diejenige epische
Dichtung, welche der dramatischen, wie die ihr verwandte
Romanze (s. d.) der lyrischen
Poesie am nächsten
steht. Dieselbe entstand in
Italien
[* 2] und
Frankreich ursprünglich als »Tanzlied« (daher ihr
Name),
das die
im
Tanz pantomimisch dargestellte
Handlung (meist Liebeshandlung) mit
Worten begleitete. In
England und
Schottland erscheint sie
als dramatisiertes oder dialogisiertes »Heldenlied«, das eine Begebenheit
aus der Vergangenheit als gegenwärtig und eben vor sich gehend darstellt. Von der letztern
Gattung sind die sogen. »Border-ballads«,
welche
Kämpfe und Ereignisse aus der Grenzmark zwischen
England und
Schottland besingen, später von
Percy
(1765) u. a. gesammelt und zum Teil durch
Herder
(»DeinSchwert, wie ist's von
Blut so rot,
Edward?«) dem deutschen
Volk zugänglich
gemacht wurden.
Aus diesen ist gegen das Ende des 18. Jahrh. die moderne deutsche Ballade herausgewachsen,
welche in
Goethe
(»Erlkönig«, »Was hör' ich draußen vor dem
Thor?«),
(frz.; ital. Ballata, von ballare, tanzen),
bei den südroman. Völkern seit etwa dem 12. Jahrh. Bezeichnung eines kürzern lyrischen
Gedichts, das aus 3 oder 4, meist 8-, 10- oder 12zeiligen Strophen nebst Refrain bestand, in der Regel Liebesklagen zum Inhalt
hatte und ursprünglich zur Begleitung des Tanzes gesungen wurde. In Italien dichtete z. B. Petrarca derartige Ballade. Auch
in Frankreich waren als Ballade ähnliche kleine lyrische Dichtungen, die in der Regel aus 3 Strophen mit Refrain bestanden, bis zur
Zeit Ludwigs XIV. sehr beliebt. Von Frankreich aus kam das Wort
¶
mehr
nach England und Schottland und wurde hier als Bezeichnung für die zahlreichen lyrisch-epischen Volkslieder verwendet, die
meist Stoffe des Heldentums (am berühmtesten «Chevy Chase» und die Ballade von Robin Hood),
oft dialogisiert, behandelten; sie wurden
zuerst von Percy als «Reliques of ancient English poetry» (1765; neue Ausg.
von A. Schröer, I, Heilbr. 1889) gesammelt und übten auf die engl.
und deutsche Litteratur des 18. Jahrh, einen tiefgehenden Einfluß aus (vgl. die große Sammlung
von Child, The English and Scottish popular ballads, 6 Bde.,
Bost. 1383 fg.). Infolgedessen wird das Wort in Deutschland
[* 4] von Dichtungen gebraucht, die im Tone der alten
engl. und schott. Volkslieder gehalten sind.
In der Ballade überwiegt im Gegensatze zu der mehr lyrischen Romanze (s. d.) das epische Element. Klassische Beispiele für neuenglische
Ballade sind Goldsmiths «Edwin and Angelina» und S. T. Coleridges «Ancient Mariner». Die deutsche Ballade pflegten
mit Geschick Bürger, der sie eigentlich erst der englischen nachbildete (vgl. Bonet-Maury,
A. Bürger et les origines anglaise de la ballade littéraire en Allemagne, Par. 1889),
Goethe, Schiller, dann namentlich Uhland
und Heine. Die ausführlichste Sammlung bietet Hub, «Deutschlands
[* 5] Balladen und Romanzendichter von G. A. Bürger bis auf die
neueste Zeit» (3 Bde., Karlsr.
1845-47 u. ö.);
außerdem «Ballade deutscher Dichter von Bürger bis zur Gegenwart», hg. von Hellinghaus (Münst.
1889);
«Balladenbuch. Die schönsten deutschen Ballade, Romanzen, Stimmen der Sage und Geschichte, Poet. Erzählungen», hg. von Krais
(Lpz. 1889);
«Romanzen und Ballade», hg. von Buchheim (Lond. 1891).
In der Musik ist die ein in erzählendem Tone gehaltenes Gesangstück für eine Singstimme mit Klavier- oder Orchesterbegleitung
(selten für Soli, Chöre u. s. w.). Entsprechend der knappen und lebhaft gedrängten Form der rein dichterischen
Ballade muß auch die musikalische gestaltet sein; scharfer dramat. Ausdruck, im einzelnen treu charakterisierende Begleitung und
durchkomponierte Form (im Gegensatz, zur Liedform) sind ihre wesentlichen Merkmale. Bekannte Balladenkomponisten sind J. André
der Ältere (Bürgers «Lenore»),
der seinen obengenannten dichterischen
Genossen als Balladenkünstler gleichsteht. Als Muster der Stilbehandlung sowie kongenialer Erfassung der Dichtung gilt mit
RechtSchuberts«Erlkönig». Schumann komponierte Ballade von Uhland und Geibel für Soli, Chöre und Orchester (0p. 116, 139, 110, 143).
Ganz gesondert von dichterischer Unterlage erscheint die auch in reiner Instrumentalmusik und muß hier,
dem Wesen ihrer Entstehung gemäß, der Programmmusik zugerechnet werden. Dahin gehören Klavier- (z. B. von Chopin), Violin-
und Orchesterballaden (Liszt, Brahms, Rubinstein).
Vgl. W. Chappell, Popular music of the olden times (2 Bde., Lond.
1865);
Chrysander in «Jahrbücher für musikalische Wissenschaft»,
I (Lpz. 1863);
Bach, The art ballad, Loewe and Schubert (3. Ausg.. Lond. 1891).