Balkan
,
türk.
Wort für
»Gebirge«, speziell gebraucht für das im
Altertum
Hämos genannte große
Gebirge der europäischen Türkei,
[* 2] welches vom
Timok an, in der
Richtung von W. nach O., über 340 km bis an das
Schwarze Meer
sich erstreckt (s.
»Karte der Balkan
länder« beim Art.
»Türkisches Reich«). Er scheidet
Bulgarien
[* 3] von
Thrakien
(Rumelien) und
bildet von 23⅓° östl. L. v. Gr.
an die
Wasserscheide zwischen dem Ägeischen
Meer und der
Donau. Nach N. fließen von ihm zur
Donau:
Lom, Ogust,
Wid,
Osma,
Jantra,
zum
Schwarzen
Meer der
Kamtschyk, nach S. zur
Maritza die Topolnitza, Giopsa,
Tundscha, nach W. Zuflüsse der Nischawa und der
Timok.
Die früher in
Europa
[* 4] auf einzelne Teile der
Kette angewandte Bezeichnung Chodschabalkan
(türkisch) und
Stara Planina (bulgarisch), d. h. altes
Gebirge, wird von den Landesbewohnern für das ganze
Gebirge vom
Timok bis zum
Schwarzen
Meer gebraucht, welches in drei Teile zerfällt: den
Osten vom
Vorgebirge
Emine Burnu bis zur Stadt Sliven (26⅓° östl. L. v. Gr.),
den Zentralbalkan
von Sliven bis zum Iskerdurchbruch und den Westbalkan
vom
Isker bis zum
Timok, der serbischen
Grenze.
Die früher gebräuchliche Bezeichnung des Balkans
als eines
Gebirges »mit einseitigem südlichen Steilabfall und allmählicher
Abdachung zur
Donau gegen N.« ist
nur für den Zentralbalkan
berechtigt, nicht aber für den
Osten und
Westen.
Letzterer ist
vielmehr auf der
Strecke vom Iskerdurchbruch bis
Pirot in mehrere Parallelzweige geteilt, welche die oft ziemlich breiten Längsthäler
der Iskretz und der Temska einschließen, und sein steilerer
Abfall ist der nördliche;
Gleiches gilt von dem vierfach gespaltenen
Ostbalkan.
Diese Dreiteilung wird auch durch den geologischen
Bau gerechtfertigt. Nur im kristallinisch-paläozoischen
Zentralbalkan
, wo die
Hebung
[* 5] des
Gebirges am stärksten war, besteht auch der südliche Steilabfall durchweg aus kristallinischen
Gesteinen. Im Westbalkan
, der fast ebenso hoch ist, und dessen Gipfel ebenfalls aus
Porphyr,
Granit,
Gneis,
Glimmerschiefer und
andern kristallinischen
Gesteinen zusammengesetzt sind, bedecken sekundäre und tertiäre
Formationen an vielen
Stellen des
Südabfalls das Grundgebirge, während im niedrigen Ostbalkan
, dessen sanfte
Höhen von horizontalen Kreideschichten
gebildet werden, mit denselben abwechselnd am Südabhang ausgedehnte
Tuffe,
Trachyte und andre eruptive Gebilde lagern. Auf
der Nordseite des Balkans
, welche große Steinkohlenlager
¶
mehr
besitzt, tritt in weiter Ausdehnung
[* 7] die nach der Donau zu mit Löß hoch überdeckte Kreide
[* 8] auf, doch nicht so ausschließlich,
wie man früher glaubte. Der ostwestlichen Richtung des Balkans
entspricht auf seiner Südseite eine in der ganzen Länge des
Gebirges deutlich erkennbare Dislokationsspalte (Thäler der Tundscha, Giopsa, Becken von Sofia etc. mit einzelnen
Thermalquellen), längs deren die losgerissenen südlichen Gebirgsteile versanken bis auf die stehen gebliebenen Gebirge Karadscha
und Orta Dagh, nordöstlich und nordwestlich von Philippopel. Es ist nicht wahr, daß der Balkan
nur von S. aus gesehen als hohes,
stattliches Gebirge erscheint; es ist das auch an vielen Stellen der Nordseite, ja selbst von der Donau
aus der Fall. Spitze Gipfel sind selten; er hat mehr breite, flach gewölbte Kuppen.
Deswegen ist wahrscheinlich seine Höhe stets unterschätzt worden. Ami Boué gab seine größte Erhebung auf ca. 1700 m an; Kanitz
aber fand den Mara Gedük (nordöstlich von Karlovo) zu 2330 m, und seitdem haben die Russen 1878 den dicht
dabeiliegenden Gümrüktschal sogar zu 2376 m bestimmt. Nach diesen russischen Messungen wird das Gebirge zu beiden Seiten
des Gümrüktschal niedriger, ist aber zwischen Wratza und Schipka noch immer 2100-1500 m hoch, sinkt zwischen Schipka und
Kotel auf 1500-900 m und übersteigt noch weiter östlich nirgends 900 m. Auch in Klima
[* 9] und Vegetation sind
die verschiedenen Teile des Balkans
wesentlich unterschieden.
Während die Südseite des Ost- und Zentralbalkans
milde Luft, langen Sommer und üppige Vegetation (Rosen, Weinstöcke, Walnußbäume)
hat, herrschen auf der Nordseite und dem ganzen Westbalkan
rauhes Klima und frühe Winter. Die Südabhänge
des West- und Ostbalkans sind meist bis oben hin mit dichtem Laubwald (Nadelholz tritt nur vereinzelt auf) bedeckt, während
der des Zentralbalkans meist kahl ist. Die Nordseite dagegen besitzt überall stattlichen Hochwald.
Der früher für unwegsam gehaltene Balkan ist dies keineswegs: es führen im ganzen 30 wichtigere Straßenzüge über das Gebirge. Im O. sind es besonders die Pässe Emine, Bana (437 m), Nadir, Boghazdere (138 m), Kamtschik, Tschalikavak (446 m), Azaptepe und Kalabak (724 m);
im Zentrum Demirkapu, Zuvandschi Mesari (1098 m), Haidutzi Tschokar (1085 m), Hainköi Boghaz, Tipurischka-Boljana, Schipka (1207 m), Rosalita (1930 m), Ostra Mogila, Trojan, Rabanitza (1916 m), Katzamarsko (1496 m), Strigl, Baba Konak (1050 m), Umurgasch;
im W. Izgorigrad (1412 m), Gintzi (1508 m), Gareschda (1919 m), Vrscha Glava (1897 m), Sveti Nikola (1348 m).
Außerdem aber gibt es noch zahlreiche
Karrenwege und Saumpfade über verschiedene
Höhen und Einsattelungen der Kette. Der Nordabhang des östlichen Balkans wird fast ausschließlich von
Türken, der des Zentral- und Westbalkans von Bulgaren bewohnt. Am Südabhang des Ostbalkans sitzen meist Türken, an demjenigen
des Zentralbalkans Türken und Bulgaren gleichmäßig (soweit nicht die Kriegszeiten dort Änderungen, deren Details noch unbekannt
sind, mit sich gebracht haben) und am Südfuß des Westbalkans ausschließlich Bulgaren. Tataren, Tscherkessen
und Griechen kommen nur ganz vereinzelt vor. Die Industrie beschränkt sich meist auf den Hausbedarf; Ackerbau und Viehzucht
[* 10] spielen dagegen größere Rollen.
[* 11]
Vgl. F. Kanitz, Donau-Bulgarien und der Balkan (Leipz. 1875-79, 3 Bde.).
Geschichtlich berühmt ist der Übergang des russischen Heers unter dem Feldmarschall Diebitsch über den bisher für unübersteiglich gehaltenen und obendrein in seinen Hauptzugängen durch die Festung [* 12] Schumna geschützten Wall des Balkans im Juli 1829 von Warna und Prawady aus. Am 22. Juli überstiegen die Russen den Kamm des Gebirges; mit der Besetzung Karnabads am 26. lag der ganze in ihrem Rücken. Die kühne Ausführung dieses Überganges erwarb Diebitsch den Ehrennamen »Sabalkanskij«.
Noch glänzender waren die Unternehmungen der Russen 1877, indem sie schon im Juli unter General Gurko über den Schipkapaß vordrangen und diesen auch nach ihrem baldigen Rückzug behaupteten, nach dem Fall von Plewna [* 13] aber den an drei Stellen, am Schipkapaß, am Trojanpaß und bei Sofia (Etropolbalkan), Ende Dezember 1877 und Anfang Januar 1878 bei hohem Schnee [* 14] und furchtbarer Kälte teilweise auf Saumpfaden glücklich überschritten und dabei 9. Jan. die ganze türkische Schipkaarmee gefangen nahmen.