Bautzen
[* 1] (wend.
Budissin), Hauptstadt der gleichnamigen sächs. Kreishauptmannschaft, die erste der sogen.
Vierstädte, liegt an der
Dresden-Görlitzer und der Bautzen
-Schandauer
Eisenbahn, auf einer steilen Anhöhe rechts über der
Spree,
über welche eine schöne
Eisenbahnbrücke führt, und besteht aus der eigentlichen, mit
Mauern und Warttürmen
umgebenen Stadt und zwei Vorstädten, die durch
Alleen von der eigentlichen Stadt geschieden und mit
Wall und
Graben (jetzt
zum Teil
Promenaden) umgeben sind, während das meist von
Wenden bewohnte Dorf Seidau (mit 2858 Einw.) nördlich am andern
Ufer der
Spree liegt. Im
NW., auf dem höchsten
Punkte der Stadt, liegt das uralte, 958 gegründete, aber
später wiederholt abgebrannte Felsenschloß
Ortenburg, ehemals häufig die
Residenz der
Könige von
Böhmen,
[* 2] jetzt Sitz verschiedener
Behörden.
Unter den
Kirchen ist die vorzüglichste der
Dom St.
Petri am Fleischmarkt, ein großer Hallenbau von unregelmäßiger Grundform,
1441-97 erbaut, mit 94 m hohem
Turm,
[* 3] fünf großen
Glocken und kostbaren Kirchengefäßen. Die
Kirche ist
seit 1543 paritätisches Gotteshaus für Katholiken (deren Bautzen
1631 zählt) und
Protestanten.
Andre
Kirchen sind die zu St.
Maria
und
Martha (Garnisonkirche für
Protestanten), die protestantische
Dreifaltigkeits- oder Taucherkirche, die St. Michaeliskirche
(für wendische
Protestanten) und die
Kirche zu Unsrer
Lieben
Frau (für wendische Katholiken).
Andre ansehnliche
Gebäude sind: die beiden Landschaftshäuser, die Dekanei (das Kapitelhaus), das schöne
Rathaus mit schlankem
Turm, das große
Gewandhaus,
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 4] von Bautzen.]
¶
mehr
die Kaserne, das Theater,
[* 6] das Stadtkrankenhaus, das neue Gymnasialgebäude, die neue Bürgerschule etc. Sehenswert sind auch
die malerischen Ruinen der Nikolai- und besonders der Mönchskirche innerhalb der Stadt. Die Zahl der Einwohner betrug 1880 mit
Einschluß der Garnison (Inf.-Reg.
Nr. 103) 17,509 (3066 Wenden). Bautzen
gehört zu den gewerbfleißigsten Städten Sachsens. Der älteste, schon
im 17. Jahrh. wichtig gewesene und noch jetzt wichtigste Industriezweig ist das Stricken und Wirken wollener Strümpfe, Handschuhe,
Jacken etc.; auch die Tuchmacherei ist bedeutend.
Außerdem hat Bautzen
zwei Eisengießereien mit Maschinenbauwerkstätten, eine mechanische Spinnerei, Weberei,
[* 7] Strumpfwirkerei,
Fabriken für Papier, Zigarren, Strickmaschinen, Leder, Pulver, Sprit, Thonwaren,
[* 8] Wagen, eine lithographische
Anstalt, einen Kupferhammer, Ziegelbrennerei, eine Kunstmühle, eine Gas- und Wasserleitung
[* 9] etc. Der Großhandel erstreckt
sich besonders auf die Erzeugnisse der städtischen Industrie. Ein Kaufhaus (das sogen. Gewandhaus) besteht schon seit 1284. hat 1 Gymnasium
(seit 1556), 1 protestantisches und 1 kath. Schullehrerseminar, 1 Realschule zweiter Ordnung, 1 Handels-, 1 Landwirtschaftsschule, 2 öffentliche
Bibliotheken, deren eine ein böhmisches Manuskript von Johannes Huß enthält, 1 Altertumsmuseum und 1 Bildergalerie.
Als Wohlthätigkeitsanstalten sind zu erwähnen: 4 Spitäler, 1 Waisenhaus, 1 Armenhaus (verbunden mit Korrektionsanstalt), 1 Stadtkrankenhaus;
außerdem 1 Garnisonlazarett. Bautzen
ist Sitz der Kreishauptmannschaft, eines Landgerichts (für die 18 Amtsgerichte
zu Bautzen
, Bernstadt, Bischofswerda, Ebersbach, Großschönau, Herrnhut, Kamenz,
[* 10] Königsbrück, Löbau,
[* 11] Neusalza, Neustadt
[* 12] bautzen
St., Ostritz,
Pulsnitz, Reichenau, Schirgiswalde, Sebnitz, Stolpen und Zittau),
[* 13] einer Amtshauptmannschaft, der landständischen Bank des sächsischen
Markgrafentums Oberlausitz sowie des Domstifts St. Petri.
Dasselbe besteht aus einem katholischen Dechanten (der stets infuliert und jetzt gewöhnlich ein Bischof in partibus ist), einem lutherischen Propst (stets ein Meißener Domherr, weil das Domstift St. Petri geschichtlich ein Kollegiatstift von Meißen [* 14] ist), 10 Domherren und 5 Vikaren derselben. Der Dechant hat auf den Landtagen seinen Sitz in der Ersten Kammer. Das Stift wurde 1213 von dem Bischof Bruno II. von Meißen gestiftet und hat große Besitzungen.
Geschichte. Bautzen
, ursprünglich eine slawische Niederlassung Budissin, erscheint schon um 1004, wo es vom König Heinrich II.
erobert ward, als befestigte Stadt. Zur Hebung
[* 15] derselben trug der Ruf einer Reliquie, eines Arms von St. Petrus, bei. Hier ward 1018 der
Friede zwischen dem Polenherzog Boleslaw und Kaiser Heinrich II. und 1350 der Vertrag zwischen Karl IV. und
Ludwig von Brandenburg
[* 16] geschlossen, wodurch Ludwig seinen Ansprüchen auf die Niederlausitz entsagte, aber Brandenburg verbürgt
erhielt. Im Hussitenkrieg litt Bautzen
viel, schlug aber 1431 einen Sturm ab. Im Dreißigjährigen Krieg nahm es Kurfürst Georg 1620 nach
vierwöchentlicher Belagerung ein; 1633 ward es von Wallenstein erobert, und brannte es der
vom Kurfürsten von Sachsen
[* 17] belagerte kaiserliche Oberst v. Goltz, bevor er sich ergab, nieder. Im J. 1813 wurde Bautzen
berühmt
durch die Schlacht (auch die Schlacht von Wurschen genannt) vom 20. und 21. Mai. Nach der Schlacht bei Lützen
[* 18] zogen sich die Preußen
[* 19] und Russen über die Elbe zurück, und machten bei Bautzen
Halt.
Die Stellung auf dem rechten Ufer der Spree war gut gewählt; das Terrain erhebt sich terrassenförmig bis hinauf nach Hochkirch.
[* 20] Die
Verbündeten sicherten sich durch zahlreiche Redouten und Erdverschanzungen. Ihr linker Flügel lehnte
sich an die böhmischen Gebirge, der rechte, bei Malwitz, war durch Seen, Teiche und fließende Gewässer gedeckt, die Spree
und die Stadt Bautzen
schützten die Fronte. Auf dem äußersten rechten Flügel, bei Klix und Malwitz, befehligte Barclay de Tolly;
im Zentrum an der Spree Kleist, dahinter in zweiter Linie auf den Kreckwitzer Höhen Blücher und York; auf
dem linken Flügel Gortschakow, vor ihm an der Spree Miloradowitsch.
Der Großfürst Konstantin führte die Reserve. Die Verbündeten hatten 180,000 Mann, Napoleon I. 130,000 Mann, worunter 8000 Mann Reiterei. Nachdem die Verbündeten den günstigen Zeitpunkt für einen Angriff auf Napoleon, der anfangs nur eine geringe Truppenmasse bei sich hatte, versäumt und am 19. Mai durch einen verspäteten Versuch, bei Königswartha-Weißig Neys Heranmarsch zu verhindern, das Yorksche Korps nutzlos geschwächt hatten, schritt Napoleon 20. Mai zum Übergang seines Heers über die Spree.
Macdonald stürmte im Zentrum die steinerne Brücke
[* 21] nach und setzte sich nachmittags in Besitz der Stadt.
Auf dem äußersten rechten Flügel schlug Oudinot nach hartem Kampf bei Wilthen eine Brücke und warf Gortschakows Korps. Nur der
linke französische Flügel stand abends noch auf dem linken Ufer der Spree; Kleist, der sich gegen Marmont gehalten hatte, mußte
jedoch in seine zweite Position bei Litten zurückgehen. Napoleon blieb während der Nacht in Bautzen.
Am 21. Mai, morgens 5 Uhr,
[* 22] erneuerte
sich die Schlacht auf der ganzen Linie; Oudinot machte wiederholte Angriffe auf den linken Flügel der Verbündeten, wurde aber
verschiedene Male zurückgeschlagen.
Indessen gelang es Ney, das Korps Barclay de Tollys in der Flanke zu fassen; zu gleicher Zeit ließ Napoleon
im Zentrum durch Soult die Höhen von Kreckwitz nehmen, und da nunmehr die Gefahr einer völligen Einschließung drohte, wurde
von den Verbündeten der Rückzug angetreten und in der größten Ordnung ausgeführt. Weder Geschütz noch Gefangene wurden
von den Franzosen eingebracht. Die Verluste der Verbündeten beliefen sich auf etwa 14,000, die der Franzosen
auf über 20,000 Mann an Toten und Verwundeten. Die Folge der Bautzener
Schlacht war der Rückzug der Verbündeten bis an die
Oder, worauf nach längerer Unthätigkeit der Waffenstillstand vom 4. Juni folgte.
Vgl. Wagner, und seine
Umgebung (Bautzen
1871);
Wilke, Geschichte der Stadt Bautzen
(das. 1843);
v. Meerheimb, Die Schlacht bei Bautzen (Berl. 1873).
Die Kreishauptmannschaft Bautzen zählt auf 2470 qkm (44,85 QM.) (1880) 351,326 Einw. (142 auf 1 qkm), davon 321,379 Evangelische, 29,363 Katholiken und 187 Juden (48,525 Wenden), und zerfällt in die vier Amtshauptmannschaften:
QKilom. | QMeilen | Einwohner | auf 1 QKil. | |
---|---|---|---|---|
Bautzen | 826 | 15.01 | 103262 | 125 |
Kamenz | 696 | 12.64 | 57640 | 83 |
Löbau | 523 | 9.50 | 93989 | 180 |
Zittau | 425 | 7.70 | 96435 | 227 |