Basken
(Vaskonier, span. Vascongados oder Eskualdun, Euskualdun, wie sie sich
selbst nennen), ein kleines
Volk auf beiden Abhängen der
Pyrenäen, das trotz seiner geringen Zahl einen besondern Volksstamm
Europas bildet. In uralter Zeit waren die Basken
nach W. v.
Humboldt
(»Prüfung der Untersuchungen über die Urbewohner
Spaniens«,
1821) sowohl über ganz
Spanien
[* 2] als auch über
Aquitanien verbreitet, jetzt beschränkt sich ihr Gebiet
auf die spanischen
Provinzen
Navarra,
Viscaya,
Guipuzcoa und
Alava, die drei letztern daher auch baskische
Provinzen
(Vascongadas)
genannt, und die französischen
Arrondissements
Mauléon und
Bayonne
(Departement
Niederpyrenäen), wo nach den neuesten
Zählungen
nur noch 450,000
Menschen die baskische
Sprache
[* 3] sprechen, von denen etwa ¾ auf spanischem, ¼ auf französischem
Gebiet leben.
Die Basken
verlieren wie in
Frankreich, so auch in
Spanien immer mehr an
Terrain und zwar darum, weil der
Gebrauch der baskischen
Sprache in
Schule und
Kirche, vor
Gericht und bei den Regierungsämtern gesetzlich verboten ist und die 1394 veranstaltete
Gesetzsammlung
(Fueros) nicht mehr in baskischer, vielmehr in spanischer (kastilischer)
Sprache im
Gebrauch ist. Wenn auch
heute noch in
Guipuzcoa das Baskische als allgemeine Umgangssprache gilt, so wird dasselbe doch in
Viscaya,
Alava und auf der
französischen Seite ausschließlich nur von den niedern
Klassen
gesprochen (vgl. M.
Willkomm,
Wanderungen durch die nordöstlichen
und zentralen
Provinzen
Spaniens, 1850). So führen heute viele
Städte und
Dörfer zwei
Namen, einen baskischen
und einen französischen oder spanischen;
Pamplona heißt auf baskisch Prun,
San Sebastian Donostian,
Olite Carés etc.
Noch
unterscheidet sich aber der Anblick des baskischen
Landes sehr auffallend von den ihm zunächst liegenden Gebieten.
Man sieht hier keine
Dörfer, getrennt durch weite unbewohnte
Strecken; vielmehr ist die ganze
Landschaft
dicht mit
Häusern besäet, für welche die
Kirche mit einigen naheliegenden Gebäuden den
Mittelpunkt bildet. Die Basken
,
Männer
und
Frauen, sind von schönem Körperbau und zeichnen sich dadurch wie durch ihre
Stärke
[* 4] und Gewandtheit sowohl vor ihren
spanischen als ihren französischen Nachbarn aus.
Ihre Hautfarbe ist heller als bei jenen, das
Haar
[* 5] dunkel,
seltener schwarz, aber auch blond; man sieht ebensowohl dolikephale wie brachykephale
Menschen, wohl ein Zeichen, daß fremde
Einflüsse wirksam waren, die indes der
Rasse ihre charakteristischen
Züge nicht rauben konnten.
Der
Arme ist sehr stolz auf seine
Geburt, ebenso wie der Begüterte, denn einen Feudaladel kannte man hier
niemals, und die Bewohner von
Viscaya insbesondere galten sämtlich in ganz
Spanien als Adlige nach einem
Privilegium, das
Johanna von
Kastilien ihnen aus Dankbarkeit verliehen hatte. Die Bewohner der Hochthäler sind fast ausschließlich
Hirten, die an der
Küste
Fischer, die sich durch ihre Kühnheit berühmt gemacht haben, welche sie als die ersten auf den
Walfischfang in die nordischen
Meere führte; auch waren die Basken
ehedem gefürchtete Seeräuber.
Ackerbau wird überall emsig getrieben, wo das
Land es gestattet, und in den
Thälern von
Viscaya und
Guipuzcoa reiht sich
Fabrik an
Fabrik, so daß das Land zu den industriereichsten Gegenden
Spaniens gehört, während die
Industrie der französischen
Basken
unbedeutend ist. Dennoch wandert aus den innern
Provinzen alljährlich eine nicht geringe Zahl von Männern in andre Gegenden
Spaniens, um sich als
Steinbrecher,
[* 6]
Maurer,
Steinmetzen, Zimmerleute einen
Verdienst zu suchen, mit dem sie
dann heimkehren.
Seit 1861 ist ein beständiger
Strom von Auswanderern nach Argentinien und
Uruguay
[* 7] gezogen, so daß dort heute 30-40,000 Basken
wohnen.
Wie die
Männer, so sind auch die
Frauen der niedern
Stände äußerst thätig, sie verrichten die schwersten
Arbeiten; das
Beladen
und
Entladen der
Schiffe
[* 8] in den Häfen ist fast ausschließlich ihre
Sache. Als sehr gesund sind die baskischen
Frauen in ganz
Spanien als
Ammen gesucht. Die Basken
halten vielfach noch an ihrer malerischen
Tracht, ihren alten
Sitten und
Gebräuchen
fest, am meisten in
Viscaya; aber in den spanischen
Provinzen selbst kleiden sich alle
Städter der bessern
Klassen schon in moderner Art.
Ihre alten politischen Privilegien sind in
Frankreich bereits seit 1789 aufgehoben, in
Spanien
verschwand das meiste 1876; noch bewahrt man aber als heilig die
Erinnerung an die alte
Verfassung, als die
Stände (Bilçar)
sich unter freiem
Himmel
[* 9] zur öffentlichen Beratung versammelten, jede
Provinz für sich, die französischen
Basken
bei Ustaritz, die von
Viscaya unter der alten
Eiche von Zurinica bei
Durango, die von
Alava in der
Ebene von Arriaga bei
Vitoria,
die von
Guipuzcoa abwechselnd in einer der 14
Städte der
Provinz. In religiöser Beziehung haben sich die Basken
stets als gute,
strenggläubige Katholiken gezeigt, bei denen aber, wie bei andern Bergvölkern, eine
Fülle von abergläubischen
Anschauungen tief eingewurzelt ist.
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mehr
Die merkwürdige Sprache der Basken
, von ihnen selbst Escuara oder Euxara genannt, zeigt mit keiner andern europäischen
Sprache
die geringste Verwandtschaft. Den amerikanischen Indianersprachen
, denen sie mehrfach an die Seite gestellt worden ist, gleicht
sie in betreff einiger Eigentümlichkeiten ihres grammatischen Baues, ohne daß jedoch an eine auf gleicher Abstammung
beruhende Verwandtschaft zu denken wäre. Sie ist reich an Vokalen und dadurch wohlklingend; doppelte Konsonanten kommen fast
gar nicht vor, die drei harten Konsonanten k, t, p werden vor einem Nasallaut und an dem Schluß eines Worts, auf das ein mit
weicher Konsonanz beginnendes Wort folgt, ausgestoßen, im letztern Fall der weiche Konsonant in den entsprechenden
harten verwandelt.
In der Deklination werden die ziemlich zahlreichen Kasus und der Unterschied der Ein- und Mehrzahl durch angehängte ein- oder mehrfache Endungen ausgedrückt; doch werden Nominativ und Akkusativ nicht unterschieden. Außerordentlich formenreich ist das Verbum, obschon in der jetzigen Sprache fast alle Verba nur in der Form von Partizipien erscheinen, die mit den zwei Hilfsverben »haben« und »sein« abgewandelt werden. Von ersterm wird z. B. gebildet: det »ich habe es«, ditut »ich habe sie«, dizkizut »ich habe sie für dich«, nazu »du hast mich«, dizkidasu »du hast sie für mich« etc., mit durchgängiger Einschaltung aller persönlichen Pronomina in das Verbum des Satzes, wobei dann durch Abschleifung und Verkürzung nach dem Objekt des Verbums geschiedene zahlreiche Konjugationsarten entstanden sind.
Von jeder derselben gibt es wieder vier besondere Formen, je nachdem ein Gleichstehender, ein höher oder niedriger Stehender oder eine Frau angeredet wird. Die fast unendliche Menge stark untereinander abweichender Formen, welche von einem Verbum gebildet werden können, veranlaßte den Titel: »El imposible vencido«, d. h. »das Unmögliche möglich gemacht«, welchen im vorigen Jahrhundert der Jesuit Larramendi seiner baskischen Grammatik beilegte. Übrigens ist dieser Reichtum nicht als ein Vorzug zu betrachten, sondern vielmehr ein charakteristisches Zeichen eines höchst primitiven Sprachbaues, der sowohl Objekt als Subjekt des Satzes am Verbum selbst besonders zum Ausdruck bringen muß, um das gegenseitige Verhältnis der Satzglieder verständlich zu machen.
Auch der Wortschatz der baskischen Sprache zeigt eine stark entwickelte Fähigkeit, lange Komposita zu bilden, neben auffallender innerer Armut. So gibt es baskische Bezeichnungen für verschiedene Bäume und Tiere, aber für die Begriffe »Baum« und »Tier« im allgemeinen ist kein einfacher Ausdruck vorhanden. Auch sind fast zwei Drittel des baskischen Wortschatzes, teils in neuerer Zeit aus dem Spanischen und Französischen, teils schon früher aus dem Lateinischen und Keltischen entlehnt.
Die baskische Sprache zerfällt in 8 Hauptdialekte, die sich wieder in 25 Mundarten einteilen lassen. Diese Einteilung rührt von Prinz Lucien Bonaparte her, der sich teils durch eigne Untersuchungen (»Le [* 11] verbe basque«, Par. 1869), teils durch die Anregung grammatischer Arbeiten am meisten um die Aufklärung der baskischen Sprache verdient gemacht hat. Grammatiken lieferten Blanc (Lyon [* 12] 1854) und van Eys (2. Aufl., Amsterd. 1867); eine Grammatik von Hannemann steht zu erwarten. Wörterbücher veröffentlichten Chaho (Bayonne 1856), Fabre (das. 1870), van Eys (Par. 1873), dem auch die erste »Vergleichende Grammatik der baskischen Dialekte« (das. 1879) verdankt wird; ein baskisch-spanisches Wörterbuch Aizquibel (Tolosa 1882-84, 2 Bde.). Einen wichtigen »Essai sur la langue basque« verfaßte Ribáry (franz. von Vinson, Par. 1877); über das Verhältnis der alten iberischen Sprache zum Baskischen schrieben W. v. Humboldt (1821) und neuerdings, gegen Humboldt polemisierend, van Eys und Vinson (1874).
Vgl. auch Broca, Origine et repartition de la langue basque (Par. 1875).
Die alten iberischen Münzen [* 13] und Inschriften sind noch nicht entziffert. - Die höchst unbedeutende baskische Litteratur besteht größtenteils aus Erbauungsbüchern; außerdem sind einige Liedersammlungen (z. B. »Cancionero basco« von Monterola, 1880) und die meist noch ungedruckten Pastorales zu erwähnen, d. h. ländliche Schauspiele teils geistlichen Inhalts, teils auf die Rolandssage bezüglich, welche die Landleute in den baskischen Dörfern aufzuführen pflegen. Das älteste gedruckte Werk ist eine Gedichtsammlung von 1545, auch ältere Handschriften sind nicht vorhanden.
Vgl. Mahn, Denkmäler der baskischen Sprache (Berl. 1858).
Geschichte. Die Basken
, deren Ursprung in neuester Zeit, namentlich in Frankreich, vielfach erörtert ward, müssen zur Zeit für
die ältesten Bewohner Europas gehalten werden. Sie sind die Nachkommen der Vaskonen, eines Zweigs der
alten Iberer, welche ganz Spanien und das südwestliche Frankreich innehatten, aber von den eingedrungenen Kelten frühzeitig
gegen W. und SW. verdrängt wurden und vermischt mit ihnen die Keltiberer bildeten. Von den Römern, welche (durch Pompejus) 74 v. Chr.
Pompeiopolis (Pamplona) gründeten, wurde das Volk nie vollständig unterjocht, und auch nach dem Untergang
des römischen Reichs bewahrte es sich in seinen Bergen
[* 14] im ganzen seine Unabhängigkeit. Um 580 n. Chr. wurden die Basken
von dem
in Spanien herrschenden Westgotenkönig Leovigild besiegt (der zur Erinnerung an diesen Sieg Victoria,
[* 15] jetzt Vitoria,
gründete) und so hart behandelt, daß ein Teil von ihnen in das südliche Frankreich auswanderte, welches von ihnen den Namen
Gascogne erhielt.
Von Wamba, König der Westgoten (672-681), wurden aber auch diese Ausgewanderten unterworfen. Obgleich sie sodann den Karolingern
Pippin dem Kleinen und Karl d. Gr. sich unterwerfen mußten, nahmen sie doch stets eine
besondere Stellung ein und empörten sich wiederholt, wie sie denn namentlich die Franken 778 im Thal
[* 16] von Roncesvalles überfielen.
Um 920 bildete sich aus dem Baskenland
ein Königreich Navarra (s. d.), welches unter Sancho d. Gr. (970-1035) seine größte
Ausdehnung
[* 17] hatte, dann aber durch Teilung verkleinert wurde und zeitweise von Aragonien und Kastilien abhängig
war.
Nach mehrfachem Wechsel der Dynastie kam Navarra 1494 an das Haus Albret. Ferdinand der Katholische benutzte die Exkommunikation
Johanns III. durch Papst Julius II., um demselben 1512 den spanischen Teil seines Landes oder Obernavarra zu entreißen, so daß
dem Haus Albret nur der französische Teil oder Niedernavarra verblieb, welches Johanna d'Albret durch ihre
Verheiratung mit Anton, dem Vater Heinrichs IV., dem Haus Bourbon zubrachte und ihr Enkel Ludwig XIII. 1620 mit Frankreich vereinigte.
Die in Spanien behielten stets besondere Freiheiten (Fueros), wenn diese auch nicht immer respektiert wurden. Erst 1805 wurden
dieselben beschränkt und 1832 von den Cortes mit gänzlicher Aufhebung bedroht. Dies veranlaßte 1833 den
Aufstand der Basken
gegen die konstitutionelle Regierung in Madrid
[* 18] und ihren Anschluß an Don Karlos. In dem neubeginnenden Bürgerkrieg
fochten 20-25,000 Basken
für den Prätendenten; nur 1837
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mehr
schwankten die in Guipuzcoa und Alava in ihrer Treue. Nach Bestätigung der Fueros durch den Vertrag von Vergara 1840 wurden die
Feindseligkeiten eingestellt. Unter der Regentschaft Esparteros wurden die Fueros der Basken
durch ein Gesetz vom bedeutend
modifiziert und die baskischen Provinzen enger mit Spanien vereinigt. Ein Dekret Esparteros vom setzte
Navarra und die baskischen Provinzen endlich auch in völlige Handelsgemeinschaft mit der übrigen Monarchie durch Aufhebung
der innern Zollschranken und Kontrolllinien am Ebro und an andern Punkten.
Ein Dekret vom stellte zwar in den baskischen Provinzen die alte Verfassung wieder her; doch wurde
diese Konzession nicht streng aufrecht erhalten, und daher standen die Basken
fast beständig in Opposition zur Zentralregierung
in Madrid, wie denn auch die neuesten karlistischen Bewegungen 1872-76 dort ihren Hauptsitz hatten. Nach der Unterdrückung
dieses letzten Aufstandes wurden die Fueros der Basken
durch Gesetz vom wesentlich beschränkt, indem
die Konskription und die Besteuerung wie im übrigen Spanien eingeführt und den drei Provinzen nur eine gewisse administrative
Autonomie und ihre kommunalen Freiheiten gelassen wurden.
Nachdem der Übergang zum neuen Zustand durch zweckmäßige Maßregeln erleichtert worden, fügten sich die Basken.
Vgl. Mazure, Histoire du Béarn et du pays basque (Par. 1839);
Michel, Le pays basque, sa population, sa langue (das. 1857);
Garat, Origines des Basques de France et d'Espagne (das. 1869);
Bladé, Études sur l'origine des Basques (Toulouse [* 20] 1869);
Cénac-Moncaut, Histoire des peuples pyrénéens (3. Aufl., Par. 1874, 4 Bde.).
Vinson, Le Folklore du pays basque (das. 1883).