Basedow
,
Joh. Bernh., eigentlich Joh. Berend Bassedau, auch Bernhard von Nordalbingen, wie er sich oft nannte, Pädagog, geb. zu Hamburg, [* 2] wo sein Vater Perückenmacher war. Nachdem er erst das Johanneum und 1741-44 das Gymnasium daselbst besucht hatte, wo er von Reimarus, dem Wolfenbütteler Fragmentisten, vielfache Anregung erhielt, studierte er 1744-46 in Leipzig [* 3] Philosophie und Theologie. Von 1749 bis 1753 war er Hauslehrer; 1753 wurde er Lehrer an der Ritterakademie zu Sorö, von wo er 1761 wegen heterodoxer Ansichten an das Gymnasium zu Altona [* 4] versetzt wurde.
Hier schrieb er «Philatelie» (2 Bde., Lübeck [* 5] 1703),
«System der gesunden Vernunft» (Lpz. 1765),
wurde jedoch als Irrlehrer erklärt und vom Abendmahle ausgeschlossen. Der Druck solcher Intoleranz, besonders aber das Erscheinen von Rousseaus «Emile» (1762) brachte ihn auf den Gedanken, der Reformator des Erziehungswesens zu werden. Begeistert von Rousseaus Gedanken und mit den Anschauungen des Comenius vertraut, schrieb er das «Methodenbuch für Väter und Mütter der Familien und Völker» (Lpz. 1773) und trat 1768 mit seiner «Vorstellung an Menschenfreunde und vermögende Männer, über Schulen, Studien und ihren Einfluß auf die öffentliche Wohlfahrt» hervor, worin er zugleich den Plan eines pädagogischen Elementarwerks vorlegte, das «ein Abc-Buch der realen und nominalen menschlichen Erkenntnis» werden sollte.
Die in dem
Plane entwickelten Ideen fanden lebendiges Interesse und eine Geldunterstützung von 15000 Thlrn. 1774 erschien
das «Elementarwerk» (4 Bde.
mit 100 meist Chodowieckischen Kupfern) mit einer franz.
Übersetzung (von Huber) und einer lateinischen (von Mangelsdorf).
Fürst
Leopold
Friedrich
Franz von
Dessau
[* 6] berief Basedow
1771 nach
Dessau, wo er 1774 das Philanthro
pinum errichtete, eine
Pensionsanstalt für
Zöglinge vom 6. bis zum 18. Jahre, die in deutscher, franz., lat.
und griech.
Sprache,
[* 7] «in allen
Studien der gesitteten
Stände, auch in allen schulmäßigen und gymnasienmäßigen
Studien, bis
an die Geschicklichkeiten zu den höhern
Fakultäten» unterwiesen wurden.
Die
Begeisterung für B.s Unternehmen, «das nicht katholisch, lutherisch oder
reformiert, aber christlich» sein sollte, und bei dem «die Lehrbücher
frei von theologisierenden
Entscheidungen für das Christliche wider
Juden, Mohammedaner,
Deisten und wider
die sog. Dissidenten, welche an einigen Orten
Ketzer heißen», war groß. Eine Anzahl ähnlicher Anstalten wurden gegründet
(z. B. das Philanthropin
zu Marschlins von
Ulysses von Salis, das Philanthropin
zu Heidesheim, die Rudolphsche
Töchterschule
bei
Hamburg und die Salzmannsche
Stiftung in Schnepfenthal). in vielfache Streitigkeiten mit seinen Mitarbeitern,
deren bedeutendster
Wolke war, verwickelt, legte 1776
die Leitung der Anstalt, die von Anfang an gekränkelt batte, nieder,
lebte seitdem bald in
Dessau, bald in
Leipzig,
Halle
[* 8] und
Magdeburg,
[* 9] unermüdlich für seine Ideen thätig, und starb zu
Magdeburg.
Basedow
war ein leidenschaftlicher
Geist, energisch und kühn im Reden und Schreiben, mehr angelegt zum Zerstören als zum
Aufbauen,
hat jedoch das unbestreitbare Verdienst, daß er die Mängel der damaligen Erziehung, welche die körperliche
Entwicklung
ganz vernachlässigte, die Muttersprache und die Realien gar nicht als Unterrichtsgegenstände in Betracht zog
und sich überhaupt nicht mit
Bewußtsein von sachgemäßen methodischen Grundsätzen leiten ließ, sondern in einem überlieferten
Mechanismus verloren hatte, ohne Schonung aufdeckte. Ebenso ist es sein Verdienst, daß durch seine Wirksamkeit neben den
alten auch die neuern
Sprachen Lehrgegenstände in den Schulen wurden. -
Vgl. (Rathmann) Beiträge zur Lebensgeschichte und zum Charakter B.s (Magdeb. 1791);
Meyer, Leben, Charakter und Schriften B.s (2 Bde., Hamb. 1791-92);
Schilling, Die Pädagogik B.s (Eisenach [* 10] 1882);
Hahn, [* 11] und sein Verhältnis zu Rousseau (Lpz. 1885);
Pinloche, B et le philantropisme (Par. 1889).