Titel
Bastĭan,
1) Adolf, berühmter Reisender und Ethnograph, geb. zu Bremen, [* 2] studierte in Berlin, [* 3] Heidelberg, [* 4] Prag, [* 5] Jena [* 6] und Würzburg [* 7] und ging als Schiffsarzt nach Australien. [* 8] Er durchstreifte hier die Golddistrikte und einen Teil des Innern, fuhr nach Neuseeland und von dort durch die Südsee nach Peru. [* 9] Dann überstieg er die Andes und nahm in der alten peruanischen Hauptstadt Cuzco sein Hauptquartier. Später finden wir ihn in Westindien, [* 10] auf dem Missouri und Mississippi, an den Pyramiden Mexikos und in Kalifornien.
Von hier aus ging er nach China, [* 11] besuchte Hinterindien [* 12] und den Malaiischen Archipel und verweilte längere Zeit in Kalkutta. [* 13] Dann befuhr er vier Monate lang auf einem kleinen Boote den Ganges, durchzog Dekhan und das Marathenland und ging nach Bombay, [* 14] von wo er sich nach Persien [* 15] begeben wollte. Der zwischen England und Persien ausbrechende Krieg verhinderte die Ausführung dieses Plans; dagegen besuchte er die Ruinen von Babylon und Ninive. Nachdem er Syrien und Palästina [* 16] durchzogen, ruhte ¶
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er einige Zeit in Kairo,
[* 18] fuhr dann den Nil hinauf, ritt durch die Wüste nach Kosseir am Roten Meer, schiffte nach Dschidda und
schloß sich in Mokka einer Karawane an, die nach Aden
[* 19] zog. Darauf ging er nach Mauritius und über das Kap der Guten Hoffnung
nach Loanda. Ins Innere der portugiesischen Besitzungen in Südwestafrika vorgedrungen, wagte er die Reise
nach der Königsstadt San Salvador, welche seit zwei Jahrhunderten kein gebildeter Europäer betreten. Dann segelte er an der
afrikanischen Küste hinauf nach der Insel Fernando Po, drang von dort in das Nigerdelta ein, bereiste Liberia,
[* 20] Sierra Leone und
Senegambien und kehrte nach achtjähriger Abwesenheit nach Europa
[* 21] zurück, wo er noch Portugal,
[* 22] Spanien, die
Türkei,
[* 23] Rußland, Schweden
[* 24] und Norwegen besuchte, ehe er nach Bremen heimkehrte. Bastian
brachte eine große wissenschaftliche Ausbeute
zurück.
Als Vorläufer größerer Arbeiten ließ er erscheinen: »Ein Besuch in San Salvador, der Hauptstadt des Königreichs Congo« (Brem. 1859). Eine weitere Frucht dieser achtjährigen Reise war das ungemein gelehrte Werk »Der Mensch in der Geschichte; zur Begründung einer psychologischen Weltanschauung« (Leipz. 1860, 3 Bde.). Sogleich nach Vollendung dieser Arbeit trat er 1861 seine zweite große, diesmal fünfjährige Reise an. Nach längerm Aufenthalt in London [* 25] ging er nach Madras [* 26] und von dort nach Rangun, [* 27] fuhr den Irawadi hinauf und widmete sich in der Hauptstadt des Birmanenreichs ein Jahr lang dem Studium der Sprache [* 28] und Litteratur der Birmanen; dann ging er von Maulmain nach Bangkok, [* 29] studierte hier Sprache und Litteratur der Siamesen und wandte sich nun von Kambodscha nach Saigon, um sich nach Singapur [* 30] einzuschiffen. 1864 und 1865 reiste er durch den Archipel nach Japan und verfolgte den Überlandweg von Peking [* 31] durch die Mongolei und Sibirien nach dem Kaukasus.
Diesen Reisen entsprechend ist Bastians
großes Werk, dessen Ausarbeitung er alsbald nach seiner Rückkehr begann, und das
erst 1871 vollendet wurde: »Die Völker des östlichen Asien«,
[* 32] angelegt. In sechs Bänden (Jena 1866-71)
führt es uns die gesamten Völker von Ostasien, namentlich nach der geschichtlichen, sprachlichen und religiösen Seite hin,
vor. Das Werk ist weniger eine Reisebeschreibung als eine kolossale Stoffansammlung von erdrückender Fülle, ungegliedert,
ohne jegliche Anmut der Darstellung, aber, wie alle seine auch später erschienenen Werke, von tiefster
Gelehrsamkeit strotzend. Bastian
ließ sich in Berlin nieder, wo er sich an der Universität als Dozent für Erdkunde
[* 33] habilitierte
und zum Vorstand des ethnographischen Museums und der Gesellschaft für Erdkunde ernannt wurde.
Große Verdienste erwarb er sich neuerdings um das Zustandekommen der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung Innerafrikas, als deren Vorsitzender er 1873 einen mehrmonatlichen Ausflug nach der afrikanischen Westküste unternahm, um daselbst die Einbruchsstation bei Tschintschotscho zu errichten und Erkundigungen einzuziehen. 1875-76 machte er auf Veranlassung des königlichen Museums in Berlin eine Reise nach den Küsten von Peru und Ecuador, ging durch Kolumbien nach Guatemala, [* 34] dann nach San Francisco, und nachdem er über Land durch die Union gereist, besuchte er auf dem Rückweg nach Europa die Antillen. Er brachte die reichsten ethnographischen Sammlungen mit, mit deren Ordnung und Aufstellung er seitdem beschäftigt war. Im Sommer 1878 trat er eine neue Reise auf dem Überlandweg durch Persien an, während welcher er namentlich Assam und verschiedene der indischen und ozeanischen Inselgruppen genau untersuchte, und von der er über Nordamerika [* 35] und Westindien wieder in Berlin eintraf.
Von seinen Schriften nennen wir noch: »Beiträge zur vergleichenden Psychologie« (Berl. 1868);
»Das Beständige in den Menschenrassen [* 36] und die Spielweite ihrer Veränderlichkeit« (das. 1868);
die Vorträge »Mexiko«, [* 37] »A. v. Humboldt« (1869);
»Sprachvergleichende Studien, besonders auf dem Gebiet der indochinesischen Sprachen« (Leipz. 1870);
»Die Weltauffassung der Buddhisten« (das. 1870);
»Ethnologische Forschungen« (das. 1871-73, 2 Bde.);
»Die Rechtsverhältnisse bei verschiedenen Völkern« (Berl. 1872);
»Geographische und ethnologische Bilder« (das. 1873);
»Offener Brief an Herrn Professor E. Häckel« (das. 1874),
worin Bastian
als Gegner des extremen Darwinismus auftritt;
»Die deutsche Expedition an der Loangoküste Afrikas« (Jena 1874, 2 Bde.);
»Schöpfung oder Entstehung« (das. 1875);
»Die Vorstellungen von der Seele« (Berl. 1875);
»Die Kulturländer des alten Amerika« [* 38] (das. 1878, 2 Bde.);
»Die heilige Sage der Polynesier« (Leipz. 1881);
»Vorgeschichte der Ethnologie« (Berl. 1881);
»Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen« (das. 1881);
»Der Buddhismus in seiner Psychologie« (das. 1882);
»Zur naturwissenschaftlichen Behandlung der Psychologie« (das. 1883);
»Völkerstämme am Brahmaputra« (Leipz. 1883);
»Inselgruppen in Ozeanien« [* 39] (das. 1883);
»Zur Kenntnis Hawaiis« (Berl. 1883);
»Allgemeine Grundzüge der Ethnologie« (das. 1884);
»Religionsphilosophische Probleme« (das. 1884);
»Indonesien oder die Inseln des malaiischen Archipels« (das. 1884 ff.);
»Der Fetisch an der Küste Guineas« (das. 1885) u. a. Seit 1869 gibt Bastian
im
Verein mit Virchow und Rob. Hartmann die »Zeitschrift für Ethnologie« heraus.
2) Henry Charlton, Mediziner, geb. zu Truro, wurde 1867 Professor der pathologischen Anatomie in London, 1868 Assistent am Hospital für Gelähmte und Epileptische, 1871 Arzt am Hospital der Universität. hat besonders die Pathologie des Nervensystems bearbeitet und gilt als Autorität auf diesem Gebiet. Er schrieb: »The modes of origin of lowest organisms« (Lond. 1871);
»The beginnings of life« (1872, 2 Bde.);
»Clinical lectures on the common forms of paralysis« (1875);
»The brain as an organ of mind« (1880; deutsch, Leipz. 1882).