Bastardpfl
anzen
(Hybriden),
Produkte geschlechtlicher
Zeugung zwischen zwei verschiedenen Pflanzenarten. Eine solche
Verbindung nennt man Hybridation oder
Kreuzung und die gekreuzten
Arten die Stammformen. Bei Bezeichnung
der Bastardpfl
anzen pflegt man die beiden Speziesnamen der Stammformen in der
Weise zu verbinden, daß man den
Namen des
Vaters voransetzt.
So bedeutet z. B.
Digitalis purpureo-lutea eine Bastardpflanze
, welche von D. lutea infolge der
Befruchtung
[* 2] mit D. purpurea,
wogegen D. luteo-purpurea eine solche bezeichnet, die von D. purpurea mittels
Befruchtung mit D. lutea
erzeugt ist.
Hybridation ist vorzugsweise bei
Phanerogamen bekannt. Unter den
Kryptogamen, soweit hier geschlechtliche
Zeugung stattfindet
und daher
Kreuzung denkbar ist, gibt es bis jetzt nur wenige einigermaßen sichere
Fälle von Hybridation bei
Tangen,
Moosen
und
Farnkräutern. Die
Samen,
[* 3] woraus Bastardpfl
anzen hervorgehen, entstehen, wenn
Blütenstaub einer Art auf die
Narbe
der andern durch
Wind,
Insekten
[* 4] etc. gelangt oder mittels eines
Pinsels
übertragen wird, in welchem
Fall die
Blüte
[* 5] ihrer eignen
Staubbeutel, bevor sie aufgesprungen sind, beraubt werden muß.
Durch solche künstliche Bastardierung sind zum großen Teil die zahlreichen Formen unsrer Zierpflanzen, der Aurikeln, Azalien, Pelargonien, Georginen, Levkojen etc., gewonnen worden. Im allgemeinen schlägt die Bastardbefruchtung am leichtesten an zwischen Varietäten derselben Spezies und demnächst zwischen zwei verschiedenen Spezies derselben Gattung. Erfolgreiche Kreuzung zwischen Arten aus verschiedenen Gattungen ist selten beobachtet worden, z. B. zwischen Lychnis und Silene, [* 6] Rhododendron und Azalea; Hybridation zwischen Arten verschiedener Familien kommt nicht vor.
Übrigens ist die Fähigkeit der
Spezies, Bastardpfl
anzen zu erzeugen, je nach
Familien sehr verschieden. So sind von den 32 europäischen
echten Weidenarten über 70 wild wachsende
Bastarde bekannt.
Andre der
Kreuzung günstige
Familien sind die Skrofulariaceen,
Solaneen,
Karyophylleen,
Kakteen,
[* 7]
Rosaceen,
Önothereen etc.
Umgekehrt ist eine Hybridation ganz unbekannt
oder nur in ganz einzelnen
Fällen beobachtet bei
Gramineen,
[* 8]
Papilionaceen,
Kruciferen,
[* 9]
Labiaten etc. Zwischen zwei kreuzungsfähigen
Arten A und B ist in der
Regel reciproke Hybridation möglich, d. h. sowohl A als B können die
Rolle des
Vaters spielen.
Doch soll Nicotiana paniculata zwar mit dem Pollen von N. Langsdorfii, desgleichen Mirabilis Jalapa mit demjenigen von M. longiflora leicht befruchtet werden können, nicht aber die umgekehrte Hybridation möglich sein. Bastarde können auch unter sich gekreuzt werden, und man erzielt dann die abgeleiteten Bastarde, welche eine Vermischung der Merkmale von vier oder noch mehr Pflanzen an sich tragen. Wird eine Blüte gleichzeitig mit eignem und mit fremdem Pollen bestäubt, so befruchtet der erstere, der letztere aber bleibt unwirksam.
Bringt man dagegen den eignen Blütenstaub einige Stunden später auf die Narbe, so daß inzwischen die Befruchtung mit fremdem Pollen erfolgt ist, so hat jener keine Wirkung mehr. Seinen Merkmalen nach hält der Bastard im allgemeinen die Mitte zwischen den Stammformen, und die reciproken Bastarde A B und B A sind äußerlich gleich, können jedoch innen Verschiedenheiten, z. B. in der Fruchtbarkeit, in der Neigung zum Variieren u. dgl., zeigen. Dieses intermediäre Verhalten spricht sich darin aus, daß die Merkmale der Stammformen am Bastard entweder wirklich vermengt sind, d. h., daß z. B. in den Verhältnissen der Größe, der Gestalt und der Färbung der Teile wirkliche Mittelbildungen zum Vorschein kommen, oder daß wechselsweise das eine Merkmal von der Mutter, das andre vom Vater unverändert angenommen wird.
Nicht selten geschieht es dabei, daß in der Auswahl der Merkmale die einzelnen Individuen der aus einer
und derselben
Kreuzung hervorgegangenen Bastardpfl
anzen sich verschieden verhalten. Dagegen gehen im allgemeinen die konstanten
Merkmale, in denen die Stammformen übereinkommen, auch unverändert auf den
Bastard über, und die variabeln Merkmale jener
sind es auch an diesem. Indessen zeigen die Bastardpfl
anzen doch auch merkwürdigerweise gewisse
neue
Eigenschaften, welche keiner der beiden Stammformen zukommen.
Allgemein sind in ihrem Wuchs kräftiger als die Eltern, indem sie stärkere
Stengel,
[* 10] zahlreichere
Blätter bilden und bisweilen
eine ungewöhnliche
Menge von
Blüten entwickeln, welche überdies oft größer, schöner gefärbt, wohlriechender sind und
eine
Neigung haben, sich zu füllen.
Daher wird von
Gärtnern und Blumenzüchtern oft die
Kreuzung angewendet,
um derartige Erfolge zu erzielen. Durch
Kreuzung des europäischen
Weinstocks mit amerikanischen
Arten von
Vitis hat man Bastardpfl
anzen erhalten,
die sich widerstandsfähiger gegen die
Reblaus
[* 11] und
Pilze
[* 12] zeigten als die europäische Art.
Ferner zeigt sich bei Bastardpflanzen
eine
Schwächung
ihrer Sexualität.
Sehr gewöhnlich erscheinen zwar die Staubgefäße [* 13] äußerlich normal entwickelt, aber die Pollenkörner [* 14] haben nicht die gehörige Ausbildung, oder es sind auch die Staubgefäße ganz verkümmert, bei gefüllten Blüten in Blumenblätter umgewandelt. In den weiblichen Organen bilden die Samenknospen bisweilen ihre wesentlichen Teile gar nicht aus, so daß die Befruchtung ganz unmöglich ist, oder die letztere findet zwar statt, allein der Embryo stirbt schon vor seiner völligen Ausbildung ab. Vielfach werden keimfähige Samen erzeugt, aber dann meistens in geringerer Menge als gewöhnlich, und wenn solche Bastardnachkommen wiederum sich selbst befruchten, so vermindert sich die Fruchtbarkeit mit jeder neuen ¶
mehr
Generation. Endlich variieren auch die in der Regel stärker als die Stammformen. - Den durch Befruchtung gebildeten Bastardpflanzen
sind
die durch Pfropfung entstandenen an die Seite zu stellen (Propfhybriden). Man erhält solche unter anderm bei verschiedenen
Kartoffelsorten, indem man knospentragende Keilstücke von Knollen
[* 16] der einen Art in entsprechende Stellen
einer zweiten Sorte einfügt. Die aus derartigen Knollen hervorgehenden Pflanzen stehen in ihren Merkmalen zwischen den beiden
Stammformen.
Andre Fälle von Pfropfhybridation bieten die sogen. Bizzaria-Orangen mit gemischten Charakteren der Orange und Zitrone, Cytisus
Adami, die pomachierten Abutilon etc. Die Kenntnis der Bastardpflanzen
verdanken wir vorzugsweise den zahlreichen
Versuchen von Kölreuter (1761), Gärtner (»Methode der künstlichen Bastardbefruchtung«, Stuttg. 1849),
Wichura (»Die Bastardbefruchtung im Pflanzenreich«, Bresl. 1865),
Herbert (»Amaryllidaceae etc.«, Lond. 1873),
Focke (»Die Pflanzenmischlinge«, Berl. 1880).