Bauernvereine
,
Vereine zur Wahrung der bäuerlichen Standesinteressen, sind in den letzten
Jahren
in
Deutschland
[* 2] und in
Österreich
[* 3] vielfach gegründet worden. Im
Gegensatz zu den landwirtschaftlichen
Vereinen stellen sich
die Bauernvereine
als politische
Vereine und die von ihnen veranstalteten Bauerntage als politische Versammlungen dar. Der 1860 gegründete
Westfälische Bauernverein
bezweckt namentlich die Wahrung der
Interessen des katholischen Bauernstandes
und will durch möglichst engen Anschluß der Mitglieder zu einem wohlgeordneten Ganzen für die berechtigten Standesinteressen
eintreten.
Das
Organ des
Vereins, dessen Mitgliederzahl auf rund 14,000 angegeben wird, ist »Der westfälische
Bauer«. Auch der Bayrisch-patriotische Bauernverein
, 1868 gegründet, mit etwa 9000 Mitgliedern, ist ein katholischer
Verein, welcher unzweifelhafte bayrisch-patriotische
Gesinnung zur Vorbedingung seiner Mitgliedschaft macht.
Auch in Oberschlesien ist 1878 ein solcher Bauernverein
gegründet worden. Dagegen betont der Allgemeine deutsche Bauernverein, 1883 gegründet
und von dem Gutsbesitzer Wisser in
Windischholzhausen bei
Erfurt
[* 4] geleitet, mehr den
Gegensatz zwischen dem Bauernstand und
den Großgrundbesitzern.
Das
Programm desselben, welches 25. und in
Eisenach
[* 5] festgestellt wurde (sogen.
Eisenacher
Programm),
bewegt sich auf liberalem
Boden:
Treue zu
Kaiser und
Reich, Wahrung der
Rechte der
Volksvertretung, Selbständigkeit des Gemeindelebens,
Einführung der
Fabrikatsteuer für die
Besteuerung von
Spiritus
[* 6] und
Zucker,
[* 7] Parzellierung der Staatsdomänen,
Ablösung der
Reallasten
und Umwandlung des abhängigen bäuerlichen
Besitzes in freies
Eigentum,
Jagdrecht auf eignem
Grund und
Boden,
Errichtung von
Landwirtschaftsschulen, Regelung des Wegebauwesens und der Flußregulierungen durch die
Gesetzgebung, Errichtung
von
Landeskulturrentenbanken und landschaftlichen Kreditinstituten, thunlichste Ermäßigung der indirekten
Steuern, Herabsetzung
der
Gerichtskosten, insbesondere der
Kosten und Stempelgebühren bei Übereignung von
Grundeigentum,
Förderung von
Vorschußvereinen,
Viehversicherungsvereinen und des auf
Hebung
[* 8] der ländlichen Verhältnisse gerichteten
Vereins- und Genossenschaftswesens
überhaupt. Das
Organ des
Vereins ist die in Gotha
[* 9] erscheinende »Deutsche
[* 10] Bauernzeitung«. Die
Gründung dieses
Vereins hat wiederum die
Bildung agrarischer Bauernvereine
zur
Folge gehabt, welche mehr der
Politik des Schutzzollsystems
und der konservativen
Richtung zugethan sind.