Baschkiren
(richtiger Baschkurten, »Bienenführer«),
ein zur uralisch-altaischen
Gruppe der
Mongolen gehöriges tatarisches
Volk im europäischen Rußland. Die Baschkiren
hatten zu jenem Teil der
Bulgaren gehört, der sich der
Oberhoheit der
Chasaren entzog, nach W. ging und später das ungarische
Reich gründete. Sie selbst waren jedoch am
Ural geblieben, Mohammedaner
geworden und hatten sich schließlich tatarisiert, so daß
Sitten, Lebensweise und
Kleidung ganz tatarisch sind. Nach der Zerstörung
des Chanats von
Kasan
[* 2] begaben sie sich unter russischen
Schutz, versuchten denselben jedoch in mehreren
Aufständen wieder abzuschütteln, was ihre völlige Unterwerfung und kosakenartige
Formation zu dem sogen. Baschkirenheer
zu
Folge hatte.
Nach dem Pugatschewschen
Aufstand, an welchem sie sich beteiligt, sind sie ein ruhiges, träges, sorgloses
Volk geworden, das
nur noch wegen seiner Pferdediebstähle von den Nachbarn gefürchtet wird. Die militärische
Organisation der
Baschkiren
ist in der letzten Zeit aufgehoben,
und sie sind dem russischen Bauernstand einverleibt worden. Sie wohnen, 757,300
Seelen
stark, meist im
Gouvernement
Ufa, dann in
Orenburg, weniger in
Perm,
Samara und
Wjatka und befinden sich im Übergang vom
Nomaden-
zum seßhaften
Leben.
Dem Äußern nach gleichen sie den Tataren. Sie haben ein plattes Gesicht [* 3] mit großen Ohren und schwachem Bart und einen untersetzten, kräftigen Gliederbau. Unter den Weibern und Mädchen finden sich manche hübsche Gesichter, nur sind sie oft entstellt durch Pocken und syphilitische Krankheiten. Ihr Unterricht beschränkt sich auf Lesen und Erlernung einiger religiöser Sätze. Ihre Sprache [* 4] ist ein besonderer Dialekt des Tatarischen. Sie bekennen sich zum Islam und sind Sunniten; ihre Mollas (Priester) stehen unter dem in Ufa residierenden Mufti.
Lieblingsbeschäftigung der Baschkiren
ist die
Jagd, zu der sie sich nicht nur der
Hunde,
[* 5] einer Art ausgearteter Windspiele, sondern
auch äußerst geschickt abgerichteter
Geier
(Falco fulvus) bedienen. Ihr Hauptreichtum besteht aber in
den
Herden. Durch die trefflichen Grasungen ihres Gebiets selbst darauf hingewiesen, ist ihnen die
Pferdezucht
[* 6] das Wichtigste.
Sie erhalten dadurch
Zug- und Lasttiere,
Milch und eßbares
Fleisch; die
Häute geben ihnen
Kleidung und
Schläuche
(Gefäße),
die
Haare
[* 7]
Decken,
Stricke und ähnliche Bedürfnisse des
Haushalts.
Selbst ein gemeiner Baschkir hält selten unter 30 Pferde, [* 8] wohlhabendere bis 500, und bei den reichsten zählt man 1000, ja 2000 Stück. Daneben ziehen sie auch Rindvieh, Kamele [* 9] und Schafe, [* 10] gewöhnlich Fettschwänze, und sind besonders vorzügliche Bienenwirte. Ihre sehr eigentümliche Bienenzucht [* 11] beschäftigt sich großenteils mit den Waldbienen, und sie treiben dieselbe so stark, daß sie außer ihren Bienengärten mehrere Hundert, ja bis 1000 wilde Bienenstöcke in den Waldungen haben.
Den
Winter verleben die Baschkiren
großenteils in ihren Dörfern, aber mit Anbruch des
Frühlings ziehen sie mit ihren
Pferden und
Schafherden hinab in die grasreichen
Ebenen, wo sie teils in mitgeführten Filzzelten (Kibitken),
in
Hütten
[* 12] aus
Stangen und
Baumrinde (Alassiks), teils in einem aus
Balken gezimmerten Sommerhaus
(Ui) leben. Die meiste
Arbeit fällt den
Frauen zu. Diese warten und melken die
Kühe und Stuten, bereiten aus gegorner Stutenmilch den sogen.
Kumys, das Lieblingsgetränk
der Baschkiren
, ebenso die Hauptnahrung, den Krut, einen trocknen, steinharten, sauren
Käse; sie gerben
Häute
und
Felle, nähen
Kleider und
Stiefel; nach der Rückkehr vom
Auszug bessern
sie den
Ofen aus, überziehen die
Fenster mit
Blase,
richten
Grütze und
Hanf zu, spinnen
Wolle, fertigen
Tuch,
Handschuhe,
Kaftane, gerben
Schaffelle und walken
Filze für die Kibitken.
Die
Kleidung, mit der die Baschkiren
gern prunken, und die sie oft fünfmal des
Tags wechseln, besteht bei den
Männern in einem weiten blauen oder roten
Kaftan von
Nanking oder
Tuch, aus
Pantalons, einem
Gürtel
[* 13] und einer hohen
Filz- oder
Pelzmütze in Kegelform mit aufwärts abstehendem
Rand. Bei ihren Winterpelzen, gewöhnlich von Pferdehäuten,
lassen sie die
Mähne längs des
Rückens hinabfliegen, was ihnen ein seltsames Ansehen gibt. Die
Weiber tragen einen langen
Kaftan aus
Seide
[* 14] oder
Nanking, mit bunten
Lappen und Silbermünzen besetzt.
Ihr gewöhnlicher Kopfputz ist das Kaschbid, ein dicht mit roten Glasperlen,
Korallen
[* 15] etc. belegtes Mützchen. Die Mädchen
gehen mit bloßem
Haar.
[* 16] Die
Gebräuche sind tatarisch; ihre
Toten begraben sie nicht auf gemeinschaftlichen
Friedhöfen, sondern an vereinzelten
Plätzen, welche die Sterbenden selbst erwählen. Zu den Kunstfertigkeiten dieses
Volks
gehört das
Spiel auf einer
Flöte mit vier Löchern, wobei die Spielenden die
Melodie mit einem in der
Kehle gebildeten
Grundton
begleiten. Als
Krieger sind die Baschkiren
mittelmäßig, aber ausgezeichnete
Reiter; ihr größtes
Vergnügen sind
Pferderennen.
Ihre gewöhnlichen
Waffen
[* 17] sind
Pike und
Bogen.
[* 18]
Vgl.
Ujfalvy, Über Baschkiren
etc.
(»Russische
[* 19]
Revue« 1877, Heft 11).
Geschichtliches. Die ein ursprünglich finnisches
Volk, standen seit dem 13. Jahrh. unter der Herrschaft der
Tataren von
Kasan;
als 1552 der furchtbare
Iwan
Kasan unterwarf, erkannten bald nachher (1556) die Baschkiren
freiwillig seine Oberherrschaft
an und erhielten die von ihnen besetzten Ländereien zum
Geschenk. Die Baschkiren
mußten den
Russen
Tribut (Jassak) im
Winter auf
Schneeschuhen
bis nach
Kasan bringen, wo sie unentgeltlich
Salz
[* 20] aus den permischen
Salzsolen erhielten.
Das Salzgeschenk wie die Entrichtung des
Zinses hörten 1574 auf. Zum
Schutz gegen räuberische Anfälle
wurde auf Bitte der Baschkiren
selbst
Ufa, jetzt Gouvernementsstadt, 1574 von dem
Bojaren Nagoi gegründet, das die bedrängten Baschkiren
oftmals
in seine
Mauern aufnahm. Ihrerseits aber unternahmen die Baschkiren
, bisweilen im
Verein mit den
Kirgisen, Raubzüge.
Die Baschkiren
wurden eingeteilt nach den vier Hauptwegen aus
Ufa: in Baschkiren
des sibirischen, kasanschen, ossinischen (nach
Ossa) und nogaischen
Wegs.
Mehrmalige
Aufstände derselben wurden von den
Russen unterdrückt. Erwähnenswert ist besonders die Rebellion der Baschkiren
1707,
bei welcher die
Tataren und
Tscheremissen zu den Baschkiren
stießen und mit ihnen
Kasan bedrohten. Zu dem letzten
und bedeutendsten
Aufstand, welcher fast sechs Jahre währte, gab die den Baschkiren verdächtige
Gründung
Orenburgs (1734) Veranlassung.
Während desselben kamen viele
Tausende von ihnen um. Die unterworfenen Baschkiren entrichteten fortan 25
Kopeken vom
Hof
[* 21] oder von der
Kibitke, wogegen sie in
Orenburg
Salz erhalten sollten. Außerdem mußten sie auf Verlangen
Truppen für
den Liniendienst stellen. 1754 ward ihnen das Salzgeschenk abermals entzogen, aber auch jede
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mehr
direkte Steuer und Abgabe erlassen, die Besorgung der Landespost auferlegt und sie insgesamt gezwungen, auf eigne Kosten sich zu innerm und äußerm Kriegsdienst zu stellen. Die Folge war, daß 20,000 Baschkiren auswanderten. An dem Aufstand Pugatschews nahmen viele Baschkiren teil. Infolge endloser Eigentumsprozesse wurde 1818 aller Verkauf von Baschkirenländereien untersagt, bis der kaiserliche Ukas vom (besonders im Hinblick auf die bisher tot gelegenen unterirdischen Schätze) das Verbot wieder aufhob, zugleich aber das unmündige Volk unter die Vormundschaft des Kriegsgouverneurs stellte, ohne dessen Genehmigung kein Stück Land verkauft oder verpachtet werden darf.