Bauernkrieg
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im Gegensatz zu kleinern frühern Erhebungen verwandter Art besonders Benennung der großen Revolution vom J. 1525, die sich fast über das ganze obere und mittlere Deutschland [* 2] erstreckte, nicht bloß die Bauernschaft, sondern auch die bürgerliche Bevölkerung [* 3] und zum Teil den Adel ergriff und einige Monate hindurch das ganze Reich in chaotische Verwirrung stürzte. Schon vor und während der hussitischen Bewegung waren zumal im südl. Deutschland kleinere agrarische Erhebungen vorgekommen;
1476 trat im Stifte Würzburg [* 4] ein Hirte, der Pfeifer von Niklashausen, unter ungeheuerm Zulauf mit dem kommunistischen Evangelium und der Predigt gegen den Druck des geistlichen Standes auf;
er ward festgenommen und als Ketzer verbrannt. 1492 erhoben sich die Bauern des Abts von Kempten [* 5] und die niederländ. Käsebröder (so genannt, weil sie als Zeichen ihrer Armut Käse und Brot [* 6] in ihrer Fahne führten);
im Elsaß ward 1493 eine Verschwörung entdeckt;
1502 brach am Oberrhein der Aufstand des Bundschuhs (s. d.) aus;
ferner entstand 1514 in Württemberg [* 7] gegen Herzog Ulrich (s. d.) der Bund des Armen Konrad.
Auch in den Alpenländern, namentlich in Kärnten, hatte sich der Bundschuh eingenistet und zu einer Reihe von blutigen Aufständen (1478, 1503, 1513, 1515) geführt, sociale Ursachen waren in erster Reihe für die Erhebung bestimmend; sie richtete sich gegen «Pfaffen und Adel» und die kirchlich-feudale Ordnung. Der Druck der bäuerlichen Frondienste und Abgaben war jedenfalls lokal sehr verschieden, wurde aber, zumal die Herren vielfach bemüht waren, auch die rechtliche Stellung der Bauern zu verschlechtern, fast allgemein als ein Unrecht empfunden und war der stärkste Hebel [* 8] zu der Empörung. Der hierdurch erzeugte Haß war seit langem durch eine aufregende, großenteils astrologische und prophetische Volkslitteratur geschürt worden, als die Reformation mit ihrer vernichtenden Kritik der Hierarchie und ihrer Predigt von der evang. Freiheit den Sturm entfesselte.
Nachdem schon im Juni 1524 die Bauern der Landgrafschaft Stühlingen (bei Schaffhausen) [* 9] sich erhoben hatten, verbreitete sich während des Winters die Empörung durch ganz Oberschwaben, wo auch (unter Mitwirkung der Memminger Reformatoren) ihr berühmtes, bald allgemein angenommenes Programm, die Zwölf Artikel, entstanden ist (März 1525). Freiheit der Jagd, des Fischfangs, der Holzung, Aufhebung der Leibeigenschaft und des kleinen Zehnten, Wahlrecht evang. Prediger waren die Hauptforderungen.
Während aber auf dem ursprünglichen Schauplatz der Revolution die Streitkräfte des Schwäbischen Bundes unter Georg Truchseß nahe daran waren, der Bewegung ein Ziel zu setzen, wuchsen überall, vom Elsaß bis nach Steiermark, [* 10] vom Bodensee bis nach Hessen [* 11] und Kursachsen die «evangelischen Haufen» der Bauern aus dem Boden; an das Klosterstürmen reihte sich bald genug die Zerstörung der Adelsschlösser. Vielfach schloß sich die städtische Demokratie der Bewegung an; so zu Rothenburg [* 12] ob der Tauber, Würzburg, Mühlhausen [* 13] in Thüringen, wo Thomas Münzer (s. d.) seinen kommunistischen Gottesstaat einrichtete.
Manche vom Adel traten gezwungen, manche, trotz des Blutgerichts in Weinsberg, wo Graf Helfenstein mit seinen Rittern durch die Spieße gejagt wurde, freiwillig in die Reihen der Empörer; unter den Führern erscheint Götz von Berlichingen (s. d.) und der ritterliche Demokrat Florian Geyer (s. d.). Es fehlte nicht an mehr oder weniger socialistischen Reformprojekten, wie sie namentlich in dem merkwürdigen aus Franken stammenden Entwurf einer sehr centralistischen Reichsverfassung und in der Landesordnung des Tirolers Gaißmayer erhalten sind.
Aber fast ebenso rasch wie die Ausbreitung erfolgte die gründliche Niederwerfung der Revolution, sobald die geistlichen und weltlichen Herren, deren manche bereits förmliche Verträge mit den Bauernheeren eingegangen waren, sich von ihrem Schrecken zu erholen anfingen. Luthers mächtige Stimme, die ursprünglich beiden Teilen ihr Unrecht vorgehalten hatte, erhob sich in erbarmungsloser Schärfe gegen den siegreich vordringenden Aufruhr. Am 12. Mai siegte der Truchseß bei Böblingen, 15. Mai Landgraf Philipp, ¶
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Georg von Sachsen [* 15] und Heinrich von Braunschweig [* 16] bei Frankenhausen über Münzer, am 17. Herzog Anton von Lothringen bei Elsaßzabern; 2. und 4. Juni erlagen die fränk. Haufen bei Königshofen und Sulzdorf dem Truchseß und dem Pfälzer Kurfürsten Ludwig, der auf dem Heimweg die pfälz. Empörer (23. Juni) bei Pfeddersheim schlug; bei der Unterwerfung Oberschwabens und der Gebirgsbauern half der berühmte Frundsberg (s. d.) mit. Die Rache der Herren war entsetzlich; Krieg und Exekutionen sollen über 100000 Menschenleben gekostet haben. Die nächsten Folgen der Revolution waren die völlige Herstellung der bisherigen bäuerlichen Abhängigkeitsverhältnisse und die Abkehr der großen Masse des Landvolks von der Reformation, von der sie eine Besserung ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Lage erwartet hatten.
Vgl. Zimmermann, Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieg
(3 Bde.,
Stuttg. 1841 fg.; 2. Aufl., 2 Bde.,
1856; neu hg. von Wilhelm Blos, ebd. 1891);
Jörg, Deutschland in der Revolutionsperiode von 1522 bis 1526 (Freiburg
[* 17] 1851), tendenziös;
Quellenpublikationen von Baumann: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieg
aus Oberschwaben (Tüb. 1877) und Quellen zur Geschichte des
Bauernkrieg
aus Rothenburg (ebd. 1878);
Lor. Fries, Geschichte des in Ostfranken (Würzb. 1876‒78);
Schäffer und Stern, Über die zwölf Artikel der Bauern (Lpz. 1868);
Vogt, Die bayr. Politik im B. (Nördl. 1883);
Hartfelder, Zur Geschichte des in Südwestdeutschland (Stuttg. 1884).