Titel
Baumwolle
,
[* 2] das Samenhaar mehrerer Arten und Varietäten der zur Familie der Malvaceen gehörigen Gattung Gossypium L. (s. Tafel »Spinnfaserpflanzen«); [* 3] diese umfaßt Sträucher oder Kräuter mit drei- bis neunlappigen, selten ungeteilten Blättern, großen, meist gelben oder purpurnen Blüten und drei- bis fünfklappigen Kapseln, [* 4] aus welchen die die Samen [* 5] bedeckenden langen, weichen Wollhaare bei der Reife elastisch hervorquellen. Die Gattung, deren Arten schwer auseinander zu halten sind, ist wohl in Asien [* 6] und Amerika [* 7] (vielleicht auch in Afrika) [* 8] heimisch, durch Kultur aber über fast alle Länder zwischen dem 40. oder 41.° nördl. und dem 30.° südl. Br. verbreitet.
Die größten
Quantitäten Baumwolle
liefern erwiesenermaßen folgende
Spezies: G. barbadense L. (westindische ein 2-5 m hoher
Strauch
mit langgestielten, am
Grund herzförmigen Blättern
und gelben, am
Grund roten
Blüten, stammt von den
Bahamas und wird wegen ihrer langen
Faser fast überall, hauptsächlich in zwei
Varietäten in
Nordamerika,
[* 9] kultiviert. G. herbaceum
L. (krautige Baumwolle
), einjährig, 1,5-2 m hoch, mit fünflappigen Blättern, kurzgestielten,
blaßgelben, im
Grund purpurroten
Blüten und Samenkapseln von der
Größe einer Walnuß, wächst am
Irawadi
und wird in
Indien,
Kleinasien,
Nordamerika,
Ägypten
[* 10] und Südeuropa kultiviert.
Eine
Varietät ist wohl G. punctatum
Schum., welche in
Afrika verwildert vorkommt, in
Senegambien, am
Mittelländischen
Meer und
in einigen Teilen
Amerikas kultiviert wird. G. arboreum L. (baumartige Baumwolle
), 3-3,8 m hoher
Strauch mit braun purpurroten
Blüten,
stammt aus
Ostindien
[* 11] und wird in
China,
[* 12]
Ägypten,
Ostindien, am
Mittelmeer, in
Nordamerika und
Westindien
[* 13] kultiviert. In
Südamerika
[* 14] herrscht G. peruvianum
Cav. vor, deren
Samen nierenförmig zusammenkleben. G. religiosum L. (gelbe oder chinesische ein 1-1,25
m hoher
Halbstrauch in
China und
Hinterindien
[* 15] und von dort nach
Ost- und
Westindien verpflanzt, hat gelbe
oder gelbbraune Samenhaare, welche zu
Nanking verarbeitet werden, wird von manchen Botanikern aber nur als eine
Varietät und
die gelbe Färbung der Samenhaare als
Folge eigentümlicher klimatischer oder Bodenverhältnisse betrachtet. G. hirsutum
L.,
aus dem wärmern
Amerika, wird in
Westindien,
Guayana und
Nordamerika kultiviert und hat Samenkapseln fast
von Apfelgröße.
[Kultur.]
Die Baumwolle
gedeiht am besten bei einer mittlern
Temperatur von 19-25° in einem feuchtwarmen
Klima.
[* 16] In
Nordamerika erstreckt
sich der Baumwollbau bis zum 35.° nördl.
Br., am
Mississippi sogar bis zum 37.° und wird besonders in
Alabama,
Mississippi,
Georgia,
Süd- und
Nordcarolina,
Tennessee,
Virginia,
Louisiana,
Arkansas,
Texas,
Florida und in neuester Zeit
auch in
Kalifornien betrieben. In
China und
Japan gedeiht Baumwolle
bis 41° nördl.
Br.; sie wird auch in Vorder- und
Hinterindien und
in
Vorderasien kultiviert. In
Europa
[* 17] geht sie in der
Krim
[* 18] und bei
Astrachan sogar bis 46° nördl.
Br. und wird auch auf
dem
Peloponnes und den
Cykladen, in Südspanien, bei
Neapel
[* 19] und auf
Sizilien
[* 20] gebaut.
Nordafrika liefert aus
Algerien
[* 21] und namentlich aus
Ägypten viel Baumwolle.
Außerdem findet sich Baumwollkultur im Kaffernland, in
Natal und am
Kap, in
Brasilien,
[* 22]
Paraguay,
[* 23]
Uruguay und in einem Teil der La
Plata-Staaten östlich vom
La Plata, im
nordöstlichen
Australien
[* 24] und auf mehreren
Inseln der
Südsee. Die günstigsten Verhältnisse findet die an der Ostküste
Nordamerikas
zwischen 25° 10' und 32° 40', also in
Florida,
Georgia und
Südcarolina, wo namentlich auch auf den kleinen
Inseln die berühmte
langfaserige Sea
Island-Baumwolle (nach
Royle G. barbadense, nach andern eine aus
Persien
[* 25] stammende, über
Anguilla
und die
Bahamas eingeführte
Sorte, also wohl G. herbaceum) kultiviert wird.
Die Baumwolle
verlangt einen humosen, an
Kali und
Kalk reichen
Boden, unter Umständen ausgiebige
Bewässerung, zur Erntezeit aber trockne
Witterung, weil der die geöffneten
Kapseln treffende
Regen die Baumwolle
bräunt und verdirbt. Die
Güte der Baumwolle
hängt
in erster
Linie von der Stammpflanze ab. Im allgemeinen liefern die baumartigen
Formen bessere
Wolle als die strauchigen und
diese bessere als die krautartigen. Aber auch
Klima,
Boden und Kulturverhältnisse sind von großem Einfluß. Bei zu großer
Trockenheit bleibt die
Wolle kurz. Man säet die Baumwolle
, indem man mehrere
Körner in 1 m voneinander entfernte
Löcher legt, beseitigt von den schnell hervorkommenden
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Keimpflanzen die schwächlichen und entspitzt nach 3-4 Monaten die Schößlinge, damit die Pflanzen recht buschig werden, weil
die besten Früchte an jungen Trieben wachsen. Fünf Monate nach der Aussaat beginnt die Ernte.
[* 27] Perennierende Arten werden im zweiten
Jahr kurz über dem Boden abgeschnitten, die Ernte fällt aber bei ihnen von Jahr zu Jahr geringer aus,
und nach einigen Jahren müssen sie umgepflügt werden. Die Ernte umfaßt wegen des ungleichen Reifens der Kapseln immer eine
längere Zeit; man pflückt die Wolle mit den Samenkörnern und läßt die Hülsen stehen, weil dieselben leicht zerstückeln
und sich dann schwer von der Baumwolle
trennen lassen.
Zur Abscheidung der pfefferkorn- bis erbsengroßen Samen benutzt man Egreniermaschinen, durch deren Erfindung die Baumwollkultur
mächtig gefördert wurde. Sie sind für verschiedene Baumwollsorten von ungleicher Konstruktion. Auf einer rasch umlaufenden
Welle befinden sich z. B. 20-80 Kreissägen, welche mit ihren spitzen, schräg gestellten Zähnen durch die eng stehenden Zähne
[* 28] eines eisernen Rostes hindurchgreifen, die auf einem Zuführtisch ausgebreitete Baumwolle
erfassen und durch
den Rost hindurchzerren, während die Samenkörner abspringen.
Eine mit Bürsten besetzte Welle, welche sich hinter der Sägewelle dreht, nimmt von dieser die ab. Es ist leicht einzusehen,
daß langhaarige Baumwolle
bei diesem etwas gewaltsamen Prozeß leicht zerrissen wird. Um dies zu vermeiden,
wendet man eine Walzenmaschine (roller-gin) an, welche die Baumwolle
zwischen zwei glatten oder geriffelten Walzen hindurchzieht,
wobei wieder die Samen, welche nicht folgen können, abspringen. Eine große Baumwollpflanze kann bis 2½ Pfd.
rohe Baumwolle liefern, häufig wird aber nur der zehnte Teil dieses Ertrags gewonnen. Man schätzt den Ertrag
von 1 Acre (0,4 Hektar) bei Sea Island
[* 29] auf 75-150 Pfd. gereinigte Baumwolle, bei Upland 150-250 Pfd.; in Indien rechnet man aber nur
50-60 Pfd., in Natal 200 Pfd. vom Acre. Von den geringen Sorten liefern 900 Pfd. rohe Wolle einen Ballen von 300-350 Pfd., von
den besten Sorten gehören dazu bis 2000 Pfd. rohe Baumwolle.
[Beschaffenheit.]
Die Baumwollfaser bildet eine einzige langgestreckte Pflanzenzelle, ist vor der Reife mit einem körnigen Inhalt erfüllt, zur Zeit der Reife aber leer und zu einem glatten, meist schraubenartig gedrehten Band [* 30] zusammengefallen, welches unter dem Mikroskop [* 31] doppelt konturiert erscheint [* 2] (Fig. 3, 4, 6). Die Außenfläche der Zelle [* 32] bekleidet ein feines Häutchen, die Cuticula, welches an gröbern, besonders glanzlosen, Baumwollsorten stark entwickelt ist und als ein feinkörniges oder streifiges oder astförmig gezeichnetes Häutchen erscheint, aber im allgemeinen um so undeutlicher bleibt, je feiner und glänzender die Baumwolle ist. Die Breite [* 33] der Haare [* 34] schwankt zwischen 0,0119 und 0,0420 mm, die Länge zwischen 2,5 und 6 cm. Die am häufigsten vorkommenden Werte für die Längen (Stapel) der nachstehenden Baumwollsorten sind:
Gossypium | barbadense, | Sea Island | 4.05 | Centim. |
" | " | Brasilien | 4.00 | " |
" | " | Ägypten | 3.89 | " |
" | arboreum, | Indien | 2.50 | " |
" | herbaceum, | Makedonien | 1.82 | " |
" | " | Bengalen | 1.03 | " |
Außer diesen Haaren findet sich auf den Samen eine Grundwolle, aus kleinen, etwa 0,5-3 mm langen Haaren bestehend, teils gleichmäßig den Samen überziehend oder auf die Spitze und Basis beschränkt. Wenn zur Zeit der Reife der Baumwollhaare deren körniger Inhalt zu schwinden beginnt, so verdickt sich die Zellwand, bis sie etwa ⅓-⅔ vom Durchmesser des Haars erlangt hat. Die Wand der Baumwollzelle kann sich in Bezug auf ihre Dicke nicht mit der Flachsfaser, wohl aber mit sehr vielen andern Bastfasern messen und übertrifft bei weitem alle übrigen technisch verwendeten Pflanzenhaare.
Von der Stärke [* 35] dieser Verdickungsschicht hängen nun aber die Weichheit und Biegsamkeit der Faser, die schraubenzieherartige Drehung und damit die Elastizität sowie die Festigkeit [* 36] ab; was letztere betrifft, so zerreißt Louisiana bei 2,5, Georgia bei 3,66, Jumel bei 4,33, kurze Georgia bei 4,5 g Belastung. Das spezifische Gewicht der Baumwolle beträgt 1,47-1,5; sie ist sehr hygroskopisch, und zwar vermehrt nach vollkommenem Trocknen im luftleeren Raum 1 g ungesponnene Baumwolle ihr Gewicht auf 1,3092, Gespinst auf 1,2593 in einer bei 18° mit Feuchtigkeit gesättigten Luft.
Die Baumwolle besteht im wesentlichen aus Cellulose C6H10O5 , die Cuticula scheint aber andre Zusammensetzung zu haben. Sie ist im allgemeinen weiß mit einem Stich ins Gelbliche, und zwar ist gerade die feinste u. festeste Baumwolle gelblich. Die Nankingbaumwolle ist gelb oder gelbbraun. Aber auch die weiße ist fast niemals rein weiß, und die Grundwolle zeigt meist gelbe, bisweilen grüne Färbung. Baumwolle löst sich in konzentrierter Schwefelsäure, [* 37] u. beim Verdünnen der Lösung entsteht Dextrin;
als Zwischenstufe entsteht eine dem Stärkekleister sich höchst ähnlich verhaltende Substanz, das sogen. Amyloid;
in verdünnter Schwefelsäure quillt die Baumwolle etwas auf;
konzentrierte Salpetersäure oder ein Gemisch von Salpeter und konzentrierter Schwefelsäure verwandelt sie in Pyroxylin, welches entweder in Ätheralkohol unlöslich ist (Schießbaumwolle), oder sich darin löst (Kollodiumwolle).
Kali- und Natronlauge wirken bei einiger Konzentration und nicht zu langer Berührung zusammenziehend auf die Fasern, diese schwellen an, verdicken und verkürzen sich, zeigen sich unter dem Mikroskop bedeutend stärker gedreht, mit fast kreisrundem Querschnitt und sehr enger Höhlung. So veränderte Baumwolle heißt mercerisiert (Querschnitt, [* 2] Fig. 7), sie nimmt beim Färben dunklere Nüancen an als unveränderte unter denselben Verhältnissen. Wasserglas, welches bisweilen bei der Appretur gebraucht wird, macht die Baumwolle besonders bei dichter Ver-
[* 2] ^[Abb.: Fig. 1 u. 2. Faser der toten oder unreifen Baumwolle.
Fig. 3 u. 4. Reife Baumwolle (400mal vergrößert).
Fig. 5 Querschnitte der toten,
Fig. 6 der reifen Baumwolle.]
^[Abb.: Fig. 7. Querschnitt mercerisierter Baumwolle.] ¶
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packung mürbe; es zerfällt nämlich in ein sehr saures Silikat und in sehr basisches Salz [* 39] oder freies Alkali, und beim Kristallinischwerden der Salze leiden dann die Zellwände. Kalkmilch verändert die auch in der Wärme [* 40] wenig, beim Trocknen scheint aber auf Kosten des Kohlen- und Wasserstoffs der Baumwolle Kohlensäure und Wasser gebildet zu werden, und infolgedessen wird die Faser mürbe und zerfällt. Auf den Wandungen der Haare finden sich endlich getrocknete Saftbestandteile, teils löslich, teils unlöslich in Wasser; sie machen die rohe Baumwolle schwierig benetzbar, weichen aber der abwechselnden Behandlung mit alkalischen Laugen und verdünnten Säuren und den Bleichmitteln.
Feuchte Baumwolle absorbiert an der Luft allmählich Sauerstoff und oxydiert sich zu Kohlensäure und Wasser (Verwesungsprozeß). Mit Öl getränkte und in großen Massen locker aufgehäufte Baumwolle kann sich infolge der lebhaften Oxydation des Öls [* 41] bis zur Selbstentzündung erhitzen. Schwere Schiefer- und Kohlenöle erschweren das Eintreten der Oxydation. Wo also, wie in der Rotgarnfärberei oder bei der Benutzung der Abfälle der Spinnereien als Putzmaterial, solche Tränkungen der Baumwolle mit Öl vorkommen, ist Vorsicht geboten und besonders die Anhäufung großer Massen zu vermeiden.
Nicht selten kommen in der Baumwolle Fasern vor, die nicht zu völliger Reife gelangt, sondern auf einer tiefern Entwickelungsstufe stehen geblieben sind; die Verdickungsschicht hat sich bei denselben nur in sehr geringem Grad entwickelt, und der körnige Inhalt ist in größerer Menge zurückgeblieben. Solche Baumwolle zeigt sich unter dem Mikroskop in Gestalt flacher Bänder, ohne Höhlung, nicht gedreht und häufig gefleckt. Sie nimmt beim Färben mit gewissen Farben, z. B. Krapprosa und Indigo, [* 42] keine Farbe an und wird deshalb tote Baumwolle genannt [* 38] (Fig. 1, 2, 5). Durch Sorgfalt bei der Kultur und Ernte soll das Auftreten toter Baumwolle vermindert werden können, aber es bleibt immer Aufgabe der Spinnereien, die unausgebildeten Fasern durch die Vorbereitungsmaschine zu entfernen, und in der That gelingt dies sehr gut. Trockne Baumwolle gibt 1,83 Proz. Asche.
[Handelssorten.]
Im Handel unterscheidet man zunächst nach der Länge der Fasern: langstapelige (long staple) und kurzstapelige (short staple). In beiden Abteilungen wird der Wert der Baumwollsorten nicht nur nach der absoluten Länge der Fasern und den übrigen Eigenschaften, sondern ganz besonders auch nach der Gleichförmigkeit der Faserlänge bestimmt. Zu den langstapeligen Sorten mit 20-40 mm Faserlänge werden die folgenden gerechnet:
Lange Georgia | 25-29 mm | Pernambuco | 32-38 mm |
Bourbon | 20-27 | Bahia | 27-34 |
Jumel, Mako | 34-38 | Camouchi | 23-29 |
Puerto Rico | 20-25 | Pará | 20-27 |
Lange Cayenne | 27-34 | Maranhão | 23-29 |
Haïti | - - | Martinique | 27-34 |
Minas | 20-25 | Trinidad | - - |
Guadeloupe | 27-34 | Cumana, Orinoko | 23-27 |
Cuba | - - | Cartagena | 20-27 |
Zu der kurzfaserigen Baumwolle mit 16-25 mm rechnet man außer kurzer Cayenne-, Alabama-, Mobile-, Tennessee-, Virginia-, Surate-, Madras-, Alexandria- und bengalischer Baumwolle noch:
Louisiana | 18-25 mm | Sauboujatz | 18-23 mm |
Kurze Georgia | 18-25 | Kirkajatz | 16-20 |
Senegal | 18-23 | Kinich | 16-20 |
Bezüglich der Feinheit ist zu bemerken, daß die Fasern der amerikanischen und ostindischen Sorten, besonders die von G. barbadense, etwas dicker sind als die der übrigen. Um den Raum von 2,6 cm beim Nebeneinanderlegen auszufüllen, sind erforderlich: 160 Haare von langer Georgia, 150 von Santo Domingo, [* 43] Puerto Rico, Mako, Bourbon, 135 von Louisiana, 125 von Guaragua, 120 von Castellamare, Cayenne, Cartagena, kurzer Georgia, Bengalen, bester Surate, Pernambuco, [* 44] 100 von makedonischer, 80 von Attah, Saloniki, [* 45] Pera, Adenos und ordinärer Surate. Man benennt die verschiedenen Sorten der Baumwolle im Handel nach ihrem Vaterland, unterscheidet aber von jeder wieder verschiedene Qualitäten, für deren Bezeichnung jetzt allgemein die englischen Ausdrücke
fine | good | fair | middling | ordinary | inferior |
mit mehreren Zwischenstufen üblich sind. Unter allen Baumwollsorten nimmt die nordamerikanische die erste Stelle ein. Sie zeichnet sich durch Länge und Feinheit, Zähigkeit und Haltbarkeit der Faser, durch sorgfältige Behandlung und Reinigung aus. Keine andre Baumwolle ist besser zum Spinnen, [* 46] selbst der feinsten Nummern, geeignet und erträgt die Streckung und Reibung [* 47] im Webstuhl [* 48] besser als die amerikanische. Man unterscheidet Sea Island, welche an den Küsten von Georgia, Südcarolina und Florida gewonnen und zwei- bis dreimal höher bezahlt wird als kurze Georgia.
Die Sea Island ist die langstapeligste aller Sorten und überragt auch in den meisten andern Eigenschaften, besonders in der Feinheit, die übrige Wolle; sie hat aber stets einen Stich ins Gelbe und wird in der Farbe von den meisten brasilischen Arten übertroffen, welche auch glänzender, seidiger sind. Man hat versucht, die Sea Island in andre baumwollliefernde Länder einzuführen und in der That recht gute Sorten erzielt, welche aber doch der originalen Sea Island nachstehen; ihre Produktionsmenge beträgt nur 1½ Proz. des gesamten nordamerikanischen Wuchses, und ihre Verwendung ist eine verhältnismäßig beschränkte.
Unter der Benennung Upland (Oberland) werden sowohl die Wollen aus den höhern Gegenden Georgias als die aus den andern südlichen Küstenstaaten verstanden, die unter sich an Güte wieder verschieden sind. Nächst der Sea Island ist die zarte, kräftige, weiße Louisiana am meisten geschätzt; sie wird fast ausschließlich als Kette benutzt, bei welcher es besonders auf Stärke und Länge des Fadens ankommt. Die westindische Baumwolle ist meist von guter Qualität, mit langen, zarten, kräftigen und knötchenfreien Fasern und daher den bessern nordamerikanischen Sorten gleichkommend oder sie zum Teil übertreffend; doch liefert sie wegen mangelhafter Reinigung 20-25 Proz. Abgang.
Hauptsorten sind: Haïti, [* 49] Santo Domingo, Puerto Rico (gut gereinigt), Cuba, Martinique, Jamaica, Barbados, Trinidad, Grenada. Unter der südamerikanischen Baumwolle steht die brasilische durch Länge, Feinheit und Seidigkeit der Fasern obenan. Pernambuco und Paraibo kommen der Sea Island am nächsten. Dann folgen Ceara, Alagoas, Bahia, [* 50] Minas novas, Maranhão. Geringere Sorten sind: Pará, Macayo, Rio de Janeiro. [* 51] Die Reinigung ist meist mangelhaft. Die Baumwolle aus den Kolonien Guayanas, die Surinam, Cayenne, Essequebo, Berbice, steht im allgemeinen hinter der brasilischen zurück, noch minderwertiger sind die kolumbischen Sorten Cartagena, Cumana, Caracas, Laguayra und die peruanischen etc. Von der ägyptischen Wolle wird die kurze, geringwertige Alexandriner oder Merkantilwolle nur noch wenig gebaut; die Jumel aus Pernambucosamen ist mittellang, zart und kräftig, aber unrein; sie wird jetzt mehr verdrängt durch die aus Sea Island-Samen gezogene Mako (oft auch Jumel genannt), eine sehr schöne und lange Ware. Die langstapelige, weiche, glänzende, aber ¶
Baumwolle
(fr. coton, engl. cotton). Dieser größte Weltartikel neben Eisen und Steinkohlen, an dessen Konsum sich wohl die reichliche Hälfte der gesamten Menschheit beteiligt, von dessen Anbau und Verarbeitung die Existenz von Millionen Menschen abhängt und dessen Mangel und Teuerung in den Anbau- und Fabrikländern die schlimmsten Krisen herbeiführen kann, besteht aus den Flughaaren an den Samen verschiedener Arten der Pflanzengattung Gossypium, die der natürlichen Familie der malvenartigen Gewächse (Malvaceen) angehört.
Die Baumwollträger wachsen in den heißen und warmen Erdstrichen der Alten sowie der Neuen Welt, und der Gebrauch dieses sich ganz von selbst darbietenden Pflanzenprodukts für den Nutzen und die Bequemlichkeit der Menschen sowie seine Weiterverbreitung durch Anbau muß uralt sein. Das Stammland der Baumwollkultur und Industrie ist ohne Zweifel Ostindien, China wird sich kaum viel später daran beteiligt haben; in Arabien, Ägypten, Äthiopien, am persischen Meerbusen wurde Baumwolle schon vor Christi Geburt gepflanzt; die Spanier fanden Baumwoll-Zeuge in den neuentdeckten Ländern von Mexiko und Peru im Gebrauch, die Portugiesen trafen B. an bei ihrer ersten Bekanntschaft mit den Kaffern Südafrikas, und noch manche andere afrikanische Stämme der Küste wie des Innern wurden in der Folge als B. verbrauchend oder Binnenhandel damit treibend befunden.
Die Pflanzenwolle erscheint als der gleichsam providentielle Bekleidungsstoff für die Bewohner heißer Erdstriche, und so hat sich denn auch deren Kultur im Laufe der Zeiten, wenn auch nicht überall auf Export angelegt, fast um den ganzen Erdkreis verbreitet. Die ersten Baumwollstoffe kamen vor Zeiten als Luxusartikel aus Indien zu uns; später folgte dann der Rohstoff für die eigene Verarbeitung; aber so total haben sich die Verhältnisse mit der Zeit umgekehrt, daß Indien jetzt seinerseits von Europa Unmassen baumwollener Webstoffe empfängt und der Anbau des Rohstoffs in größter Massenhaftigkeit an das Land überging, das sich am spätesten mit dem Gegenstande befaßte, an den Süden von Nordamerika.
Hier fanden sich die für den Anbau geeigneten Verhältnisse des Bodens und Klimas und wohlfeile Arbeitskräfte von Sklavenhänden so günstig beisammen, daß in Europa und zunächst in England auf Grund des amerikanischen Produktes die großartige Baumwollindustrie, wie wir sie jetzt kennen, erst möglich wurde. Die Amerikaner beherrschten schließlich den Markt vollständig; die Baumwolle verarbeitenden Länder waren beinahe gänzlich von Amerika abhängig; andere Produktionsländer konnten nur eine nebensächliche Geltung behaupten. In dieser Periode lieferte Amerika den statistischen Aufstellungen zufolge 88 Prozent aller produzierten B. Durch den großen Bürgerkrieg, der den Anbau für mehrere Jahre hemmte, die Preise der Ware bis zum Dreifachen steigerte und die noch wohl erinnerliche große Krisis und Arbeiternot in Europa hervorrief, haben die Verhältnisse einige Veränderung erfahren.
Andere Baumwolle erzeugenden Länder, namentlich Ostindien, Ägypten und Brasilien steigerten ihre Produktion um ein Bedeutendes, um den Ausfall zu decken, und haben sich seitdem am Markte behaupten können, trotzdem die von Amerika gestellten Preise seit dem Jahre 1872 einen Rückgang erkennen lassen und fast dieselbe Höhe erreicht haben wie 1861. Man hat sich in Nord-Amerika überzeugt, daß die Sklavenarbeit nicht unbedingt für einen schwunghaft betriebenen Baumwolle-Anbau erforderlich ist.
Nordamerika hat im Jahre 1868 bereits wieder die Hälfte einer frühern vollen Jahresernte nach Europa gebracht und dafür bei höheren Preisen den vollen Betrag einer solchen eingenommen. Dagegen brachte Ostindien im Jahre 1868 beinahe das Dreifache seines frühern Beitrags an den europäischen Markt, Brasilien das Sechsfache, Ägypten das Doppelte, Westindien war ebenfalls besser vertreten. Auch in Europa hat man seit der Krisis dem Baumwollbau wieder mehr Interesse zugewendet; Italien, Spanien, Griechenland, auch Kleinasien, Syrien u. s. w. haben einiges mehr produziert. Für den ganzen Bedarf haben diese Massen indes wenig Belang; für große Erweiterung des Anbaues ist keine Aussicht, denn überall, wo Wein-, Öl-, Seidenbau u. s. w. Platz finden kann, wird man nicht die viel weniger einträgliche B. pflanzen. Frankreich hat aus Algier einige Baumwolle bezogen; es steht aber noch dahin, ob die dortige Produktion eine gesunde ¶
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oder erkünstelte ist. Man wendet sich dort in neuerer Zeit mehr dem Anbau von Esparto-Gras (Alfa) zu. In Australien sollen sich Boden und Klima vortrefflich zum Anbau eignen, aber noch hört man nichts von namhaften Ausfuhren; die dort viel zu hoch stehenden Arbeitslöhne werden eine günstige Rechnung nicht zulassen. Somit wird sich die Baumwolllieferung künftig mehr als bisher auf verschiedene Produktionsländer verteilen und unter ihnen Ostindien wohl eine Hauptstelle behalten, obschon es zunächst für einen kolossalen innern Bedarf zu sorgen hat, da dort die ganze Bevölkerung sich in B. kleidet. - Über die verschiedenen Arten und Abarten des Gossypium herrscht viel Unsicherheit.
Linné kannte nur 4 Arten, Lamarck beschrieb deren 8, Decadolle (Anmerkung des Editors: richtig: Decandolle (= Augustin Pyrame de Candolle, 1778-1841)) schon 13. Sie unterscheiden sich zunächst als kraut- oder als strauch- oder als baumartige Gewächse, die jedoch, als einem und demselben Geschlecht angehörig, in Blüte und Frucht im wesentlichen übereinstimmen. Die krautartige B., G. herbaceum, ist die am meisten verbreitete und wichtigste Art. Sie ist eine meist einjährige, also jedes Jahr neu zu ziehende Pflanze, jedoch unter günstigen Umständen auch zwei- oder mehrjährig.
Sie wird 0,5-1,5 m hoch, hat 3- bis 5lappige Blätter und eine malvenartige blaßgelbe Blüte mit einem purpurroten Fleck im Grunde. Die dreieckige zugespitzte Samenkapsel von der Größe einer welschen Nuß ist innerlich in drei bis fünf Fächer geteilt. Sie wird bei der Reife braun und lederartig, springt dann von der Spitze her in Lappen auf und läßt die Wolle in Büscheln hervorquellen. Diese Art wird in Ostindien, Kleinasien, Europa und auch Nordamerika gebaut und soll nach einigen Angaben in Oberägypten, Arabien und Senegal heimisch sein; dies dürfte auch für Ostindien Geltung haben, wenigstens wird von dort versichert, daß man lediglich einheimische Wolle kultiviere und alle Versuche mit fremden, namentlich amerikanischen Sorten fehlgeschlagen seien.
Die dort gebaute und heimische einjährige krautartige Pflanze wird auch von Einigen als G. indicum besonders aufgeführt. Von strauchartigen Baumwollgewächsen sind zu nennen: der langhaarige Baumwollstrauch, G. barbadense, über Mannshöhe erreichend, auf den westindischen Inseln wie auf dem Festland heimisch und schon vor langer Zeit nach den Inseln Bourbon und Mauritius verpflanzt;
er liefert jetzt meistens die langfaserigen nordamerikanischen Sorten. G. hirsutum (zottige Baumwolle), im französischen Westindien und Guiana, auch in Nordamerika gebaut, ein zweijähriger oder perennierender Strauch mit Kapseln fast von Apfelgröße und sehr feiner, guter Faser;
G. vitifolium in Westindien, Brasilien, Ägypten. G. religiosum ist diejenige Art, welche ausnahmsweise eine rötlichgelbe Wolle trägt, die in dieser Naturellfarbe zu dem echten chinesischen Nanking verarbeitet wird.
Der Baumwollbaum, G. arboreum, endlich, von 4-7 m Höhe, soll in Indien, Arabien und Ägypten heimisch sein und wird dort, in Spanien und an der Westküste Afrikas (Senegal) gezogen. Im letzteren Gebiet heimisch ist G. punctatum, die getüpfelte B. G. barbadense ist diejenige Art, welche in Amerika die vorzüglichste aller B., die lange, feine Sea-Island liefert. Sie gedeiht aber in ihrer höchsten Vollkommenheit nur auf dem wenige Meilen umfassenden Küstenstriche zwischen St. Mary in Georgien und George Town in Südkarolina, sowie auf den zwei kleinen dieser Küste benachbarten Inseln, Gegenden, deren feuchter Sandboden und deren mildes Klima der Kultur besonders günstig sein mag.
Das übrige georgische Gewächs mit kürzerer Faser heißt Upland oder Georgia. Zucht und Pflege der Baumwollpflanzen erfolgen im allgemeinen dergestalt, daß man aus gelegten Samen erwachsende Pflanzen bei Zeiten und wiederholt verstutzt, damit sie nicht über 1,5 m hoch werden, weil die beste Frucht an den jungen Schößlingen wächst. Hat der Stamm im folgenden Jahre seinen Ertrag geliefert, so schneidet man ihn kurz über dem Boden weg und läßt neue Triebe schießen, mit denen man ebenso verfährt. Der Ertrag mindert sich jedoch mit jeder Wiederholung merklich, weshalb man eine Pflanzung meist nur 2 oder 3 Jahre benutzt und inzwischen neue anlegt. - Die Baumwollpflanzungen im allgemeinen verlangen keinen vorzüglichen Boden, sondern gedeihen in geringeren, sofern er etwas sandig ist.
Solcher Boden ist aber bald erschöpft. Die Pflanze gedeiht nicht mehr. Aus diesem Grunde hat der Anbau der B. in Amerika etwas Nomadisches, indem häufig das ausgesaugte Kulturland gegen frisches vertauscht werden muß. So ist in dem früher bedeutende Mengen Wolle erzeugenden Virginien der Anbau wegen Bodenerschöpfung bereits sehr verringert, in Maryland schon ganz aufgegeben worden. Frische und großartige Räume bietet dagegen Texas, das voraussichtlich bald in der Massenproduktion voranstehen wird.
Die alten Baumwolldistrikte haben ihrerseits in neuester Zeit angefangen, woran sie früher nie dachten, nämlich große Massen verschiedener Düngstoffe in ihre erschöpften Ländereien zu werfen, deren Wirkung sich noch herausstellen soll. Das Anroden neuen Landes kommt eben bei den jetzigen veränderten Verhältnissen zu teuer zu stehen. Andererseits haben die Witterungsverhältnisse auf das gute oder schlechte Gedeihen der Ernten gewaltigen Einfluß. Denn erstens bedarf die Pflanze bis gegen die Samenreife hin Regen, weil bei Mangel desselben die Faser zu kurz ausfällt; gegenteilig aber ist Regen, wenn er in die sich öffnenden Kapseln fällt, ungemein schädlich, weil die naßgewordene Wolle sich bräunt und wertlos wird.
Auch bei zu langem Belassen am Stocke würde die Wolle schmutzig und unscheinbar werden, daher ist sie zu pflücken sobald die Kapseln sich zu öffnen beginnen. Dies geschieht indes nicht bei allen gleichzeitig; es umfaßt daher die Ernte immer eine längere Zeitperiode und erfordert viel Aufmerksamkeit und Mühe. Man pflückt oder zupft die Wolle gewöhnlich mit dem Samen aus und läßt die Hülsen stehen. Da nun ein Arbeiter im Maximum etwa 25 k B. im Tag einernten kann, so ergibt sich, daß zur Bewältigung einer Ernte sehr viel Menschen erforderlich sind. Um das Sammeln wohlfeiler zu machen, sind in Amerika ¶
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eine Reihe von Hilfsvorrichtungen und Maschinen erfunden und versucht worden, aber keine hat bis jetzt eine praktische Bedeutung erlangt. Die Maschine sammelt reife, nicht reife und überreife B. gleichmäßig ein; der Arbeiter weiß, daß nur die reife B. allein Wert besitzt. - Die rohe B. bleibt in der Regel ein paar Tage in der Sonne ausgebreitet liegen, worauf zum Egrenieren (fr. égrener, engl. cleaning, ginning), d. h. zur Abtrennung der Fasern von den Samen geschritten wird.
Letztere haben je nach den Arten die Größe des Pfeffers, der Erbsen oder Wicken; zur Trennung von den Fasern ist immer mehr oder weniger Gewalt nötig. Früher mußte die Entfernung der Körner mit der Hand geschehen und es konnte ein fleißiger Arbeiter kaum 4 k täglich reinigen. Die Erfindung einer Egreniermaschine (durch Whitney) war deshalb seinerzeit ein Ereignis für Amerika, das die Baumwollkultur mächtig förderte. Auf einer solchen Maschine, einmännisch und zum Treten wie ein Schleifstein eingerichtet, können 150-200 k, bei breiterer Bauart mit einem Kraftbedarf von 2 Pferdekräften gegen 2500 k Wolle täglich entkörnt werden, welche 60 resp. 700 k entkörnte Baumwolle geben. Es ist dies die Sägenegreniermaschine (engl. sawgin).
Auf einer horizontalliegenden rasch umlaufenden Welle stecken 30 bis 80 Kreissägeblätter in geringem Abstand nebeneinander. Die Sägen greifen mit ihren spitzen schräggestellten Zähnen durch die engstehenden Stäbe eines eisernen Rostes hindurch, der den Sägecylinder auf etwa ein Drittel seines Umfangs umgibt, fassen die auf einem Zuführtische ausgebreitete Wolle und reißen sie durch die Stäbe, während die hierfür zu großen Samen abspringen müssen. Hinter der Sägewalze dreht sich eine andere mit Bürsten besetzte Walze, welche die Wolle von den Sägen abnimmt. - Diese Maschine ist nur für kurzfaserige B. verwendbar.
Sie greift die Fasern sehr stark an und würde, wollte man langfaserige B. vorlegen, zu viel Abfall erzeugen. Für die langen amerikanischen B. sind die Walzenegreniermaschine (engl. roller gin) und die von Mac Carthy erfundene (engl. Mac Carthy gin) in Gebrauch. Die erstere besteht aus ein paar hölzernen verstellbaren Walzen, entweder ganz glatt oder geriffelt, denen die Wolle auf einem Zuführtische vom Arbeiter recht gleichmäßig vorgelegt wird. Die kleinen Walzen ziehen nur die Fasern durch, während die Körner nicht folgen können und abspringen.
Bei M. Carthy's Maschine werden die Fasern durch eine rauhe mit Büffelleder überzogene Walze über ein feststehendes Messer gezogen, während die Samenkörner durch rasch auf und nieder bewegte, klopfend wirkende Messer abgeschlagen werden. Die beiden letzteren Maschinen besitzen bedeutend geringere Leistungsfähigkeit als die Sägenegreniermaschine. Aber die B. wird geschont und die sehr ölhaltigen Samen erfahren keine Zertrümmerung, so daß eine Verunreinigung durch Öl nicht eintritt. Ein nachfolgendes Schlagen der entkörnten Wolle auf Hürden mit einer gespannten Bogensehne zur Entfernung zurückgebliebener Körner und anderer Unreinigkeiten ist in Amerika nicht mehr, aber in Ostindien noch üblich. Solche geschlagene (bowed) Ware hat den Fehler, daß die Fasern sehr durcheinander gewirrt sind, was das Verspinnen erschwert. - Die Verpackung der Wolle geschieht nach der örtlich üblichen Weise meistens durch starkes Zusammenpressen zu größern oder kleinem Ballen mit mancherlei Emballagen und Schnürungen, in der Levante durch Eintreten in große Säcke von Haartuch.
Die nordamerikanischen Ballen sind die größten und halten bis zu 250 k, in der Regel 215,5 k = 475 Pfd. engl.; brasilianische und westindische von 87-150 k. Jede Baumwollfaser ist vor der Reife ein langgestrecktes, nach beiden Enden zugespitztes dünnwandiges mit Flüssigkeit gefülltes Röhrchen. Bei der Reife trocknet der Saft ein, das Röhrchen klappt zusammen und es entsteht ein flaches schlauchartiges Band, welches an verschiedenen Stellen korkzieherartig gewunden erscheint. Diese Windung ist charakteristisch für B., und läßt sich schon bei 50-facher Vergrößerung deutlich wahrnehmen. Vor der Reife eingeerntete Baumwolle-fasern erscheinen nicht hohl und nicht schraubengangförmig gewunden, und bilden in reiner Ware als sog. tote Wolle einen wesentlichen Fehler, da sie keine Färbung annehmen. - Bei der sehr verschiedenen Qualität der B. kommen in Betracht: die Länge, Feinheit, Festigkeit, Weichheit, auch der Glanz der Fasern.
Ferner soll dieselbe frei sein von Knötchen, die sich als weiße Pünktchen an den Fasern zeigen. Die mehr oder minder vollkommene Reinigung bildet dann selbstverständlich ebenfalls ein Hauptmoment für die Würdigung einer Ware. Die langstapeligen Sorten von 30-36 mm mittlerer Länge sind die höchst gewerteten, da nur aus ihnen sich die feinsten Garnnummern herstellen lassen. Sie kommen fast nur aus Amerika; alle übrigen sind entweder mittel- oder kurzstapelig. Bei letzterer sind alle Fasern kürzer als 25 mm. Mittlere Sorten sind die westindischen und die Mehrzahl der brasilianischen Wollen. Bewässerung der Baumwollfelder wirkt vorteilhaft auf die Faserlänge. - Die B. werden im Handel nach ihrer Herkunft und außerdem noch nach bestimmten Klassen bezeichnet, gewöhnlich durch fine, good, good fair, middling fair, good middling, middling, low middling, good ordinary, ordinary, inferior; Hamburg bezeichnet: A, AB, B, BC, C, CD, D, DE, E, EF; wodurch das ganze Baumwolle-Sortiment umfaßt wird und die Sorten verschiedenen Herkommens nur nach ihrer Güte betrachtet werden.
Als an den europäischen Markt kommende Wollen sind zu nennen: Nordamerikanische. Sie zeichnen sich durch Länge und Feinheit, Zähigkeit und Haltbarkeit der Faser und außerdem durch sorgfältige Behandlung und Reinigung aus. Unter ihnen befindet sich, wie schon erwähnt, die geschätzte lange Georgia oder Sea Island in den Sorten fine, middling und inferior. Sie wird zwei- bis dreimal höher bezahlt als kurze Georgia, aber ihre Produktionsmenge ist gering, da sie nur 1½ Proz. des gesamten nordamerikanischen Wuchses ausmacht. Unter der Benennung Upland (Oberland) werden sowohl die Wollen aus den höheren Gegenden Georgias als die aus den andern südlichen Küstenstaaten verstanden, ¶
Baumwolle.
Auf S. 37 ist der Ernteprozeß und die Verarbeitung der rohen B. bis zur Versendung in Ballen genau beschrieben worden. Inzwischen ist die von dem (im Jahre 1881 verstorbenen) Amerikaner Clement erfundene Maschine in Praxis getreten, welche die gepflückte B. sofort, womöglich auf dem Felde, bereits verspinnen kann. Diese Erfindung ist von ebenso weittragender Bedeutung, wie die beschriebenen Egreniermaschinen. Ersetzte diese die zeitraubende und kostspielige Handarbeit des Entsamens der B., so vereinfacht die Clementsche Maschine, „Clement Attachment“ genannt, die ganze Arbeit von der Ernte bis zur Verpackung in großartiger Weise.
Die B. wird von der Clement Attachment erst in einer der Egreniermaschine ähnlichen Vorrichtung von den Fasern befreit und dann sofort mit Hilfe eines Cylinders zur Spindel gebracht. Es fällt demnach die ganze Arbeit des Pressens der Rohbaumwollballen und der späteren Öffnung derselben weg, ebenso die sonst gebräuchlichen ersten Vorbereitungen zum Spinnen. An die Stelle mehrerer Maschinen tritt hier eine einzige, und es liegt auf der Hand, welch eine Menge Kosten dadurch erspart wird. Dazu kommt noch, daß die Clement Attachment mehr B. zur Bearbeitung liefert, als die alten Egreniermaschinen, bei denen sehr viel (oft bis zu 9%) verloren ging. Die Bedeutung der neuen Maschine tritt in den Preisen ihres Produktes zu Tage: nach dem alten Prozeß gewonnene B. ist an Ort und Stelle circa 50 Doll. wert, während das durch den Clement-Prozeß gewonnene Produkt im Ballen bis auf 100 Doll. steigt. - Die gesamte Baumwollenproduktion der Erde wird für das Jahr 1881 auf 1808 Mill. kg veranschlagt, wovon 1389 Mill, auf Amerika, ca. 254 Mill. auf Ostindien und ca. 165 Mill. kg auf Ägypten entfallen. Hauptproduzent ist Nordamerika mit 6,6 Mill. Ballen (gegen 3 Mill. Ballen in 1870 und 5,7 Mill. in 1880). Die Anzahl der Spindeln, aus welcher man den jeweiligen Umfang der Industrie am besten beurteilen kann, wird für 1881 auf 74,7 Mill. Stück angegeben, und aus dem Zuwachs derselben erhellt die beständige Zunahme in der Produktion und Konsumtion des Rohstoffes. Folgende Tabelle dürfte das klarstellen:
Im Jahre 1881 besaß: | Spindeln: | Zunahme in % gegen 1880: |
---|---|---|
Frankreich | 5000000 | 0 |
Deutschland | 4815000 | 1,4 |
Rußland | 3640000 | 7,7 |
Schweiz | 1850000 | 0 |
Spanien | 1835000 | 1,9 |
Österreich | 1765000 | 0,86 |
Italien | 985000 | 5,9 |
Belgien | 800000 | 0 |
Schweden und Norwegen | 310000 | 0 |
Holland | 245000 | 4,2 |
Europäischer Kontinent: | 21245000 | 2,1 |
Großbritannien | 40100000 | 0,9 |
Europa: | 61345000 | 1,3 |
Vereinigte Staaten von Nordamerika | 11875000 | 3,26 |
Ostindien | 1496300 | ? |
Insgesamt: | 74716300 |