Titel
Barcelona.
[* 2]
1)
Provinz im Königreich
Spanien
[* 3] in
Catalonien, grenzt im N. an die
Provinz Gerona, im
W. an Lerida, im
SW.
an
Tarragona, im W. und O. an das
Meer, hat 7690 qkm, (1887) 902970 (442718 männl., 460252 weibl.)
E.,
d. i. 117 auf 1 qkm, darunter 7408
Ausländer; von den Bewohnern können 515165 nicht lesen. Barcelona
ist
die bevölkertste, bestangebaute, gewerbthätigste und wohlhabendste
Provinz des
Staates, mit vielen blühenden Industriezweigen,
namentlich
Baumwollspinnereien und
Webereien,
Tuch- und Papierfabriken, Eisengießereien u. a. Metallindustrien. Die
Provinz
hat viele Mineralquellen,
Steinsalz,
Kohlen u. a. wertvolle
Mineralien,
[* 4] erzeugt
Wein, Öl, Obst und sonstige landwirtschaftliche
Produkte, zum
Teil im Überfluß. Die
Ausläufer der Pyrenäen erreichen hier noch 12-1600 m Höhe; doch
ist ihr vom Llobregat durchflossenes Gebiet vorwiegend Hügelland. Die
Provinz zerfällt in 14 Gerichtsbezirke.
2) Hauptstadt (Ciudad) von
Catalonien sowie von der
Provinz Barcelona
, eine der größten und nach Madrid
[* 5] die volkreichste Stadt
Spaniens,
Waffen-,
Hafen-,
Handels- und Fabrikstadt ersten Ranges.
[* 1] ^[Abb.]
Lage, Bauten und Anstalten. Die Stadt liegt 41° 22' nördl.
Br. Und 2° 11' östl. L. von Greenwich, an den
Eisenbahnlinien
Barcelona
-Franz. Grenze (166 km),
Tarragona-Martorell-Barcelona (101,7 km), Barcelona
-Lerida (183 km), Sarria-Barcelona (5 km) und
Valls-Villanueva y Geltru
(Barcelona
) (97 km), zwischen der Mündung des Llobregat und Besos an der Mittelmeerküste, die
hier mit einer vorspringenden Halbinsel eine geräumige Hafenbucht bildet, in einer gut angebauten, mit Landhäusern
(Torres)
dicht besäten, von einer mit
Wein und
Wald bedeckten Hügelkette umschlossenen Ebene, am nördl. Fuße eines 191 m hohen,
schroffen Felsenbergs.
Das diesen krönende, für uneinnehmbar geltende
Fort Monjuich
(Mons
[* 6] Jovis) und die befestigte Atarazanas
(ehemals
Arsenal) beherrschen Stadt und
Hafen. Die mittlere
Temperatur ist 17° C., das Maximum 31, das Minimum 2° C. Die Wasserleitungen
führen aus den
Bergen
[* 7] eine Fülle von Wasser herzu. Barcelona
zählte (1887) 272481 E. und (1888)
mit ihren Vorstädten
(Gracia,
San Martin de Provoncals,
San
Andrés, del Palomar, Hostafranchs,
Barceloneta
u. s. w.) gegen 450000 E. Nach Madrid und
Cadiz
[* 8] ist Barcelona
die schönste Stadt
Spaniens und hat ein modernes Ansehen.
Die innere Stadt ist ziemlich regelmäßig gebaut, hat Häuser von vier bis fünf
Stockwerken mit zahlreichen
Balkons, gut
gepflasterte
Straßen und Gasbeleuchtung. Sie zerfällt in 10
Barrios. Die 1120 m lange
Rambla, der große
Boulevard von Barcelona
, die schönste, breiteste und belebteste Verkehrsader bei
Tag und Nacht, teilt sie von
Süd nach Nord in zwei
ungleiche
Teile, La Ribera zur
Rechten gegen das
Meer und Arrabal zur Linken; sie beginnt an der Plaza de la Paz
mit dem Columbusdenkmal an:
Hafen und steigt allmählich zu ihrem andern Ende, der Plaza de Cataluña, empor. Hier
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schließen sich der prächtige 2 km lange Paseo de Gracia (nach der 45042 E. zählenden Vorstadt Gracia) u. a. von Platanenreihen beschattete neuere Straßen an. Zu den Sehenswürdigkeiten gehört ferner der herrliche Stadtpark auf der Ostseite und an Stelle des ehemaligen Kastells, wo auch 1888 die große Industrieausstellung stattfand, sodann die zwar enge, aber mit prächtigen Läden geschmückte Calle de Fernando, welche von der Rambla an die Ribera in östl. Richtung durchzieht.
Die wichtigsten Gebäude B.s sind die got. Kathedrale (La Seu) aus dem 13. Jahrh., mit drei Schiffen und vielen Kunstwerken;
die noch ältere, mit Mohrenköpfen verzierte, got. Kirche Sta. Maria del Mar mit 3 von 5 Reihen schlanker
Säulen
[* 10] getragenen Schiffen, der Palast der alten Grafen von Barcelona
, die Börse (Lonja), das Columbusdenkmal am Hafen u. s. w. In der
Nähe von Barcelona
das berühmte Benediktinerkloster Montserrat (s. d.).
Die 1752 unter dem Marquis Mina angelegte Vorstadt Barceloneta, mit schnurgeraden, sich rechtwinklig schneidenden
Straßen, zwei großen Kasernen, vielen Magazinen und schöner Kirche, liegt auf der den Hafen bildenden Halbinsel und wird von
Schiffswerkleuten, Matrosen und Fischern bewohnt. Barcelona ist Sitz des Generalkapitäns von Katalonien, eines Bischofs und eines
Obergerichts und hat 1 Dom-, 1 Kollegiat-, 82 Pfarr- u. a. Kirchen, 18 Nonnenklöster.
Die meisten der 28 Mönchsklöster sind teils niedergerissen, teils zu Unterrichtsanstalten, Spitälern, Kasernen u. s. w. verwendet worden. Außer einer großen Anzahl Humanitätsanstalten hat die Stadt 1 Zucht- und Korrektionshaus, mehrere kleine und 2 Haupttheater, darunter das schöne 4000 Personen fassende Opernhaus und einen Stiergefechtcirkus. Die Universität wurde vom Magistrat gegründet und von Alfons V. von Aragonien bestätigt, 1544 ein neues Gebäude eröffnet; seit 1576 lehrten die Jesuiten Grammatik und Rhetorik. 1714 wurde sie nach Cervera verlegt bis auf die mediz.
Fächer, [* 11] 1837 wieder in Barcelona eröffnet und 1857 neu organisiert. Sie hat eine philos., jurist., mathem.-naturwissenschaftliche, mediz. und pharmaceut. Fakultät, 50 Docenten und (1893) 1887 Hörer. Ferner bestehen ein botan. Garten, [* 12] eine von der Junta de Comercio unterhaltene Handelsschule (2000 Schüler), Gelehrtenschule, Notariats- und Schiffahrtsschule, 1 Priesterseminar, 4 Akademien, die Provinzial- und Universitätsbibliothek (52000 Bände) und das große königl. Archiv der Krone Aragonien (15000 Bände, 80000 Briefe).
Industrie, Handel und Verkehr. Barcelona ist der Mittelpunkt der Industrie Kataloniens. Der Hauptzweig ist die Verarbeitung von Baumwolle [* 13] (jährlich 250000 Ballen). Außerdem bestehen 1400 Webstühle [* 14] für Seide, [* 15] etwa 2000 für Schafwolle, große Maschinenfabriken, Eisengießereien, Fabriken für Papier, Glas, [* 16] Steingut, Seifen, chem. Präparate u. s. w., Mahl- und Schneidemühlen, Färbereien, Druckereien und Gerbereien. - Schon im Mittelalter war ein Hauptplatz für den Handel im Mittelmeere.
Hier wurde 1258 das älteste Handels- und Seegesetzbuch verfaßt. (Vgl. Capmany, Memorias historicas sobre la marina, comercio y artes de Barcelona, 4 Bde., Madr. 1779-92, und Codigo de las costumbres maritimas de Barcelona, 2 Bde., ebd. 1791.) Jetzt ist es der wichtigste Hafen und Handelsplatz von ganz Spanien und steht in Dampfschiffverbindung mit Genua, [* 17] Marseille, [* 18] Cadiz, Marokko, [* 19] Lissabon, [* 20] Liverpool, [* 21] Hamburg, [* 22] Rio [* 23] de Janeiro, Cuba und Buenos-Aires. 1888 verkehrten im Hafen 2760 Schiffe [* 24] mit einem Gehalte von 2321288 t. Der Küstenhandel beschäftigt 3900 Schiffe von 1621642 t. Die Ausfuhr besteht, außer den Manufakturartikeln aller Art, vor allem in catalon.
Rotwein, besonders nach Südamerika, [* 25] Südfrüchten und Branntwein; die Einfuhr in franz., engl. und ital. Fabrikwaren, Getreide [* 26] aus Rußland, den Vereinigten Staaten [* 27] von Amerika [* 28] und der Türkei, [* 29] Bauholz aus der Ostsee, schwed. Eisen, [* 30] Hanf aus Riga, [* 31] Petersburg [* 32] und Marokko, Leinen, Kupfer- und Eisendraht aus Deutschland, [* 33] aus transatlantischen Häfen besonders Rohstoffe, Baumwolle, Häute, Reis, Kaffee und Kakao, Steinkohlen aus England und Frankreich, Gaskohlen aus Australien. [* 34]
Der Wert der Einfuhr 1887 betrug 284504906 Pesetas, der der Ausfuhr 239879966 Pesetas. Barcelona besitzt nach Madrid die wichtigste Bank Spaniens und 14 Assekuranzgesellschaften. In Barcelona sind vertreten, durch Generalkonsuln: Argentinien, Columbia, [* 35] das Deutsche Reich, [* 36] Frankreich, Hawaii, Italien, [* 37] Mexiko, [* 38] Österreich-Ungarn, [* 39] Salvador, [* 40] Schweden [* 41] und Norwegen, die Türkei und Venezuela; [* 42]
durch Konsuln: Belgien, [* 43] Bolivia, [* 44] Brasilien, [* 45] Dänemark, [* 46] die Dominikanische Republik, Griechenland, [* 47] Großbritannien, [* 48] Guatemala, [* 49] Honduras, [* 50] Liberia, [* 51] Monaco, [* 52] Niederlande, [* 53] Nicaragua, [* 54] Paraguay, Portugal, Rußland, die Schweiz, [* 55] Uruguay und die Vereinigten Staaten.
Geschichtliches. Die Stadt Barcino, eine phöniz. Gründung, als röm. Kolonie Colonia Faventia Julia Augusta Pia Barcino genannt, kommt schon im 4. Jahrh. n. Chr. unter dem Namen Barcelona vor, hieß aber im Mittelalter gewöhnlich Barcinona (Barchinona), bei den Arabern Barschaluna. Barcelona wurde 415 von den Westgoten unter Athaulf erobert, fiel im 8. Jahrh, in arab. Hände, denen sie 801 Ludwig der Fromme wieder entriß, der sie zur Hauptstadt der Fränkischen Mark machte. Dann gelangte sie 874 in die Hände franz. Grafen, unter deren Herrschaft sie aufblühte, bis sie 985 von Anhängern Almansors, des gefürchteten Ministers von Hischâm II. in Cordoba [* 56] erobert und zerstört wurde.
Nach ihrer Rückeroberung durch Graf de Borrell I. blühte sie bald unter dem Einfluß guter Gesetze und wertvoller Privilegien wieder auf. Durch die Vermählung des Grafen Raimund Berengar IV. mit der Erbtochter Ramiros II. von Aragonien wurde 1137 und ganz Catalonien mit diesem Königreich vereinigt. Der span. Herrschaft müde, unterwarf sich die Stadt mit Catalonien 1640 dem König von Frankreich. Gezwungen kehrte sie 1652 zum Gehorsam gegen Spanien zurück, ward indes 1697 von den Franzosen wiedererobert, jedoch im Ryswijker Frieden an Spanien zurückgegeben. Im spanischen Erbfolgekriege schlug sich Barcelona auf die Seite des Erzherzogs Karl.
Von Philipps V. Truppen unter dem Herzog von Berwick 1714 belagert, mußte es sich indes nach hartnäckigem Widerstände ergeben. Am ward es von den Franzosen unter dem General Duhesme durch Überrumpelung genommen und blieb im Besitz derselben bis 1814. Große Verheerungen richtete 1821 in Barcelona das Gelbe Fieber an. Nach Unterdrückung des karlistischen Aufstandes der Agraviados hatte es gleich Catalonien seit 1827 die blutige Strenge des Grafen d'España zu erdulden. Der span. Bürgerkrieg der folgenden Zeit zog auch in seine Greuel durch Volksaufstände und Empörungen; namentlich 1835 und 1836, wobei eine republikanische Richtung ¶
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hervortrat. Auch 1840 war die Stadt der Schauplatz einer bedeutenden Krisis, die mit der Regentschaftsübernahme durch Espartero endete; 1841 und 1842 kam es zu neuen Aufständen, teilweise wegen Einführung der Konskription (Quinta). In letztern wurden die Truppen vorübergehend auf das Fort Monjuich beschränkt, und erst ein Bombardement konnte die Insurgenten zur Übergabe zwingen. Denselben Verlauf nahm der Aufstand von 1843. Im J. 1854 wurde die Revolution O'Donnells in Madrid durch eine gleichzeitige Bewegung in Barcelona unterstützt, die aber ohne Blutvergießen verlief, da sich Truppen und Behörden derselben anschlossen. Dagegen mußte ein Progressistenaufstand, der infolge des O'Donnellschen Staatsstreichs ausbrach, 1856 blutig niedergeworfen werden. Seitdem wurde die Ruhe B.s nicht mehr dauernd gestört; bei den neuern Bewegungen in Spanien stand die Bevölkerung durchweg auf liberaler Seite. Im Jan. 1874 traten föderalistische Neigungen stark hervor und veranlaßten Unruhen, die aber sehr bald unterdrückt wurden.