Titel
Baur
,
1) Ferdinand Christian, berühmter Theolog der Neuzeit, geb. zu Schmiden bei Stuttgart, [* 3] ward 1817 Professor am theologischen Seminar zu Blaubeuren und 1826 ordentlicher Professor der evangelischen Theologie an der Universität zu Tübingen, [* 4] wo er starb. Nach Herausgabe seiner »Symbolik und Mythologie, oder die Naturreligion des Altertums« (Stuttg. 1824-25, 3 Bde.) bebaute er in epochemachender Weise die Gebiete der Dogmengeschichte, der kirchlichen Symbolik und der biblischen Kritik. Zuerst auf dem Standpunkt Schleiermachers stehend, schloß er sich schon in seinen Schriften über »Das manichäische Religionssystem« (Tübing. 1831) und »Die christliche Gnosis, oder die christliche Religionsphilosophie in ihrer geschichtlichen Entwickelung« (das. 1835) der Hegelschen Schule an, welcher er dann in seiner philosophischen Behandlung der gesamten Kirchengeschichte treu geblieben ist.
Den eigentlichen Glanzpunkt seiner historischen Forschungen bildete speziell das dogmengeschichtliche Feld, teils in den beiden umfassenden Monographien: »Die christliche Lehre [* 5] von der Versöhnung in ihrer geschichtlichen Entwickelung von der ältesten Zeit bis auf die neueste« (Tübing. 1838),
»Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes« (das. 1841-43, 3 Bde.),
teils in seinem »Lehrbuch der christlichen
Dogmengeschichte« (Stuttg. 1847, 3. Aufl. 1867) und in
seinen »Vorlesungen über die christliche
Dogmengeschichte« (Leipz. 1865-67, 3 Bde.).
Ein zweites verwandtes Gebiet, auf welchem Baur
wirkte, ist die
Symbolik im kirchlichen
Sinn; er verteidigte den
Lehrbegriff der
evangelischen
Kirche gegen
Möhlers
»Symbolik« in der
Schrift »Der
Gegensatz des
Katholizismus und
Protestantismus«
(Tübing. 1833, 2. Aufl.
1836). Mit Vorliebe endlich wandte er sich der
Urgeschichte des
Christentums zu. Wo man früher im apostolischen
Zeitalter nur
Frieden und
Einheit gesehen hatte, da suchte
er den
Kampf entgegengesetzter
Richtungen nachzuweisen, eines jüdisch-gesetzlichen
Messiasglaubens und des von
Paulus eingeführten
Prinzips der gesetzesfreien Weltreligion.
Aus der Auseinandersetzung, in welcher beide Richtungen anderthalb Jahrhunderte lang miteinander begriffen waren, ging dann die katholische Kirche hervor; als Denkmäler dieses kirchenbildenden Prozesses seien unsre neutestamentlichen Schriften entstanden, meist im 2. Jahrh. Vor dem Jahr 70 bleiben als echte Schriften nur bestehen die vier größern Briefe des Paulus und die Offenbarung des Johannes. Zusammengefaßt sind die auf die Apostelgeschichte und die Paulinischen Briefe sich beziehenden Untersuchungen in dem Werk »Paulus, der Apostel Jesu Christi« (Stuttg. 1845; 2. Aufl., Leipz. 1867),
seine die evangelische Überlieferung betreffenden Studien dagegen in den »Kritischen Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältnis zu einander, ihren Ursprung und Charakter« (Tübing. 1847),
wozu als Nachtrag kommt die Schrift »Das Markus-Evangelium nach seinem Ursprung und Charakter« (das. 1851). Die von und seinen Schülern, wie Zeller, Schwegler, Köstlin, Hilgenfeld (s. d.),
verfolgte kritische Richtung, als deren Organ die »Theologischen Jahrbücher« von 1842 bis 1857 erschienen, bezeichnet man mit dem Namen der Tübinger Schule.
Vgl. Baurs
Schrift »Die
Tübinger Schule und ihre
Stellung zur Gegenwart«
(Tübing.
1859) und
Zeller,
Vorträge und Abhandlungen, S. 267 ff., 354 ff.
(Leipz. 1865).
Dieselbe brach einer durchaus neuen
Anschauung des Urchristentums
Bahn, welche gewiß auf vielen
Punkten anfechtbar, aber schon
darum epochemachend ist, weil sie zuerst die allgemein gültigen
Gesetze der Geschichtswissenschaft auf diesem Gebiet zur
Anwendung gebracht hat. Die beste Gesamtdarstellung gibt Baur
selbst in dem Werk »Das
Christentum und die
christliche Kirche der drei ersten
Jahrhunderte«
(Tübing. 1853, 3. Aufl. 1863). Daran schließen sich: »Die
christliche Kirche vom Anfang des 4. bis zum Ende des 6.
Jahrhunderts«
(Tübing. 1859; 2. Aufl., Leipz. 1863);
»Die christliche Kirche des Mittelalters« (das. 1861, 2. Aufl. 1869);
»Die Kirchengeschichte der neuern Zeit« (das. 1863);
»Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts« (das. 1862, 2. Aufl. 1877).
Vgl. auch Baurs
Werk »Die
Epochen der kirchlichen Geschichtschreibung«
(Tübing. 1852).
2) Gustav, evangel. Theolog, geb. zu Hammelbach im Odenwald, habilitierte sich 1841 an der theologischen Fakultät zu Gießen, [* 6] wo er 1847 außerordentlicher, 1849 ordentlicher Professor wurde, ging 1861 als Hauptpastor der Jakobigemeinde nach Hamburg [* 7] und 1870 als ordentlicher Professor nach Leipzig. [* 8] Unter seinen Schriften sind außer mehreren Predigtsammlungen zu nennen: »Grundzüge der Homiletik« (Gießen 1848);
»Grundzüge der Erziehungslehre« (3. Aufl., das. 1876);
die unvollendete »Geschichte der alttestamentlichen Weissagung« (das. 1861);
»Boetius und Dante« (Leipz. 1874).
3) Wilhelm, Theolog, Bruder des vorigen, geb. zu Lindenfels im Odenwald, studierte in Gießen, wurde 1865 Pastor in Hamburg und Direktor der dortigen Stadtmission, 1872 Hof- und Domprediger in Berlin, [* 9] 1879 Oberkonsistorialrat, 1881 Propst, 1883 Generalsuperintendent der Rheinprovinz. [* 10] Er ist Mitglied des Zentralausschusses für innere Mission. Von seinen volkstümlichen Schriften sind zu erwähnen: »Geschichts- und Lebensbilder aus der Erneuerung des religiösen Lebens in den deutschen Befreiungskriegen« (4. Aufl., Hamb. 1884, 2 Bde.);
»Das deutsche evangelische Pfarrhaus« (3. Aufl., Brem. 1884);
»Leben des Freiherrn vom Stein« (2. Aufl., Karlsr. 1885), kleinere Lebensbeschreibungen von Stein (4. Aufl., Barm. 1880), Friedrich Perthes (2. Aufl., das. 1880) und E. M. Arndt (5. Aufl., Hamb. 1882).
4) Hans, Bildhauer, geb. 1829 zu Konstanz, [* 11] lernte die Bildhauerei zunächst bei Öchslin in Schaffhausen, [* 12] dem Schüler Danneckers, und studierte dann in ¶
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München [* 14] unter Widnmann. Sein erstes Hauptwerk waren die kolossalen Statuen des heil. Konrad und des heil. Pelagius im Dom zu Konstanz, denen die Statuen des Markgrafen Bernhard III. von Baden [* 15] und des Bischofs Gebhard von Konstanz daselbst folgten. 1860 wurde ihm das Modell der kolossalen Statue des Vaters Rhein für die Rheinbrücke bei Kehl übertragen, 1862 lieferte er für die Rheinbrücke bei Konstanz die Sandsteinstatuen des Herzogs Berthold I. von Zähringen und des Großherzogs Leopold von Baden sowie 1873 das eherne Siegesdenkmal einer Viktoria in Konstanz.
5) Franz, Forstmann, Bruder von Baur
2 u. 3), geb. zu Lindenfels im Odenwald, studierte in Gießen,
war 1855-60 Professor der Forstwissenschaft und Mathematik an der böhmischen Forstschule zu Weißwasser, darauf als Oberförster
in Mitteldick bei Darmstadt
[* 16] praktisch thätig, folgte 1864 einem Ruf als Professor an die land- und forstwirtschaftliche Akademie
zu Hohenheim, stand seit 1872 an der Spitze der forstlichen Versuchsstation daselbst und erhielt 1878 eine
forstwissenschaftliche Professur an der Universität zu München. In demselben Jahr ward er durch Verleihung des württembergischen
Kronenordens in den Adelstand erhoben. hat durch seine Schrift »Über forstliche Versuchsstationen« (Stuttg. 1868) die erste
wirksame Anregung zur Organisation des forstlichen Versuchswesens in Deutschland
[* 17] gegeben.
Außerdem schrieb er: »Die Holzmeßkunst« (3. Aufl., Wien [* 18] 1882);
»Lehrbuch der niedern Geodäsie« (3. Aufl., das. 1879);
»Die Fichte [* 19] in Bezug auf Ertrag, Zuwachs und Form« (Berl. 1876);
»Untersuchungen über den Festgehalt und das Gewicht des Schichtholzes und der Rinde. Ausgeführt von dem Verein deutscher forstlicher Versuchsanstalten« (Augsb. 1879);
»Die Rotbuche in Bezug auf Ertrag, Zuwachs und Form« (Berl. 1881).
Seit 1866 ist er Herausgeber der »Monatsschrift für das Forst- und Jagdwesen«, seit 1879 unter dem Titel: »Forstwissenschaftliches Zentralblatt« erscheinend.
6) Albert, Maler, geb. zu Aachen, [* 20] bildete sich an der Akademie in Düsseldorf [* 21] bei Sohn und bei Kehren, dann in München bei Schwind aus. Im J. 1861 kam er nach Düsseldorf zurück, wo er durch seinen Karton: die Leiche Ottos III. wird über die Alpen [* 22] nach Deutschland gebracht, den von der Verbindung für historische Kunst ausgesetzten Preis gewann. Er führte denselben später in Öl aus; auf der Rundreise durch Deutschland jedoch machte das Bild infolge der zweigeteilten Komposition und der stumpfen, trüben Farbe wenig Glück.
Bei der 1864 ausgeschriebenen Konkurrenz zur Ausschmückung des Schwurgerichtssaals in Elberfeld [* 23] errang er den ersten Preis, und die Arbeit (Szenen aus dem Jüngsten Gericht) wurde ihm übertragen (1869 vollendet). Im J. 1872 beteiligte er sich an der Konkurrenz des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen [* 24] mit der großen Ölskizze: der gefangene Apostel Paulus predigt in Rom, [* 25] welche er später als Gemälde ausführte. Von andern Arbeiten sind zu erwähnen: christliche Märtyrer werden von ihren Angehörigen zum Begräbnis abgeholt (in der städtischen Galerie zu Düsseldorf) und Otto I. an der Leiche seines Bruders Dankmar (1874, in der Kirche von Eresburg).
Dazwischen liegen kleinere Bilder aus dem deutschen Mittelalter und dem altrömischen Leben. Im J. 1872 wurde Baur
zum Professor
an der großherzoglichen Akademie in Weimar
[* 26] ernannt. 1876 legte er jedoch seine Professur nieder und lebt
seitdem wieder in Düsseldorf, wo er neben Porträten und kleinern Gemälden, wie jagende Amazonen
u. a., ein großes Bild: die
Versiegelung des Grabes Christi (1879), malte, welches sich durch den Ernst der historischen Auffassung und durch Kraft
[* 27] und Reichtum
der Farbe auszeichnete.