Bauerneman
cipation,
im allgemeinen die Befreiung des Bauern von der persönlichen Unfreiheit, die sich in der Form der Leibeigenschaft (s. d.) oder Erbunterthänigkeit bis in die neuere Zeit erhalten hatte. (S. Agrargesetzgebung.) Vorzugsweise ist dieser Ausdruck gebräuchlich für die Befreiung der russ. Bauern, die durch das Manifest Alexanders II. vom 19. Febr. vollzogen worden ist. Nicht weniger als 23 Mill. Leibeigene erhielten hierdurch ihre persönliche Freiheit, wenn sie auch noch während einer Übergangszeit in einer zeitweiligen Pflichtigkeit verblieben. Binnen 2 Jahren sollten die Grundherren ihnen ihre Häuser nebst angemessenen Landanteilen gegen Zins oder ¶
[* 2] ^[Abb. 1. Fränkisch-thüringisches Bauernhaus.] [* 3]
^[Abb. 2. Grundriss zu [* 2] Fig. 1]
[* 2] ^[Abb. 3. Schweizer Bauernhaus.]
[* 2] ^[Abb. 4. Längsschnitt zu
Fig. 3.]
Fig. 3]
[* 2] ^[Abb. 6. Schwarzwälder Haus.]
[* 2] ^[Abb. 7. Längsschnitt zu
Fig. 6.]
Fig. 6]
[* 2] ^[Abb. 9. Allgäuer Haus.] ¶
[* 4] ^[Abb. 1. Holsteinsches Haus.]
Fig. 1.]
[* 4] ^[Abb. 3. Dithmarsisches Haus.]
Fig. 3.]
[* 4] ^[Abb. 5. Hessisches Haus.]
Fig. 5.]
[* 4] ^[Abb. 7. Westfälisches Haus. Querschnitt.]
[* 4] ^[Abb. 8. Hinterpommersches Haus.]
Fig. 8.]
[* 4] ^[Abb. 10. 11. Nordisches Haus. Grundriss.] ¶
mehr
Arbeitsleistungen zur Nutznießung überweisen, und es war den Befreiten dann die Möglichkeit geboten, die Häuser nebst Zubehör, sowie unter Zustimmung der Gutsbesitzer auch das Land als Eigentum zu erwerben. Die Ablösung erfolgte in der Weise, daß die Leistungen des Bauern nach dem Zinsfuß von 6 Proz. kapitalisiert wurden und von der so berechneten Summe 20 Proz. sofort an den Grundherrn zu bezahlen waren, während die Regierung demselben den Rest von 80 Proz. in fünfprozentigen Schatzscheinen oder Loskaufscertifikaten abtrug und von den Bauern diesen Vorschuß im Laufe von 49 Jahren in Gestalt einer Zins und Amortisation darstellenden Quote von 6 Proz. desselben einzog.
Als Käufer konnten sowohl Einzelne und Genossenschaften wie auch, im Anschluß an das in Rußland weitverbreitete System des Gemeindebesitzes (s. Mir), die Bauerngemeinden auftreten, deren Mitglieder dann solidarisch für die Loskaufssumme wie für die übrigen Abgaben hafteten. Im ganzen wurde ungefähr ein Drittel des adligen Grundbesitzes, nämlich 35 779 014 Dessiatinen (390 886 qkm) an 9 795 163 Bauern überwiesen. So unabweisbar die in Rußland auch geworden war, so konnte sie doch, als tiefer Eingriff in das bestehende Wirtschaftssystem, auch nicht ohne manche mißlichen Folgen bleiben, deren Tragweite durch den geringen Bildungsstand und die zunehmende Trunksucht der Bauern, vielfach auch durch das mit landwirtschaftlichem Fortschritt nicht vereinbarte System der Feldgemeinschaft vergrößert wurde.
Während bald nach der Emancipation der Bodenpreis in einigen Gouvernements 50 und mehr Prozent hoher stand als der Ablösungspreis
von 1861, war er in andern Landesteilen mehr oder weniger erheblich unter den letztern zurückgegangen. Eine
amtliche Untersuchung der landwirtschaftlichen Verhältnisse seit der Bauerneman
cipation wurde 1872 durch eine Kommission veranstaltet, die
einen ausführlichen Bericht mit vielen Anlagen (5 Bde., Petersb.
1873; russisch) veröffentlicht hat. Einen kurzen Überblick desselben giebt Walcker: «Die russ. Agrarfrage» (Berl. 1874).
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Vgl. Harthausen, Die ländliche Verfassung Rußlands (Lpz. 1866).
In betreff der Bauerneman
cipation im allgemeinen vgl. Sugenheim,
Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit in Europa
[* 6] (Petersb. 1861).