Bauernhaus.
[* 2] Nach den verschiedenen Gewohnheiten
des
Landes hat das und die es umgebende Hofstätte sehr verschiedene
Gestalt angenommen. In neuerer Zeit hat man der Erforschung dieser hervorragende
Aufmerksamkeit zugewendet,
weil man die kulturgeschichtliche Bedeutung der Fortentwicklung des deutschen und germanischen Bauernhaus
, namentlich
auch ihre Bedeutung für die Beurteilung der Stammeseigenarten erkannt hat. Hierbei ging man von der
Beobachtung aus, daß
die Aufteilung der
Äcker an eine Gemeinde eine jener Einrichtungen ist, die dem Wandel wenig unterliegen,
daß man also aus der Dorfanlage und der Fluranordnung erkennen kann, welche Nation, welcher
Stamm ursprünglich am betreffenden
Orte ansässig gewesen ist.
Selbst bei spätern Einwanderungen behielten die neuen Besitzer meist die ursprüngliche Äckerverteilung bei. Die fränk. Dörfer, namentlich am Rhein, bilden zumeist einen ungeordneten Haufen (das Wort Dorf hat gleichen Stamm mit dem lat. turba, Haufen), in welchem jeder Bewohner nach Willkür sich auf einem der ihm gehörigen nach Fluren geteilten Grundstücke so ansiedelt, daß die Häuser dicht aneinander rücken. Das sächs. Haus steht meist gesondert inmitten des geschlossenen Ackers, so daß eine Dorfbildung gar nicht erstrebt wird, in slaw. Ansiedelungen sind die Grundstücke konzentrisch auf einen Platz zu gerichtet und stehen die Häuser im Kreise [* 3] rings um diesen, den «Ring».
Den Stammeseigentümlichkeiten entsprechend haben sich nun auch die einzelnen Formen des Bauernhaus
entwickelt. Die
Urformen festzustellen, ist bisber nur vermutungsweise möglich gewesen. Die altgerman. Bauweise ist
das Zimmern. Bei der verhältnismäßig geringen Widerstandskraft des Holzes gegen das Verfaulen und gegen
Brand sind Bauernhaus
aus
älterer Zeit wie dem 16. Jahrh. nicht mehr vorhanden, oder doch nicht nachweisbar. Im allgemeinen
kann man aber erkennen, daß nicht der Blockbau, sondern der
Ständerbau den meisten german. Häusern
eigenartig war. Inwieweit das altgriech. und altital. Haus (s.
Haus) in
Vergleich zu ziehen ist, das nach neuern Untersuchungen über den Tempelbau der Griechen ursprünglich auch ein Holzhaus
war, muß noch genauern Untersuchungen vorbehalten werden.
Am weitesten verbreitet in
Deutschland
[* 4] ist das fränkisch-thüringische Bauernhaus
(s.
Tafel: Bauernhäuser I,
[* 1]
Fig. 1
u. 2). Seine Grenze gegen N. zieht sich von der Maas bei
Venlo bis zur Ruhrmündung, die
Ruhr hinauf bis zur westfäl.
Grenze, längs des Raumes des Rothaargebirges bis südlich von Olpe und nördlich weiter bis nach
Osterburg, wendet sich dann
nördlich des
Habichtswaldes über Zierenberg nach Münden an der Weser und Hildesheim
[* 5] und trifft die
Elbe bei
Tangermünde.
Weiterhin wird die Grenze, die sonst sich ziemlich genau mit jener zwischen mittel- und niederdeutschen Dialekten deckt,
immer ungenauer. Das fränkisch-thüringische Bauernhaus
zeichnet sich zunächst dadurch aus, daß es einen
Teil einer geschlossenen
Hofstätte bildet. Es steht mit der Schmalseite gegen die
Straße zu; an erstere legt sich ein Doppelthor
für Fußgänger und Wagen, weiterhin die Auszüglerwohnung. Dem Bauernhaus
gegenüber befindet sich ein gesondertes
Stallgebäude, dem
Thor gegenüber die Scheune. Mitten im
Hofe befindet sich die Dungstätte und der
Brunnen,
[* 6] hinter der Scheune
der Obst- und Gemüsegarten. Das Bauernhaus
selbst ist in drei
Teile geteilt: in der Mitte befindet sich die Küche
(der alte Herdraum), von der zumeist vorn
¶
mehr
ein Teil als Flur «Eren» abgetrennt ist. Von hier gelangt man nach dem Stall und nach der Stube. Ursprünglich dürfte der ganze Van in Holz [* 8] ausgeführt gewesen sein, früh begann man Küche und Stall, später das ganze Erdgeschoß in Stein auszuführen. An der Stube behielt man der Wärme [* 9] wegen lange den Blockbau zwischen Ständern. Dagegen blieb das Obergeschoß bis in die neueste Zeit hinein meist Holzbau und zwar hier in der neuern Bauform des Riegelwerks. Die Stube, das heißt der Ofenraum (vom neulat. stufa, der Ofen), zeigt die typische Form aller deutschen Bauernstuben. In der Ecke, in welcher nach der Straße und nach dem Hof [* 10] zu Fenster sich befinden, steht die Bank (der «Hofsitz»),
davor der Tisch, gegenüber der Ofen und die Betten. Wenn das Haus größere Verhältnisse annimmt, wird der Bettraum durch eine Wand abgetrennt und erscheint somit als besondere Kammer.
Das Schweizer Bauernhaus
(Fig. 3, 4 u. 5) ist auf denselben Typus zurückzuführen wie das fränkische. Nur sind
der Almwirtschaft entsprechend die Hofanlagen anders gestaltet, sind vor allem die Ställe in Wegfall gekommen. Es besteht
der dargestellte Grundriß demnach nur aus dem Herdraum b mit dem über dem Herde sich aufbauenden großen Rauchmantel und
der durch eine Klappe verschließbaren Esse und einem gesonderten Kochherd. Vom Herdraum ist die Kammer
e abgetrennt; zu ihm führt ein überdeckter Gang
[* 11] (Laube) a. Die Stube c zeigt die Fensterbank in verlängerter Form, den Tisch
und Ofen sowie links am Eingang einen Tellerschrank auch hier ist eine Kammer d abgetrennt. Während beim fränkisch-thüringischen
Bauernhaus
das Obergeschoß aufgebaut erscheint, ist es hier durch eine wagerechte Teilung aus dem ursprünglich einheitlichen Raum
entstanden und wird «Gadem» genannt. Die Erwärmung des obern Geschosses geschieht dann auch durch die Ritzen der Bohlendecke
des untern.
Ähnlich ist das alamannische Bauernhaus
gestaltet
[* 7]
(Fig. 6, 7 u. 8). Doch wurde im vorliegenden Beispiele der Eren
a zu Gunsten der Stube b beschränkt, ebenso wie der Herdraum d eine größere Ausdehnung
[* 12] auf Kosten der Kammer c erhielt.
Die Obergeschosse sind ebenso wie im Schweizerhaus von den untern abgetrennt, der Herdraum allein hat die volle Stockwerkshöhe.
Die Räume e f g werden in gleicher Weise wie im Frankenhaus zu Ställen und Wirtschaftsräumen benutzt.
Der Schweinestall h, der Keller i, der Abort k und der Brunnen 1 dagegen sind außerhalb des Hauses angeordnet. Das bezeichnende
Merkmal der Anlage ist die Anlehnung an einen Hügel, derart, daß der Bodenraum über eine Brücke
[* 13] von der
Rückseite des Hauses, in großen Bauernhaus
mit dem Erntewagen, befahren und als Speicher benutzt werden kann. Es ist also hier das
ganze Hauswesen des Bauern unter ein Dach
[* 14] gebracht. Ursprünglich fehlt dem Herd die Esse und zieht der Rauch durch den Speicher
und durch die Ritzen der Dachdeckung
[* 15] ab.
Das Allgäuer Bauernhaus
(Fig. 9) zeigt eine weitere Ausgestaltung der fränk.. Anlage und mag als Beispiel für
die größern in dieser Bauform gelten.
Während allen diesen hochdeutschen Hausformen die Querteilung eigen war, ist das bezeichnende Merkmal für das sächsische und für die aus diesen entwickelten Typen die hallenförmige Längsteilung, wie sie der Querschnitt des westfäl. Hauses (s. Taf. II, [* 7] Fig. 7) verdeutlicht. Der Flurraum ist die «Diele», welche ursprünglich den ganzen Bau durchzieht, so daß der Erntewagen diesen durchfahren kann, ohne gewendet oder zurückgeschoben werden zu müssen.
In den Nebenräumen finden sich die Ställe und Vorratsräume, welche gleichfalls vielfach durch Einschieben
einer wagerechten Teilung in zwei Geschosse
[* 16] zerlegt werden, deren oberer meist «Hille» heißt. Der Herd
befand sich ursprünglich an einer Seitenwand der Diele, die Ernte
[* 17] wird in dem «Speicher» unter dem Dach untergebracht, der
Rauch durchzieht wieder ohne Esse aufsteigend den Dachraum und sucht sich seinen Ausweg. Im Laufe der Zeit
fand das sächsische Bauernhaus
vielfache Umgestaltung. Zunächst wurde eins der Thore in der Achse durch den Herd versetzt und ein
besonderer Herdraum (das «Fleet») geschaffen, welcher mit den Nebenräumen
für den Aufenthalt der Familie (der «Utlucht») und für die häusliche Wirtschaft bestimmt war. An das Fenster der
Utlucht rückte man auch die Bank und den Tisch in üblicher Anordnung. In weiterer Entwicklung ergaben sich Hausformen, von
welchen das dithmarsische Haus (s. Taf. II,
[* 7]
Fig. 3 u. 4) als Beispiel dienen soll. An die vordere Hälfte der Diele k legt sich
die Stallanlage 11, links der Stall für das Rindvieh, rechts für Pferde,
[* 18] je mit einem Wirtschaftsgange
m m und einer kleinen Thür zur Abfuhr des Mistes.
Das Vieh ist stets so gestellt, daß die Köpfe in die Diele schauen. An die Ställe schließt sich die Gesindestube d mit den feststehenden Betten (Buchten) e e. Die Utlucht ist zur Küche g geworden, an die sich die Speisekammer h h anschließt, der Wirtschaftsraum gegenüber wurde als tiefer gelegter Molkereikeller c ausgebildet. Von der Diele ist ein großer Raum a abgetrennt, der «Piesel» oder «Pösel» (neulat. pisalis; mittelhochdeutsch phiesel, wohl von piso, stampfen, weil mit Estrich versehen), an den sich die Stube f und die für die Auszügler bestimmten Nebenräume b b b anschließen. In verschiedenen sächs. Gegenden entwickelt sich der Piesel mit seinen Nebenräumen zu einem selbständigen Gebäude von wechselnden Formen.
Das holsteinische Bauernhaus
(Fig. 1 u. 2) entstand in seiner besondern Form dadurch, daß der Herd nicht an die
Hinterwand, sondern an eine Seite der Diele j gerückt wurde, dadurch wurde der Raum d zur Küche und c zur Stube, an welch
letztere sich die Kammer b und der Molkereikeller a anschließen. Die Speisekammer e schließt diese Räume gegen den Pferdestall
k ab. Auf der andern Seite liegt die Gesindestube h, die Backstube g und der Kornspeicher f, den Pferdeställen
gegenüber der Kuhstall i mit dem Gänsestall m. Diese Hausformen sind reizvoll durch die Weiträumigkeit,
Übersichtlichkeit und trauliche Vereinigung von Herrn, Gesinde und Vieh.
Eine Übergangsstufe vom sächs. zum fränk. Haus bildet das
hessische Bauernhaus
(Fig. 5 u. 6). Die Diele a ist in der Breite
[* 19] verkümmert, durchschneidet aber immer noch die
beiden Stockwerke der Nebenräume, von welchen b die Stube, c die Küche, d die Speisekammer und f die zweite Kammer, f eine
Auszüglerstube oder einen Vorratsraum, g den Stall mit dem seitlichen Ausgang in den Hof bildet. Vielfach
wird an der Vorderseite auch die Diele in zwei Geschosse zerlegt, so daß über dem Thore eine «Hängestube» erscheint. Zwischen
die altsächs. Hausanlage und das Dach wird vielfach noch ein besonderes Geschoß eingebaut, so daß das Bauernhaus
nach außen dreigeschossig
erscheint, wie
[* 7]
Fig. 5 zeigt.
Die Mitte zwischen dem hess. und dem holstein.
Haus nimmt das westfälische Bauernhaus
(Fig. 7)
¶
mehr
hinsichtlich der noch bedeutend entwickelten Diele ein; doch ist hier die Hille schon durch die ganze Gebäudelänge durchgeführt. Grundsätzlich anderer Anordnung erscheint das nordische Bauernhaus, dessen ursprünglichste Form [* 20] (Fig. 10) die in Blockbau ausgeführte rechtwinklige Halle [* 21] c mit dem Herde d und der für die strenge Kälte nötigen Vorhalle a ist. In weiterer Ausbildung [* 20] (Fig. 11) wird die Halle in den Flur a und die Vorratskammer b zerteilt, über diesen Bauteil aber ein Obergeschoß «Ramloftstube» errichtet.
Die Stube c enthält den Ofen, die Bank und den Tisch sowie das Bett [* 22] gleich der deutschen Bauernstube. Eine Fortentwicklung dieser Hausform ist das hinterpommersche Bauernhaus (Fig. 8 u. 9), in dessen Stube g der Backofen h, der Herd i, der Sommerkamin k, der Nachofen m, der von der Säule 1 gestützte Rauchmantel die verschiedenen Formen für den ursprünglichen Herd darstellen. Das Spülfaß q, das Spind r, die Bank und der Tisch p und die Betten n und o charakterisieren die Stube zugleich als Arbeits- und Wohnraum. Die nordische Vorhalle c ist zum Flur geworden, von dem die Leiter d in das Obergeschoß führt. Unter ihr steht das Gesindebett e; f ist der Stein zum Getreideschroten. Vor dem Flur ist eine neue Vorhalle b gegen die Straße a gebaut. Die Kammer s und der Stall t vollenden die Gesamtanlage des Blockbaues.
In neuerer Zeit verschwinden die alten Formen des Bauernhaus, die noch zahlreiche Abarten aufweisen, mehr und mehr, wodurch viel von der eigenartigen Schönheit unserer Dörfer und von der Stammesart verloren geht. Da aber die Formen aus Lebensgewohnheit und Bedürfnis entstanden sind, so hält sich der moderne Bau von Bauernhaus noch vielfach in den alten Bahnen, wenngleich manche wichtige und reizvolle Eigentümlichkeiten schon sehr selten zu werden beginnen. -
Vgl. Gilly, Handbuch der Landbaukunst (3 Tle., Berl., Braunschw. u. Halle 1797-1811);
Viollet-LeDuc, Histoire de l'habitation humaine (Par. 1875);
Engel, Handbuch des landwirtschaftlichen Bauwesens (7. Aufl., Berl. 1885);
Meitzen, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preuß. Staates (4 Bde. mit Atlas, [* 23] ebd. 1873);
Hoffmann, Über landwirtschaftliche Tiefbauten (ebd. 1867);
Henning, Das deutsche Haus in seiner histor.
Entwicklung (Straßb. 1882);
Meitzen, Das deutsche Haus in seinen volkstümlichen Formen (Berl. 1883);
Gladbach, [* 24] Der schweiz. Holzstil (Darmst. 1884 -86);
Meringer, Studien zur german. Volkskunde.
Das und dessen Einrichtungen (Wien [* 25] 1892); Neumeister und Häberle, und kleine gewerbliche Anlagen (Stuttg. 1893 fg.).