kriege wurde die Stadt 1346 von Eduard Ⅲ., 1417 von Heinrich
Ⅴ., 1450 von Dunois erobert. Im 16. Jahrh. litt sie viel durch die Hugenottenkriege,
erlebte unter Ludwig ⅩⅢ die blutige Bestrafung der rebellischen «Va-nu-pieds»,
unter Ludwig ⅩⅣ. die grausame Verfolgung der Protestanten. In der Revolutionszeit hielt sie mit ihrer zahlreichen Geistlichkeit
treu zu den Bourbonen. –
Vgl. F. Pluquet, Essai historique sur Bayeux (1830).