Bartgeier,
eine Gattung der Raubvögel, welche den Übergang von den Geiern zu den Adlern bildet und sich von den erstern durch den dichtbefiederten Kopf und Hals, von den letztern durch den an der Wurzel geraden, vorn gewölbten und an der Spitze stark hakig gebogenen Schnabel unterscheidet. Die spaltförmigen Nasenlöcher sind mit steifen, vorwärts gerichteten Borsten überdeckt, und am Grunde des Unterkiefers steht ein Büschel von Federborsten (Bart). Der gewöhnliche Bartgeier, Geieradler oder Lämmergeier (Gypaëtus barbatus L., s. Tafel: Geier, [* 1] Fig. 1), lebt in allen höchsten Gebirgen der Alten Welt, in den Pyrenäen, dem Balkan und Kaukasus, dem Sinai, Altai und Himalaja, dem Atlas und in Abessinien.
Auch in den Alpen war er früher weit verbreitet, ist dort aber jetzt vollständig ausgerottet. Er ist der größte Raubvogel der Alten Welt, 1,25 m hoch und hat eine Flugbreite von über 3 m. Die Oberseite des Körpers ist glänzend braunschwarz, mit weißem Schaftstrich an jeder Feder, der Kopf weißlich mit schwarzem Augenstreifen; Hals und Unterseite sind rostgelb. Seine Krallen sind weit schwächer als an manchem ungleich kleinern Raubvogel; nur sehr selten geht er auf größere Beute aus, und die Jagdgeschichten vom Wegführen von Lämmern und Kindern scheinen sich wesentlich auf den Steinadler zu beziehen, wenn auch einzelne Fälle seiner Dreistigkeit beglaubigt sind.
In der Gefangenschaft wird er sehr zahm. Er lebt von frisch getöteten kleinern Säugetieren, im Süden auch von Schildkröten, rührt Vögel nicht an, nährt sich aber hauptsächlich von Aas. Die ältern Bartgeier verschlucken große Knochenstücke und scheinen die Knochen größerer Tiere aus der Höhe auf Felsen herabfallen zu lassen, um sie zu zerbrechen und zu verschlingen. Das auf den unzugänglichsten Felsen angelegte Nest enthält 1, selten 2 schmutzigweiße, glanzlose Eier. Die Legezeit fällt in Europa von Ende Dezember bis in den März. Die Jungen bleiben bis gegen den Herbst im Neste und werden mit frischer Beute gefüttert. Die Bartgeier, die man in den zoolog. Gärten antrifft, stammen meist aus den Pyrenäen und werden mit 300–400 M. das Stück bezahlt. Um sie lange am Leben zu erhalten, muß man ihnen stets viel Knochen und Abfälle von Fellen neben dem Pferdefleisch geben, wenn man nicht mit kleinen Säugetieren füttern kann.