Titel
Balggeschwulst
,
ein von einem Körperteil gebildeter häutiger, allseitig geschlossener, meist
kugelförmiger
Sack oder
Balg, welcher mit einer bald flüssigen, bald breiigen
Substanz erfüllt ist. Der lateinische
Name
Cyste
umfaßt außer der Balggeschwulst
noch
Säcke ähnlichen
Baues, welche von
Blasenwürmern
(Finnen, Echinokokkus) herrühren. Balggeschw
ülste
werden fast in allen
Organen und
Geweben des
Körpers beobachtet, in gewissen
Organen freilich viel häufiger
als in manchen andern.
Ihre
Größe schwankt von dem
Umfang eines Hirsekorns und darunter bis zur
Größe einer Kegelkugel und
darüber. Zuweilen kommt nur eine Balggeschwulst
bei einem
Individuum vor, häufig sind aber eine ganze
Masse von
Cysten in nur einem
Organ
oder gleichzeitig in mehreren
Organen vorhanden.
1) Viele Balggeschw
ülste entstehen durch Umwandlung normaler geschlossener Hohlräume des
Körpers, welche durch abnorme
Flüssigkeitsansammlung ausgedehnt werden, sogen. Sekretionscysten. So können
Schleimbeutel und
Sehnenscheiden zu wasserhaltigen
Säcken sich umbilden, welche dann als Hygroma oder
Wassergeschwulst, als
Ganglien,
Überbein etc. bezeichnet werden. Durch übermäßige
Wasseransammlung in der Scheidenhaut der
Hode entsteht die sogen.
Hydrocele oder der
Wasserbruch, durch
Ansammlung von gallertigem oder wässerigem
Inhalt in den geschlossenen Drüsenblasen der
Schilddrüse der Cystenkropf, durch
dieselbe Erkrankung des
Eierstocks die oft kolossal großen Ovarialgeschwülste.
2)
Andre Balggeschw
ülste entstehen durch abnorme
Ausdehnung
[* 2] bestehender
Kanäle nach Verschluß ihres Ausführungsganges, sogen.
Retentionscysten, z. B. die
Sackwassersuchten der
Gallenblase, der
Nieren,
Eileiter, der
Gebärmutter
[* 3] etc.
Alle diese
Cysten enthalten anfänglich das schleimige Absonderungsprodukt der Schleimhaut, allein später wird der
Schleim
resorbiert und durch ein größeres
Volumen von
Wasser ersetzt, wobei der Cystenbalg den ursprünglichen
Charakter der Schleimhaut
allmählich einbüßt.
3) Cysten können auch aus Blutergüssen hervorgehen (sogen. apoplektische Cysten). Sie kommen dadurch zu stande, daß im Umfang eines Blutergusses eine entzündliche Bindegewebswucherung stattfindet, welche nach Aufsaugung des ergossenen Bluts als ein wasserhaltiger Balg sich darstellt. Solche apoplektische Cysten kommen namentlich im Gehirn [* 4] vor. Von manchen Balggeschwülsten kennt man die Entstehungsweise noch gar nicht. Einige Formen sind angeboren, z. B. die Hydrorhachis und der Hydrops renum cysticus. - Dermoidcysten sind Balggeschwülste, deren dicker Balg nach Art der äußern Haut [* 5] oder einer Schleimhaut gebildet ist.
Der Cystenbalg besteht hier gewissermaßen aus einem Stück Haut, welches kugelförmig geschlossen ist, und wobei die Innenfläche der Cyste der Hautoberfläche entspricht. Diese Dermoidcysten sind meist die Folge eines Fehlers der ersten Bildung, sie entstehen ihrer Anlage nach schon in den ersten Monaten des Embryonallebens und sind besonders dadurch merkwürdig, daß ihr Inhalt aus einer an der innern Oberfläche der Cyste produzierten Masse von Epithelzellen, Fett, Öl etc. besteht.
Der Cystenbalg enthält nämlich auch Hautdrüsen, welche Talg und Schweiß absondern, die sich im Cystenraum anhäufen. Manche Dermoidcysten enthalten daneben auch Haare [* 6] und Zähne, [* 7] welche ebenfalls in und auf dem Cystenbalg sich entwickelt haben. Dergleichen Cysten werden bis faustgroß, oft bleiben sie kleiner; sie kommen vorzugsweise in und unter der äußern Haut und in den Eierstöcken, jedoch auch, obschon selten, in andern Organen vor. Die Balggeschwülste gehören zu den gutartigen Geschwülsten.
Ihre
Folgen sind abhängig von der
Größe und Zahl, in der sie auftreten, von der Bedeutung der
Organe, in welchen sie sitzen,
von der
Schnelligkeit ihres Wachstums etc. und bestehen wesentlich in dem
Druck, welchen die Balggeschwulst
auf ihre
Umgebung ausübt. Die
Cysten können sich auch entzünden und werden manchmal der Sitz von Blutergüssen. Infolge dieser Veränderungen
kann später eine freiwillige Schrumpfung und vollständige Verödung der
Cysten eintreten. Die größte praktische Wichtigkeit
haben die großen Cystengeschwülste der
Eierstöcke (s. d.). Das sicherste
Mittel zur Beseitigung der
Balggeschwülste ist stets, wo es nur einigermaßen angeht, die Ausrottung derselben mit dem
Messer
[* 8] (vgl.
Ovariotomie).
Andre Balggeschwülste verlangen wegen der Nachbarschaft großer Gefäße und wegen der Gefahr, welche durch Verletzung der letztern entstehen könnte, andre Operationsmethoden. Diese sind die Entleerung des Inhalts durch die Punktion, welche mittels des Trokars geschieht (s. Aufstechen); doch führt diese Operation allein selten zu einem erwünschten Erfolg. Man hat deshalb nach Entleerung des Inhalts verschiedene Mittel, besonders verdünnte Jodtinktur, eingespritzt, welche die Wandungen der Cysten reizen, dadurch eine Entzündung und schließlich die Verödung veranlassen.