[* 2] (hierzu Tafel »Bauernhaus«).
Noch in der spätrömischen Zeit bestanden in vielen Gegenden
Deutschlands
[* 3]
Häuser,
die an die
Hütten
[* 4] der Urvölker im innern
Afrika
[* 5] erinnern. Nach den Abbildungen auf der 179 errichteten Antoninssäule glichen
die
Häuser der besiegten
Quaden zum Teil großen, strohbedeckten Bienenkörben, die unten und in ihrer Mitte
eine fast nur einem Flugloch gleichende
Thür besaßen. Dagegen läßt die
Beschreibung der Behausungen der alten
Germanen bei
Tacitus die Bauart im heutigen nordwestlichen
Deutschland
[* 6] unschwer wiedererkennen.
Während in den römischen Dörfern die
Häuser in dichten
Reihen standen, war hier jedes
Haus eines
Dorfs von einem besondern
Hofraum undGarten
[* 7] umgeben. Abweichend von der römischen Bauart, bargen die altdeutschen
Wohnungen die
ganze
Wirtschaft unter Einem
Dach,
[* 8] eine
Anordnung, zu welcher der lange und harte
Winter nötigte. Damit hing die
Lage und Einrichtung
des
Herdes eng zusammen, welcher, als Sammelplatz sämtlicher Hausbewohner, zugleich den
Mittelpunkt des
Hauses bildete.
Die
Wände waren aus gestampfter
Erde aufgeführt oder bestanden aus
Fachwerk,
[* 9] dessen
Fächer
[* 10] mit aus
Zweigen
hergestelltem
Flechtwerk ausgefüllt und mit
Lehm verstrichen waren. Die
Hütten waren mit
Stroh,
Schilf oder
Rohr, welches man
im
Winter mit
Mist bedeckte, die bessern
Häuser bisweilen mit hölzernen, durch
Steine beschwerten Schindeln gedeckt, eine
Bedeckung,
welche sich mitunter, wie noch heute in den
Alpen,
[* 11] im
Schwarzwald und andern Gebirgsgegenden, auch auf
die Außenwände des
Hauses fortsetzte.
Erst durch die
Römer
[* 12] scheint, zunächst in Süddeutschland, die Ziegeldeckung eingeführt worden zu sein. Übrigens staken
alle diese
Häuser noch teilweise in der
Erde und waren, wie noch heute an einzelnen
Häusern norddeutscher
Dörfer, mit
Stufen versehen, worauf
man in das
Innere hinabstieg. Erst nach der
Völkerwanderung lernten die
Deutschen von den
Slawen, ihre
Häuser aus der
Erde herauszuarbeiten und, unter Anwendung von
Steinen und
Mörtel,
Häuser ganz über der
Erde zu
bauen.
Neben dem eben erwähnten einfachsten Bauernhaus, welches noch jetzt den Grundtypus des westfälischen
oder altsächsischen Bauernhauses bildet, entwickelte sich als entgegengesetzter Grundtypus in einem mildern
Klima
[* 13] der thüringische
und fränkische Bauernhof, bei welchem ein viereckiger Hofraum von
Zaun und Gebäuden umschlossen und diese letztern gesondert
und den verschiedenen Wirtschaftszwecken entsprechend angelegt waren. Als Übergangstypen, bei welchen zwar
noch das alle
Räume überdeckende
Dach festgehalten erscheint, jedoch die
Anordnung der innern
Räume eine Trennung, insbesondere
der
Stallung und
Scheune von den
¶
Wohnräumen, bezweckt, treten das slawische, mitteldeutsche und bayrische Alpenhaus auf, welchen sich in Süddeutschland
und in der daran grenzenden Alpenregion das schwäbische oder Schweizerhaus in seinen verschiedenen Abarten anreiht.
1) Das westfälische oder sächsische Bauernhaus (Fig. 1) gruppiert die für Menschen, Viehstand und Vorräte bestimmten, sämtlich
unter Einem Dach untergebrachten Räume um einen zu den verschiedensten Arbeiten bestimmten Mittelraum,
die Diele (Deile) oder Ähre, dessen Mittelpunkt der Herd bildet. Gewöhnlich sind die Wohnräume an der einen Schmalseite, die
Stallungen an den beiden Langseiten so angebracht, daß die zwischen denselben gelegene Diele eine T-förmige Gestalt erhält
und mit drei Eingängen, zweien an den beiden Langseiten und einem an der andern Schmalseite, versehen
werden kann.
Vor dieser letztern befinden sich die Düngerstätten, im Dachraum die Vorräte. Bauernhäuser dieser Art finden sich noch
heute in Westfalen,
[* 16] Hannover,
[* 17] Pommern,
[* 18] Mecklenburg
[* 19] und Schleswig-Holstein
[* 20] (Fig. 2, 3, 4). In der Nähe des Haupthauses, jedoch
von ihm getrennt, befinden sich die kleinern Häuser der Knechte, Heuer, Gärtner oder der betagten Eltern
(Altsitzer), welche, gleich den Häusern der Kleinbauern (Köter, Kotsassen), sich in ihrem Plan durch nichts andres von den
größern Häusern unterscheiden als durch die dem geringern Bedürfnis angemessene Verkleinerung der Wirtschaftsräume, insbesondere
der Viehstände.
2) Das slawische Bauernhaus (wendisches Bauernhaus,
[* 15]
Fig.
5) enthält zwar eine kleinere Hausflur, auf derselben aber noch den Herd, während die Stallung und die Dreschtenne schon von
ihm abgeschieden sind. Noch jetzt finden sich derartige Bauernhäuser im tschechischen Böhmen,
[* 21] in der wendischen Lausitz und
vereinzelt in den früher von Slawen, Sorben und Wenden bewohnten Gegenden von Preußen,
[* 22] Sachsen
[* 23] und Thüringen.
3) Das mitteldeutsche Bauernhaus (fränkisches Bauernhaus,
[* 15]
Fig. 6) besitzt
zwar noch eine Hausflur; der Herd ist aber von derselben durch eine Scheidewand getrennt, also in eine Küche verlegt. Sowohl
die Stallungen als die Scheune grenzen nicht mehr dicht an die Wohnräume an und sind oft mit besondern
Eingängen versehen. Wo das Haus an einem Bergabhang liegt, ist es bisweilen mit dem die Stallung enthaltenden Teil in den
Berg hineingeschoben, so daß die Scheune ihren Eingang nicht selten im obern Stock erhält. Beispiele solcher Häuser finden
sich noch im sächsischen Erzgebirge, im Westerwald, in Franken und Deutsch-Böhmen.
4) Das oberdeutsche Bauernhaus (bayrisches Alpenhaus, Schwarzwälder Bauernhaus,
[* 15]
Fig. 7) zeigt, wenn auch alle Räume noch unter Einem Dach
vereinigt sind, die vollständige Trennung der Wohnung, welche außer mehreren Wohnräumen eine kleinere Hausflur mit dem Haupteingang
gewöhnlich auf einer Schmalseite und eine eigne Küche besitzt, von Stallung und Scheune, von denen erstere
einen Eingang sowohl von der Hausflur als von außen, letztere ihre besondere Einfahrt an der dem Hauptzugang zur Wohnung gegenüberliegenden
Schmalseite hat.
5) Der thüringisch-fränkische Bauernhof
[* 15]
(Fig. 8) vollzieht die Trennung der einzelnen Baulichkeiten
entweder teilweise, indem er sie, im Innern geschieden, um einen unbedeckten großen Hofraum aneinander
reiht, oder vollständig, indem er jene den verschiedenen Wirtschaftszwecken entsprechenden Baulichkeiten einzeln aufführt.
Im erstern Fall bleibt ein gewisser Zusammenhang gewahrt, indem die Gebäude in eng
geschlossener Reihe den Hof
[* 24] umziehen, insbesondere
der Stall unmittelbar, meist auf derselben Seite des Hofs, an das Wohnhaus,
[* 25] die Scheune aber, meist auf der
andern Seite des Hofs, an den Stall angebaut ist. Im zweiten Fall erfolgt die Trennung auch des Stalles vom Wohnhaus, welches
entweder mit der Scheune verbunden, oder auch von ihr getrennt wird. In beiden Fällen erhält die vierte, mit Gebäuden nicht
besetzte Seite eine Haupteinfahrt, während die übrigen Grenzen
[* 26] des Hofraums mit Zaun oder Mauer abgeschlossen
werden, die Düngerstätte aber ihre Lage inmitten oder zur Seite des Hofs in möglichst geringer Entfernung von den Ställen.
Die Wohnung enthält meist eine kleinere Flur mit den Treppen,
[* 27] auf welchen man in den Keller und Dachraum gelangt, sowie mit
einer kleinen, Sommerherd und Backofen enthaltenden Küche, die große, mit Kochofen und Ofenbank ausgestattete Wohnstube,
Schlaf-, Vor- und Mägdekammer. Die vorbeschriebenen Anlagen finden sich mit mancherlei Modifikationen vorzugsweise in Rheinpreußen,
der Pfalz, Oberhessen, Kurhessen und Thüringen.
6) Das schwäbische und schweizerische Bauernhaus (Fig. 9) unterscheidet sich von
den zuvor besprochenen Häusern durch die beinahe durchgängige Anlage zweier Stockwerke für die Wohnungen,
zu deren über den Kellerräumen befindlichem untersten Stockwerk frei liegende, vom Dach überragte Treppen und Seitenlauben
führen; dasselbe enthält die meist gegen Süden angelegte Wohnstube mit dem Kachelofen und einem an zwei Seiten mit festen
Bänken umgebenen Tisch, eine Schlafstube und die Küche mit zwei einarmigen, zu den Kellerräumen und zu
dem obern Stockwerk führenden Treppen, welch letzteres außer den Bodenräumen zwei am vordern Giebel angebrachte Schlafkammern
enthält. Neben diesem fast in allen deutschen Teilen der Schweiz
[* 28] angenommenen Typus des Wohnhauses findet sich vorzugsweise
im Berner Oberland noch derjenige verbreitet, welcher die Küche in das Zentrum des Hauses verlegt, von welcher
nebst dem kurzen anstoßenden Gang
[* 29] aus man Zutritt zu den umliegenden Zimmern und Kammern hat.
Während in der Zentralschweiz und in höher liegenden Thälern und Gebirgsgegenden das Wohnhaus meist von dem Heuspeicher
und der Stallung getrennt ist, schließen sich in den Kantonen des Flachlandes, besonders im Aargau,
auch im Engadin,
Scheuern und Stallungen unter gleichem Dach an die Giebelseite des Hauses an. Hier wiederholt sich auf der Traufseite des Hauses
nicht selten die ganz gleiche Einrichtung in umgekehrter Ordnung für eine zweite Familie und deren Viehstand.
Dann bildet die eine von den Wohnzimmern der beiden Familien begrenzte Traufseite die Hauptfronte gegen
den Hofraum. Seitwärts vom Eingang, vor derStallung und mit gemeinsamer Dunggrube, ist wegen der hier meist fehlenden Seitenlauben
der Abort in Verbindung mit dem Schweinestall unter dem weit ausladenden Strohdach mit besonderm Dach versehen. Oft liegt
auch die Tenne in der Mitte des Hauses über den Stallungen, und man fährt, wie bei den Häusern im Schwarzwald und bayrischen
Hochland, auf einer gemauerten Rampe über eine hölzerne oder gewölbte Brücke
[* 30] in den hohen Dachraum. Kleinere, zur Aufbewahrung
von Erzeugnissen der Landwirtschaft und Viehzucht
[* 31] bestimmte Gebäude, wie Käse- und Obstspeicher, werden
zum Schutz gegen Feuersgefahr meist frei stehend rings um die Wohnung angelegt. Was die Bauart betrifft, so bestehen die Wandungen
der Häuser entweder aus dicht
¶
mehr
aufeinander gelegten Wandbalken (Blockwand), oder aus mit Nuten versehenen Pfosten mit horizontal eingeschobenen Bohlen zwischen
Schwellen und Rahmhölzern (Ständerwand), oder in holzärmern Gegenden aus verschieden geformten, meist rechteckigen,
durch feste Holzrahmen gebildeten, mit Steinen ausgemauerten Gefachen (Riegelwand oder Fachwand). Die Eindeckung der Dächer
ist, abgesehen von der bereits erwähnten Strohbedachung, meist durch steinbelastete, auf Schalung genagelte
Schindeln oder durch Ziegel bewirkt, in welchem Fall die Dachneigung steiler wird, ohne die landesübliche Bauweise im übrigen
zu ändern.
Vgl. Otte, Geschichte der deutschen Baukunst
[* 33] (Leipz. 1861-74);
[* 2] Nach den verschiedenen Gewohnheiten
des Landes hat das und die es umgebende Hofstätte sehr verschiedene
Gestalt angenommen. In neuerer Zeit hat man der Erforschung dieser hervorragende Aufmerksamkeit zugewendet,
weil man die kulturgeschichtliche Bedeutung der Fortentwicklung des deutschen und germanischen Bauernhaus, namentlich
auch ihre Bedeutung für die Beurteilung der Stammeseigenarten erkannt hat. Hierbei ging man von der Beobachtung aus, daß
die Aufteilung der Äcker an eine Gemeinde eine jener Einrichtungen ist, die dem Wandel wenig unterliegen,
daß man also aus der Dorfanlage und der Fluranordnung erkennen kann, welche Nation, welcher Stamm ursprünglich am betreffenden
Orte ansässig gewesen ist.
Selbst bei spätern Einwanderungen behielten die neuen Besitzer meist die ursprüngliche Äckerverteilung bei. Die fränk.
Dörfer, namentlich am Rhein, bilden zumeist einen ungeordneten Haufen (das Wort Dorf hat gleichen Stamm
mit dem lat. turba, Haufen), in welchem jeder Bewohner nach Willkür sich auf einem der ihm
gehörigen nach Fluren geteilten Grundstücke so ansiedelt, daß die Häuser dicht aneinander rücken. Das sächs.
Haus steht meist gesondert inmitten des geschlossenen Ackers, so daß eine Dorfbildung gar nicht erstrebt
wird, in slaw. Ansiedelungen sind die Grundstücke konzentrisch auf einen Platz zu gerichtet und stehen die Häuser im Kreise
[* 40] rings um diesen, den «Ring».
Den Stammeseigentümlichkeiten entsprechend haben sich nun auch die einzelnen Formen des Bauernhaus entwickelt. Die
Urformen festzustellen, ist bisber nur vermutungsweise möglich gewesen. Die altgerman. Bauweise ist
das Zimmern. Bei der verhältnismäßig geringen Widerstandskraft des Holzes gegen das Verfaulen und gegen Brand sind Bauernhaus aus
älterer Zeit wie dem 16. Jahrh. nicht mehr vorhanden, oder doch nicht nachweisbar. Im allgemeinen
kann man aber erkennen, daß nicht der Blockbau, sondern der Ständerbau den meisten german. Häusern
eigenartig war. Inwieweit das altgriech. und altital. Haus (s.
Haus) in Vergleich zu ziehen ist, das nach neuern Untersuchungen über den Tempelbau der Griechen ursprünglich auch ein Holzhaus
war, muß noch genauern Untersuchungen vorbehalten werden.
Am weitesten verbreitet in Deutschland ist das fränkisch-thüringische Bauernhaus (s. Tafel: Bauernhäuser I,
[* 41]
Fig. 1 u. 2). Seine Grenze gegen N. zieht sich von der Maas bei Venlo bis zur Ruhrmündung, die Ruhr hinauf bis zur westfäl.
Grenze, längs des Raumes des Rothaargebirges bis südlich von Olpe und nördlich weiter bis nach Osterburg, wendet sich dann
nördlich des Habichtswaldes über Zierenberg nach Münden an der Weser und Hildesheim
[* 42] und trifft die
Elbe bei Tangermünde.
Weiterhin wird die Grenze, die sonst sich ziemlich genau mit jener zwischen mittel- und niederdeutschen Dialekten deckt,
immer ungenauer. Das fränkisch-thüringische Bauernhaus zeichnet sich zunächst dadurch aus, daß es einen Teil einer geschlossenen
Hofstätte bildet. Es steht mit der Schmalseite gegen die Straße zu; an erstere legt sich ein Doppelthor
für Fußgänger und Wagen, weiterhin die Auszüglerwohnung. Dem Bauernhaus gegenüber befindet sich ein gesondertes
Stallgebäude, dem Thor gegenüber die Scheune. Mitten im Hofe befindet sich die Dungstätte und der Brunnen,
[* 43] hinter der Scheune
der Obst- und Gemüsegarten. Das Bauernhaus selbst ist in drei Teile geteilt: in der Mitte befindet sich die Küche
(der alte Herdraum), von der zumeist vorn
¶
mehr
ein Teil als Flur«Eren» abgetrennt ist. Von hier gelangt man nach dem Stall und nach der Stube. Ursprünglich dürfte der ganze
Van in Holz
[* 45] ausgeführt gewesen sein, früh begann man Küche und Stall, später das ganze Erdgeschoß in Stein auszuführen.
An der Stube behielt man der Wärme
[* 46] wegen lange den Blockbau zwischen Ständern. Dagegen blieb das Obergeschoß
bis in die neueste Zeit hinein meist Holzbau und zwar hier in der neuern Bauform des Riegelwerks. Die Stube, das heißt der
Ofenraum (vom neulat. stufa, der Ofen), zeigt die typische Form aller deutschen Bauernstuben.
In der Ecke, in welcher nach der Straße und nach dem Hof zu Fenster sich befinden, steht die Bank (der «Hofsitz»),
davor der Tisch, gegenüber der Ofen und die Betten. Wenn das Haus größere Verhältnisse annimmt, wird der Bettraum durch
eine Wand abgetrennt und erscheint somit als besondere Kammer.
Das Schweizer Bauernhaus (Fig. 3, 4 u. 5) ist auf denselben Typus zurückzuführen wie das fränkische. Nur sind
der Almwirtschaft entsprechend die Hofanlagen anders gestaltet, sind vor allem die Ställe in Wegfall gekommen. Es besteht
der dargestellte Grundriß demnach nur aus dem Herdraum b mit dem über dem Herde sich aufbauenden großen Rauchmantel und
der durch eine Klappe verschließbaren Esse und einem gesonderten Kochherd. Vom Herdraum ist die Kammer
e abgetrennt; zu ihm führt ein überdeckter Gang (Laube) a. Die Stube c zeigt die Fensterbank in verlängerter Form, den Tisch
und Ofen sowie links am Eingang einen Tellerschrank auch hier ist eine Kammer d abgetrennt. Während beim fränkisch-thüringischen
Bauernhaus das Obergeschoß aufgebaut erscheint, ist es hier durch eine wagerechte Teilung aus dem ursprünglich einheitlichen Raum
entstanden und wird «Gadem» genannt. Die Erwärmung des obern Geschosses geschieht dann auch durch die Ritzen der Bohlendecke
des untern.
Ähnlich ist das alamannische Bauernhaus gestaltet
[* 44]
(Fig. 6, 7 u. 8). Doch wurde im vorliegenden Beispiele der Eren
a zu Gunsten der Stube b beschränkt, ebenso wie der Herdraum d eine größere Ausdehnung
[* 47] auf Kosten der Kammer c erhielt.
Die Obergeschosse sind ebenso wie im Schweizerhaus von den untern abgetrennt, der Herdraum allein hat die volle Stockwerkshöhe.
Die Räume e f g werden in gleicher Weise wie im Frankenhaus zu Ställen und Wirtschaftsräumen benutzt.
Der Schweinestall h, der Keller i, der Abortk und der Brunnen 1 dagegen sind außerhalb des Hauses angeordnet. Das bezeichnende
Merkmal der Anlage ist die Anlehnung an einen Hügel, derart, daß der Bodenraum über eine Brücke von der
Rückseite des Hauses, in großen Bauernhaus mit dem Erntewagen, befahren und als Speicher benutzt werden kann. Es ist also hier das
ganze Hauswesen des Bauern unter ein Dach gebracht. Ursprünglich fehlt dem Herd die Esse und zieht der Rauch durch den Speicher
und durch die Ritzen der Dachdeckung
[* 48] ab.
Das Allgäuer Bauernhaus (Fig. 9) zeigt eine weitere Ausgestaltung der fränk.. Anlage und mag als Beispiel für
die größern in dieser Bauform gelten.
Während allen diesen hochdeutschen Hausformen die Querteilung eigen war, ist das bezeichnende Merkmal für das sächsische
und für die aus diesen entwickelten Typen die hallenförmige Längsteilung, wie sie der Querschnitt des
westfäl. Hauses (s. Taf. II,
[* 44]
Fig. 7) verdeutlicht. Der Flurraum ist die
«Diele», welche ursprünglich den ganzen Bau durchzieht, so daß der Erntewagen diesen durchfahren kann,
ohne gewendet oder
zurückgeschoben werden zu müssen.
In den Nebenräumen finden sich die Ställe und Vorratsräume, welche gleichfalls vielfach durch Einschieben
einer wagerechten Teilung in zwei Geschosse
[* 49] zerlegt werden, deren oberer meist «Hille» heißt. Der Herd
befand sich ursprünglich an einer Seitenwand der Diele, die Ernte
[* 50] wird in dem «Speicher» unter dem Dach untergebracht, der
Rauch durchzieht wieder ohne Esse aufsteigend den Dachraum und sucht sich seinen Ausweg. Im Laufe der Zeit
fand das sächsische Bauernhaus vielfache Umgestaltung. Zunächst wurde eins der Thore in der Achse durch den Herd versetzt und ein
besonderer Herdraum (das «Fleet») geschaffen, welcher mit den Nebenräumen
für den Aufenthalt der Familie (der «Utlucht») und für die häusliche Wirtschaft bestimmt war. An das Fenster der
Utlucht rückte man auch die Bank und den Tisch in üblicher Anordnung. In weiterer Entwicklung ergaben sich Hausformen, von
welchen das dithmarsische Haus (s. Taf. II,
[* 44]
Fig. 3 u. 4) als Beispiel dienen soll. An die vordere Hälfte der Diele k legt sich
die Stallanlage 11, links der Stall für das Rindvieh, rechts für Pferde,
[* 51] je mit einem Wirtschaftsgange
m m und einer kleinen Thür zur Abfuhr des Mistes.
Das Vieh ist stets so gestellt, daß die Köpfe in die Diele schauen. An die Ställe schließt sich die Gesindestube d mit den
feststehenden Betten (Buchten) e e. Die Utlucht ist zur Küche g geworden, an die sich die Speisekammer
h h anschließt, der Wirtschaftsraum gegenüber wurde als tiefer gelegter Molkereikeller c ausgebildet. Von der Diele ist
ein großer Raum a abgetrennt, der «Piesel» oder «Pösel» (neulat. pisalis; mittelhochdeutsch phiesel, wohl von piso, stampfen,
weil mit Estrich versehen), an den sich die Stube f und die für die Auszügler bestimmten Nebenräume b b
b anschließen. In verschiedenen sächs. Gegenden entwickelt sich der Piesel mit seinen Nebenräumen zu einem selbständigen
Gebäude von wechselnden Formen.
Das holsteinische Bauernhaus (Fig. 1 u. 2) entstand in seiner besondern Form dadurch, daß der Herd nicht an die
Hinterwand, sondern an eine Seite der Diele j gerückt wurde, dadurch wurde der Raum d zur Küche und c zur Stube, an welch
letztere sich die Kammer b und der Molkereikeller a anschließen. Die Speisekammer e schließt diese Räume gegen den Pferdestall
k ab. Auf der andern Seite liegt die Gesindestube h, die Backstube g und der Kornspeicher f, den Pferdeställen
gegenüber der Kuhstall i mit dem Gänsestall m. Diese Hausformen sind reizvoll durch die Weiträumigkeit,
Übersichtlichkeit und trauliche Vereinigung von Herrn, Gesinde und Vieh.
Eine Übergangsstufe vom sächs. zum fränk. Haus bildet das
hessische Bauernhaus (Fig. 5 u. 6). Die Diele a ist in der Breite
[* 52] verkümmert, durchschneidet aber immer noch die
beiden Stockwerke der Nebenräume, von welchen b die Stube, c die Küche, d die Speisekammer und f die zweite Kammer, f eine
Auszüglerstube oder einen Vorratsraum, g den Stall mit dem seitlichen Ausgang in den Hof bildet. Vielfach
wird an der Vorderseite auch die Diele in zwei Geschosse zerlegt, so daß über dem Thore eine «Hängestube» erscheint. Zwischen
die altsächs. Hausanlage und das Dach wird vielfach noch ein besonderes Geschoß eingebaut, so daß das Bauernhaus nach außen dreigeschossig
erscheint, wie
[* 44]
Fig. 5 zeigt.
Die Mitte zwischen dem hess. und dem holstein.
Haus nimmt das westfälische Bauernhaus (Fig. 7)
¶
mehr
hinsichtlich der noch bedeutend entwickelten Diele ein; doch ist hier die Hille schon durch die ganze Gebäudelänge durchgeführt.
Grundsätzlich anderer Anordnung erscheint das nordische Bauernhaus, dessen ursprünglichste Form
[* 53]
(Fig. 10)
die in Blockbau ausgeführte rechtwinklige Halle
[* 54] c mit dem Herde d und der für die strenge Kälte nötigen Vorhalle a
ist. In weiterer Ausbildung
[* 53]
(Fig. 11) wird die Halle in den Flura und die Vorratskammer b zerteilt, über diesen Bauteil aber
ein Obergeschoß «Ramloftstube» errichtet.
Die Stube c enthält den Ofen, die Bank und den Tisch sowie das Bett
[* 55] gleich der deutschen Bauernstube. Eine Fortentwicklung
dieser Hausform ist das hinterpommersche Bauernhaus (Fig. 8 u. 9), in dessen Stube g der Backofen h, der Herd i,
der Sommerkamin k, der Nachofen m, der von der Säule 1 gestützte Rauchmantel die verschiedenen Formen für den ursprünglichen
Herd darstellen. Das Spülfaß q, das Spind r, die Bank und der Tisch p und die Betten n und o charakterisieren
die Stube zugleich als Arbeits- und Wohnraum. Die nordische Vorhalle c ist zum Flur geworden, von dem die Leiter d in das Obergeschoß
führt. Unter ihr steht das Gesindebett e; f ist der Stein zum Getreideschroten. Vor dem Flur ist eine neue Vorhalle b
gegen die Straße a gebaut. Die Kammer s und der Stall t vollenden die Gesamtanlage des Blockbaues.
In neuerer Zeit verschwinden die alten Formen des Bauernhaus, die noch zahlreiche Abarten aufweisen, mehr und mehr, wodurch viel von
der eigenartigen Schönheit unserer Dörfer und von der Stammesart verloren geht. Da aber die Formen aus
Lebensgewohnheit und Bedürfnis entstanden sind, so hält sich der moderne Bau von Bauernhaus noch vielfach in den alten Bahnen, wenngleich
manche wichtige und reizvolle Eigentümlichkeiten schon sehr selten zu werden beginnen. -
Vgl. Gilly, Handbuch der Landbaukunst
(3 Tle., Berl., Braunschw. u. Halle 1797-1811);
Viollet-LeDuc, Histoire de l'habitation humaine (Par. 1875);
Engel, Handbuch des landwirtschaftlichen Bauwesens (7. Aufl., Berl.
1885);
Meitzen, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preuß. Staates (4 Bde. mit Atlas,
[* 56] ebd. 1873);
Hoffmann,
Über landwirtschaftliche Tiefbauten (ebd. 1867);